"Ich habe die Drohungen satt"
Nach der Vertreibung der Taliban begann eine vorsichtige Öffnung Afghanistans. Zahlreiche Hilfsprojekte nahmen sich der Frauen an. Doch das Schicksal einer jungen Musikerin zeigt, wie sich ihr Leben nach dem Abzug westlicher Truppen zu ihrem Nachteil verändern könnte.
Es ist kein ganz einfacher Stoff, mit dem sich dieses afghanische Lied befasst. Es erzählt von der komplizierten Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter. Es ist jedenfalls ein Song, der dem Leben von Sängerin Meena Amani eine neue Wendung gegeben hat. Auch das blieb aber danach nicht ohne Komplikationen. Zunächst aber machte dieser Song Meena berühmt:
"Zuerst war es nur eine Tonaufnahme, aber dann spielten sie den Song auch im Fernsehen und im Radio und er erschien auf CD und wurde damit richtig beliebt. Danach drehten wir ein Musikvideo, das afghanische Fernsehen und auch internationale Sender zeigten den Song."
Eine neue Stimme, ein neues Gesicht war entdeckt. Die Macher der afghanischen Version von "Deutschland sucht den Superstar", das am Hindukusch unter dem Namen "Afghan Star" läuft, traten an Meena heran - und sie daraufhin im Fernsehen auf. Die junge Frau wurde berühmt, aber damit begannen auch die Probleme. Damit, dass Menschen auf der Straße sie anstarrten, sie anpöbelten, war es nicht getan:
"Ich bekam Drohanrufe, die mir nahelegten, damit aufzuhören. Weil das der afghanischen Kultur nicht entspreche, dass eine Frau im Fernsehen auftrete. Auf den Straßen hatte ich das Gefühl, dass mich Menschen belauerten. Und letztes Jahr verfolgten mich zwei Motorradfahrer. Glücklicherweise war meine Haustür offen und ich konnte mich nach drinnen retten, andernfalls hätten die mich vielleicht erstochen oder mich mit Säure bespritzt."
Dass Fundamentalisten Mädchen oder Frauen mit Säure das Gesicht verätzen, ist in der Vergangenheit häufiger vorgekommen. Als Strafe für vermeintlich kultur-widriges Verhalten.
Eine im Vergleich dazu fast milde Form der Bestrafung wählten Verwandte von Meena. Die, erzählt die 22-Jährige, würden nicht mehr mit ihr reden. Eine Frau im Fernsehen, eine Frau, die arbeitet – in der noch immer sehr konservativen afghanischen Gesellschaft für viele ein Skandal. Sie vermeide öffentliche Plätze, erzählt Meena. Und ohne Burka wage sie sich heute nicht mehr aus dem Haus.
[Werbespot] Das ist die fröhliche Meena, die mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen und mit einem hellblauen Kopftuch bekleidet in einem Werbespot für Sonnenblumenöl auftritt. Doch diese Unbeschwertheit ist schon lange vorbei. Für ihre ganze Familie. Ihr Mann erzählt:
"Vor unserer Hochzeit war alles in Ordnung. Aber jetzt kommen Menschen zu mir und stellen Fragen: Warum lässt du deine Frau arbeiten. Kannst du sie nicht selbst ernähren? Mich macht das wütend, die sollen mich einfach in Ruhe lassen."
Das Paar lebt in Herat, das sich selbst Kulturhauptstadt Afghanistans nennt – viel Künstlerinnen und Künstler kommen von hier, zwei weitere Frauen aus der Region haben es in die Sendung "Afghan Star" geschafft. Die beiden sind nie zurückgekehrt, sind aus Sicherheitsgründen im etwas liberaleren Kabul geblieben:
"Wir leben in einer Gesellschaft, die für Frauen verschlossen ist. Es sind vor allem die Mullahs, die sich gegen Frauen im Fernsehen und im Theater aussprechen, es gibt hier einen Imam, der vor tausenden von Menschen bei den Freitagsgebeten sprach und die Frage stellte, wie sie es hinnehmen könnten, dass eine Frau ihre Schönheit im Fernsehen zur Schau stelle und für Shampoo Werbung mache. Er hat also direkt Tausende gegen mich aufgebracht."
