"Ich hab mich entschieden für das Bild des Menschen in der Fotografie"

Von Anette Schneider · 25.12.2008
Seit über 40 Jahren engagiert sich der Fotograf und Sammler F.C. Gundlach für Fotografie als künstlerisches Medium: 1975 eröffnete er eine der ersten Fotogalerien der Bundesrepublik. Er kuratierte zahlreiche große Ausstellungen, er lehrt in Berlin an der Akademie und er war Gründungsdirektor des Haus der Fotografie in Hamburg. Gerade initiiert er die "Deutsche Stiftung Photographie", die sich um Nachlässe bekannter Fotografen kümmern soll.
Unermüdlich setzt sich F.C. Gundlach für das Medium Fotografie ein. Als gefragter Modefotograf arbeitete er zwischen den 50er und 80er Jahre für alle bedeutenden Zeitschriften, bereits Ende der 50er war New York so etwas wie seine zweite Heimat. Dort erlebte er in den Museen, was hier noch lange unvorstellbar bleiben sollte: Fotografie galt als künstlerisches Medium. Als dann Mitte der 70er Jahre im Big Apple die ersten privaten Fotogalerien entstanden, zog Gundlach daraus Konsequenzen: In einem alten Bunker in Hamburg gründete er eine der ersten Fotogalerien Deutschlands. Seine Kontakte nach New York entpuppten sich dabei als großes Glück:

"Ich habe dann Sammler kennengelernt, ich habe Fotografen kennengelernt aus New York. Ich hätte doch als kleine Non-Galerie, die man gar nicht kennt, als Galerist - ich war ja auch gar nicht Galerist in dem Sinne - gar nicht die Künstler bekommen, die ich dann gezeigt habe. Und wenn man den Katalog sieht von den Ausstellungen - wir haben dann etwa 70 Ausstellungen gemacht in den nächsten Jahren - das ist wie ein Gang durch die Geschichte der Fotografie: Steichen wird heute in den Museen entdeckt. Steichen haben wir vor 20 Jahren gezeigt. Ich hab die erste Avedon-Ausstellung gemacht. Ich hab die erste Penn-Ausstellung gemacht, die erste Mapplethorpe-Ausstellung."

Steven Shore, Joel Sternfeld, Cindy Sherman - zu einer Zeit, da selbst hiesige Museen das Medium nur in Verbindung mit Presse und Werbung brachten, nicht aber mit Kunst, bewies der Galerist Gundlach immer wieder ein Gespür für neue künstlerische Entwicklungen und junge Fotografen. Dass er dabei zum Sammler werden würde, war nicht geplant. Die Mapplethorpe-Ausstellung änderte dies.

"Damals kostete der Print 350 Dollar. Und wir haben mit Mühe zwei verkauft. Und das konnte ich natürlich meinen amerikanischen Freunden nicht antun, nicht? Ich hätte meine Glaubwürdigkeit verloren. Ich hab' dann 20 behalten. Das war dann auch der Beginn des Sammelns."

Da war Gundlach immerhin schon 50 Jahre alt und residierte bereits in der Stadtvilla, in der er noch heute wohnt und arbeitet. In wandhohen Regalen stapeln sich dort große Fotokartons mit seinem Werk. Überall stehen Bücherkisten herum, da der Gründungsdirektor des "Hauses der Fotografie" der Einrichtung 3000 Bände als Grundstock für eine Präsenzbibliothek überlässt. Und einige Mitarbeiter katalogisieren seine umfangreiche Sammlung, aus der über 6000 Arbeiten als Dauerleihgabe an das "Haus der Fotografie" gingen.

