"Ich bringe die Welt zum Lachen"

12.07.2005
Der gebürtige Pakistaner Ali Akbar verkauft seit über dreißig Jahren "Le monde" im Pariser Viertel Saint Germain. Auf diese Weise ist er täglicher Gast in den berühmtesten Kaffeehäusern der Stadt, gekannt und geliebt von Spitzenpolitikern, Schauspielern und Vorzeige-Intellektuellen. Jetzt hat Akbar seine wundersame Geschichte von Immigration und spätem Ruhm in einem Buch zusammengefasst. Es ist in diesem Frühjahr erschienen und in Paris längst Stadtgespräch. Katja Bigalke hat den ärmsten Promi von Saint German getroffen.
"Ich bin Zeitungsverkäufer. Hier in Paris. Ganz einfach. Ich mach das jeden Tag. Immer zu Fuß. Um 13 Uhr geht es los. Bis um acht abends. Ich mag den Kontakt zu den Leuten, ich bringe die gerne zum Lachen. "


Ali Akbar hat es eilig. Er ist ein bisschen spät dran heute, leiht sich deswegen seine ersten Packen Le Monde vom Kiosk an der Kirche Saint Sulplice. Die Schlagzeile heute? "Chirac geschwächt." Ali ändert es kurzerhand in "Chirac löst Parlament auf". Das verkauft sich besser. Und die Leute amüsiert’s.

"Ich hab diese Arbeit immer gemocht. Da gibt es auch keine Scham oder so, weil ich mich schon bemühe, das besonders gut zu machen. Vielen Leuten ist der Straßenverkauf ja peinlich, mir aber nicht."

Ali ist der berühmteste Zeitungsverkäufer von Paris. Seine erfundenen Titel sind Legende. "Sarkozy zum Islam übergetreten!", zum Beispiel, oder: "Rente mit 35! Villepin ist einverstanden." Niemand hat sich je beklagt.

" Ich schau mir die Titel an und übersetze sie ins Komische. Ein Titel, der besonders gut ankam und an den ich mich noch erinnere war: "Le Pen wurde von Rabbiner vergewaltigt." Da ging es wieder um irgendeine antisemitische Sache und den Front National."

Ali wurde in Pakistan, in Rawalpindi geboren. Anfang der fünfziger Jahre. Wann genau wissen weder er noch seine Mutter. Mit sechs Jahren verkauft Ali Mais auf der Straße, hilft bei der Ernte aus. Er wird vom Vater verprügelt, von einem Verwandten missbraucht. Mit 18 will er weg von zu Hause. 100 Dollar in der Tasche.

" Ich hatte immer diesen Traum, meiner Mutter irgendwann ein Haus zu kaufen. Aber ich wusste schon, dass daraus nichts wird, solange ich in Pakistan bleibe. Ich musste das Land also früh verlassen. "

Nach Umwegen über Kabul, Teheran und Athen landet Akbar in Frankreich. Als sein Visum abläuft, taucht er unter. Lange lebt er von der Hand in den Mund, schläft unter Brücken. Irgendwann beginnt er Zeitungen zu verkaufen, bekommt schließlich die Aufenthaltsgenehmigung. Das ist jetzt über dreißig Jahre her und das Haus für die Mutter längst gekauft. Ein bisschen fremd fühlt er sich immer noch in seiner Wahlheimat, zurück will er trotzdem nicht.

" Das ist viel freier hier. Pakistan ist sehr verlogen. Die Mentalität wäre nur noch schwer für mich zu ertragen. Die Menschen sind extrem religiös. Ich respektiere ihre Praktiken zwar. Aber nicht, dass sie immer andere dazu verpflichten wollen, so zu leben wie sie. Das mag ich nicht."

Bescheiden wohnt er in einem Pariser Vorort mit fünf Kindern und seiner Frau. Er findet, er hat es zu etwas gebracht.

" Ich bekomme 33 Centimes pro verkaufter Zeitung. Wenn ich 100 verkaufe, verdiene ich zwar nicht mehr als 33 Euro am Nachmittag, aber damit ernähre ich meine Kinder. Wir kriegen auch ein bisschen Sozialhilfe und Wohngeld und das reicht. "

Nun hat Ali Akbar seine Lebensgeschichte als Buch aufgeschrieben. "Je fais rire le monde . . . mais le monde me fait pleurer". "Ich bringe die Welt zum Lachen, aber die Welt lässt mich weinen."

"Gerard – oh oh " (signiert das buch) "C’ayait Ali vous aime."

Für Gérard – Ali liebt Sie. Akbar signiert in krakeliger Schrift sein Buch für einen Stammkunden. Der Verleger ist sich sicher, dass er die stolze Auflage von 8000 allein im VI. Arrondissement loswird. Schließlich kennt Ali hier alle. Und viele, die wichtig sind.

" Hubert, Védrine, Edouard, Berg, Belmondo, Carlos, Debré, Fabius, Alain, Juppé..."

Saint German hat sich verändert, ist schicker und luxuriöser geworden. Nur Ali Akbar ist derselbe geblieben – trotz des Medienrummels um sein Buch: Ein schmaler, unauffälliger Mann mit grauer Regenjacke und blauer Baseballkappe. Jedem, der hier eine der Elitehochschulen besuchte, hat er schon mal eine Zeitung verkauft.

In der Nobel-Brasserie Lipp am Boulevard St. Germain gehört Akbars Auftritt seit Jahrzehnten wie das Glas Wein zum Mittagsmenu.

"le monde, le monde!"

" Er ist der einzige, der dieses Privileg hat. Er ist so etwas wie das Kind des Village Saint Germain. Wir lieben ihn alle hier. Er ist eine richtig kleine Persönlichkeit – ganz lebendig, mit viel Humor. Und er hat tolle Überschriften für die Zeitungen, die sollten sich ruhig mal von ihm inspirieren lassen."

Für unseren Interviewtermin hat Akbar auch sofort eine Schlagzeile gefunden:

"Journaliste allemande cherche mari francais" (Lachen)

"Deutsche Journalistin sucht französischen Ehemann". Und wieder sind die Lacher auf seiner Seite.