Wie geschlossen diese Gesellschaft noch ist und wie grausam sie werden könnte, wenn der Westen zu überstürzt aus Afghanistan abzieht, versuchte das Time Magazine im Sommer vergangenen Jahres zu verdeutlichen. Auf ihren Titel nahm das Blatt das Foto von Aisha, einer Frau, an deren Gesicht die Taliban ihr Rechtsverständnis ausgelebt hatten. Die Extremisten hatten Aisha Nase und Ohren abgeschnitten. Die hatte aus Sicht der Taliban ein unentschuldbares Verbrechen begangen: Sie war vor ihrem Ehemann geflohen, der sie missbraucht und geschlagen hatte. Leider in Afghanistan nicht der erste Fall dieser Art.
In Herat hat sich in letzter Zeit eine grausame Form des Protests durchgesetzt: Frauen verstümmeln sich selbst. Dies sei zu sehen als Akt des Widerstands gegen die Unterdrückung, gegen die Gewalt, die ihnen angetan wird, erklärt der Regional-Direktor der afghanischen Menschenrechtskommission:
"Gewalt gegen Frauen gibt es in ganz Afghanistan, nicht nur in Herat. Aber die Frauen reagieren darauf auf unterschiedliche Weise, in Herat eben oft damit, dass sie sich selbst verbrennen. Die Zahl der Vorfälle ist gestiegen mit den ins Land zurückkehrenden Flüchtlingen. Vorher gab es das in Herat kaum. Aber 2010 etwa hatten wir 70 solcher Fälle."
Auch Meena Amani war nicht länger bereit, ein Leben in Angst führen zu müssen. Eigentlich, bekundete sie noch vor kurzem, sei es doch ein recht einfacher Traum, den sie habe: sie wolle sich der Musik widmen und eine erfolgreiche Künstlerin werden. Dass das in der Kulturhauptstadt Afghanistans nicht möglich sein soll, konnte sie zunächst nicht verstehen. Doch irgendwann habe sie das eingesehen:
"Ich will jetzt hier weg", so die junge Frau, "ich habe dieses Leben satt und die Drohungen auch." Sie werde sich in den Iran absetzen, kündigte sie an. Von dort wolle sie versuchen, auch nach Europa zu kommen. Freunde berichten jetzt, Meena Amani sei per Telefon nicht mehr erreichbar, vermutlich habe sie sich auf den Weg gemacht. Ob ihr Traum, nach Europa zu gelangen, bereits in Erfüllung gegangen ist, wissen sie nicht. Vor kurzem hatte Meena noch verdeutlicht: "Ich bin bereit, auf dem Weg dorthin zu sterben", sagt sie, "aber hier bleibe ich nicht."
"Zuerst war es nur eine Tonaufnahme, aber dann spielten sie den Song auch im Fernsehen und im Radio und er erschien auf CD und wurde damit richtig beliebt. Danach drehten wir ein Musikvideo, das afghanische Fernsehen und auch internationale Sender zeigten den Song."
Eine neue Stimme, ein neues Gesicht war entdeckt. Die Macher der afghanischen Version von "Deutschland sucht den Superstar", das am Hindukusch unter dem Namen "Afghan Star" läuft, traten an Meena heran - und sie daraufhin im Fernsehen auf. Die junge Frau wurde berühmt, aber damit begannen auch die Probleme. Damit, dass Menschen auf der Straße sie anstarrten, sie anpöbelten, war es nicht getan:
"Ich bekam Drohanrufe, die mir nahelegten, damit aufzuhören. Weil das der afghanischen Kultur nicht entspreche, dass eine Frau im Fernsehen auftrete. Auf den Straßen hatte ich das Gefühl, dass mich Menschen belauerten. Und letztes Jahr verfolgten mich zwei Motorradfahrer. Glücklicherweise war meine Haustür offen und ich konnte mich nach drinnen retten, andernfalls hätten die mich vielleicht erstochen oder mich mit Säure bespritzt."
Dass Fundamentalisten Mädchen oder Frauen mit Säure das Gesicht verätzen, ist in der Vergangenheit häufiger vorgekommen. Als Strafe für vermeintlich kultur-widriges Verhalten.
Eine im Vergleich dazu fast milde Form der Bestrafung wählten Verwandte von Meena. Die, erzählt die 22-Jährige, würden nicht mehr mit ihr reden. Eine Frau im Fernsehen, eine Frau, die arbeitet – in der noch immer sehr konservativen afghanischen Gesellschaft für viele ein Skandal. Sie vermeide öffentliche Plätze, erzählt Meena. Und ohne Burka wage sie sich heute nicht mehr aus dem Haus.