"Ich habe zunächst sehr emotional gesammelt. Das ist immer richtig. Ich denke, wenn man sammelt, soll man erst einmal über das Gefühl gehen, über die Emotion, was ein Bild bei einem auslöst. Denn mit solchen Bildern kann man immer leben. Aber wenn dann Wissen dazukommt oder ein intellektueller Zugang oder eine ganz bestimmte Tendenz der Fotografie oder Kunst im Allgemeinen, dann ist das Beste natürlich sich ein Konzept zu entwickeln. (...) Das hab ich dann auch gemacht. Nach drei Jahren hab ich gesagt: "Du sammelst zuviel. Alles ist wichtig. Aber jetzt wollen wir es doch mal fokussieren!" Und ich hab mich dann entschieden für das Bild des Menschen in der Fotografie. Das war mein Konzept. Und eben, wie gesagt: Eine Sammlung ohne Konzept ist eine Ansammlung, dann gilt alles."

Seit den 90er Jahren kuratiert Gundlach auch Museumsausstellungen, und nach wie vor ist der 82-Jährige neugierig auf neue künstlerische Formen und Inhalte, entdeckt und fördert er junge Künstlerinnen und Künstler. So wie einst Wolfgang Tilmans, den er als erster ausstellte und durchsetzte. Oder Nan Goldin, die er hierzulande bekannt machte.

"Ich kannte Nan Goldin, also wirklich im desolatesten Zustand. Und Nan hatte nie einen Pfennig Geld. Und dann kriegte sie ein DAAD-Studium in Berlin, und dann war sie zwei Jahre hier, und in den zwei Jahren haben wir ganz intensiv zusammengearbeitet. Und da sie kein Geld hatte, Prints zu machen, hab ich ihr vorgeschlagen, das für sie zu machen. Und alles, was an Prints von Nan Goldin aus dieser Zeit ist, ist bei mir entstanden.""

Immer wieder kann man seine Schätze in Ausstellungen sehen. Darunter auch Klassiker wie Cartier-Bresson und Gisele Freud.

Anfang der 80er Jahre kam ein neuer Sammelbereich hinzu: Damals begannen bildende Künstler das Medium Fotografie zu entdecken, und einige kamen zu Gundlach, um in seinen Fotolaboren zu arbeiten.

"Das war Polke, und das war Kippenberger. Mit denen hab' ich gearbeitet, jahrelang. Das ganze Werk von Kippenberger ist bei mir entstanden, das fotografische Werk. Und das war für mich auch wieder ein neuer Impuls, eine ganz andere Richtung in der Fotografie aufzunehmen. Es können ja die gleichen Probleme sein, aber Künstler gucken anders auf Dinge. Aber die hatten alle keine Ahnung von Fotografie, von der Technik zunächst nicht. Und das war der große Vorteil, dass ich diese Firma PPS damals hatte, und eben ein Labor hatte und eben auch die Leute trainiert habe - das war mein Spaß an dieser Geschichte - der geschäftliche Erfolg war natürlich auch erfreulich, sonst hätte ich es mir nicht leisten können."

Nach wie vor macht Gundlach sich stark für die Fotografie. Gerade initiiert er eine Stiftung, die sich um die Nachlässe bekannter Fotografen kümmern soll, da diese immer häufiger von den Nachkommen einfach weggeschmissen werden oder verlorengehen. Und er beobachtet den Nachwuchs. Im Treppenhaus seiner Villa hängen zum Beispiel zwei großformatige Arbeiten von dem jungen, noch kaum bekannten Fotografen Andreas Mühe. Eines zeigt ein merkwürdiges Wirrwarr aus braunen Punkten und Strichen - ein gescannter toter Igel.

"Wir haben einen regen Austausch. Er kommt und bringt mir das Bild, sagt: "Das Bild hab' ich gemacht, das möchte ich Ihnen gerne zeigen." Oder: "Das häng' ich Ihnen jetzt an die Wand." Der hat eine Laborlehre bei uns gemacht. Und sein Traum war immer, Fotograf zu werden, und ich hab ihn ein bisschen gefördert. Er ist begabt, er ist sehr im Installatorischen aber auch in der Reportage, und er ist einer, der eine Karriere machen wird, da bin ich ganz sicher."