[Werbespot] Das ist die fröhliche Meena, die mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen und mit einem hellblauen Kopftuch bekleidet in einem Werbespot für Sonnenblumenöl auftritt. Doch diese Unbeschwertheit ist schon lange vorbei. Für ihre ganze Familie. Ihr Mann erzählt:
"Vor unserer Hochzeit war alles in Ordnung. Aber jetzt kommen Menschen zu mir und stellen Fragen: Warum lässt du deine Frau arbeiten. Kannst du sie nicht selbst ernähren? Mich macht das wütend, die sollen mich einfach in Ruhe lassen."
Das Paar lebt in Herat, das sich selbst Kulturhauptstadt Afghanistans nennt – viel Künstlerinnen und Künstler kommen von hier, zwei weitere Frauen aus der Region haben es in die Sendung "Afghan Star" geschafft. Die beiden sind nie zurückgekehrt, sind aus Sicherheitsgründen im etwas liberaleren Kabul geblieben:
"Wir leben in einer Gesellschaft, die für Frauen verschlossen ist. Es sind vor allem die Mullahs, die sich gegen Frauen im Fernsehen und im Theater aussprechen, es gibt hier einen Imam, der vor tausenden von Menschen bei den Freitagsgebeten sprach und die Frage stellte, wie sie es hinnehmen könnten, dass eine Frau ihre Schönheit im Fernsehen zur Schau stelle und für Shampoo Werbung mache. Er hat also direkt Tausende gegen mich aufgebracht."
Wie geschlossen diese Gesellschaft noch ist und wie grausam sie werden könnte, wenn der Westen zu überstürzt aus Afghanistan abzieht, versuchte das Time Magazine im Sommer vergangenen Jahres zu verdeutlichen. Auf ihren Titel nahm das Blatt das Foto von Aisha, einer Frau, an deren Gesicht die Taliban ihr Rechtsverständnis ausgelebt hatten. Die Extremisten hatten Aisha Nase und Ohren abgeschnitten. Die hatte aus Sicht der Taliban ein unentschuldbares Verbrechen begangen: Sie war vor ihrem Ehemann geflohen, der sie missbraucht und geschlagen hatte. Leider in Afghanistan nicht der erste Fall dieser Art.
In Herat hat sich in letzter Zeit eine grausame Form des Protests durchgesetzt: Frauen verstümmeln sich selbst. Dies sei zu sehen als Akt des Widerstands gegen die Unterdrückung, gegen die Gewalt, die ihnen angetan wird, erklärt der Regional-Direktor der afghanischen Menschenrechtskommission:
"Gewalt gegen Frauen gibt es in ganz Afghanistan, nicht nur in Herat. Aber die Frauen reagieren darauf auf unterschiedliche Weise, in Herat eben oft damit, dass sie sich selbst verbrennen. Die Zahl der Vorfälle ist gestiegen mit den ins Land zurückkehrenden Flüchtlingen. Vorher gab es das in Herat kaum. Aber 2010 etwa hatten wir 70 solcher Fälle."
Auch Meena Amani war nicht länger bereit, ein Leben in Angst führen zu müssen. Eigentlich, bekundete sie noch vor kurzem, sei es doch ein recht einfacher Traum, den sie habe: sie wolle sich der Musik widmen und eine erfolgreiche Künstlerin werden. Dass das in der Kulturhauptstadt Afghanistans nicht möglich sein soll, konnte sie zunächst nicht verstehen. Doch irgendwann habe sie das eingesehen:
"Ich will jetzt hier weg", so die junge Frau, "ich habe dieses Leben satt und die Drohungen auch." Sie werde sich in den Iran absetzen, kündigte sie an. Von dort wolle sie versuchen, auch nach Europa zu kommen. Freunde berichten jetzt, Meena Amani sei per Telefon nicht mehr erreichbar, vermutlich habe sie sich auf den Weg gemacht. Ob ihr Traum, nach Europa zu gelangen, bereits in Erfüllung gegangen ist, wissen sie nicht. Vor kurzem hatte Meena noch verdeutlicht: "Ich bin bereit, auf dem Weg dorthin zu sterben", sagt sie, "aber hier bleibe ich nicht."