"Ich bin skeptisch"

Rolf Mützenich im Gespräch mit Marietta Schwarz · 03.02.2010
Mit Skepsis hat der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, auf das Einlenken des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gegenüber der internationalen Gemeinschaft im Atomstreit reagiert: Der Iran setze derartige Zeichen, wenn wieder neue Sanktionen im Sicherheitsrat drohten.
Marietta Schwarz: Mit der Einhaltung der Menschenrechte nimmt es der Iran ja nicht so genau, immer wieder hört man von öffentlichen Hinrichtungen oder Steinigungen. Selbst minder schwere Verbrechen werden mit brutalen Körper-, manchmal sogar mit der Todesstrafe geahndet. Vergangene Woche hat die iranische Regierung sogar ihre Drohung in die Tat umgesetzt und zwei Menschen hingerichtet, die an den Protesten gegen die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad teilgenommen hatten. Hunderte werden in Gefängnissen festgehalten, und in Kürze sollen neun weitere Oppositionelle gehängt werden. Tut das Ausland genug, wenn es um die Menschenrechtsfrage im Iran geht, oder müsste es nicht viel mehr Druck ausüben? Darüber spreche ich mit Rolf Mützenich. Er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Herr Mützenich, wenn es wie letzte Woche zu Menschenrechtsverletzungen kommt, folgt von den Regierungen eigentlich immer derselbe Satz. Er heißt: Der Westen verurteilt aufs Schärfste. Reicht das?

Mützenich: Also es wäre auf jeden Fall erforderlich, dass die gesamte internationale Gemeinschaft so etwas verurteilt und insbesondere, dass wir auch auftreten gegen die Todesstrafe. Sie ist brutal und menschenverachtend. Das ist natürlich ein Punkt, der nicht nur für den Iran zutrifft. Auf der anderen Seite glaube ich, ist es immer ein großes Wagnis, von außen auf die Menschenrechte so stark hinzuweisen, wie es der ein oder andere tut, weil das Risiko geht ja nicht derjenige selbst ein, sondern wir riskieren manchmal, dass die Demonstranten, dass Menschenrechtler im Iran denn auch noch stärker verfolgt werden. Ich habe zum Beispiel die Kritik, die der israelische Staatspräsident Peres im Deutschen Bundestag geäußert hat, und auch die Hinweise auf die iranischen Demonstranten nicht ganz verstanden, weil er bringt da natürlich ein Bild rüber, das Israel sehr stark diese Demonstranten unterstützt. Und ich glaube, damit bringen wir auch sie letztlich im Iran in Gefahr. Das ist also ein großes Wagnis und auch ein schwieriges Unterfangen, aber wir müssen auf jeden Fall weiter über die Menschenrechte im Iran sprechen. Zum Beispiel sind dort die Bahá'í inhaftiert, und da mache ich mir große Sorgen.

Schwarz: Jetzt haben Sie auch gesagt, wir müssen eintreten gegen die Todesstrafe, aber wie sieht denn dieses Eintreten gegen die Todesstrafe konkret aus?

Mützenich: Nun, das ist insbesondere, glaube ich, nicht nur ein Thema wie gesagt, was den Iran betrifft, sondern insgesamt eine wichtige Diskussion, die ja zum Beispiel Amnesty International führt, aber auch die Parlamente. Wir haben doch oft im Deutschen Bundestag drüber diskutiert, die Europäische Union ist gegen die Todesstrafe, das ist ein entsprechender Punkt. Aber auf der anderen Seite müssen wir natürlich in den Gesprächen auch mit iranischen Vertretern, solange wir diese Kanäle haben, massiv darauf hinweisen, dass die Menschenrechtsverletzungen im Iran nicht hinnehmbar sind und auch das Bild des Iran nach außen so prägen, dass es schwierig wird, in der internationalen Gemeinschaft weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Schwarz: Die Grünen, die gehen noch einen Schritt weiter und fordern, dass man Sanktionen wegen der Menschenrechtsverletzungen verhängen müsste. Was spricht denn da dagegen – oder dafür?

Mützenich: Genau. Es spricht erst mal nicht etwas dagegen, natürlich ist die internationale Gemeinschaft doch aufgerufen, bei Regelverletzungen auch mit Sanktionen zu reagieren. Das diskutieren wir ja ständig auch bei der iranischen Atomkrise. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich fragen, wen treffen diese Sanktionen. Also es geht konkret darum, auch kluge Sanktionen aufzubauen. Auf der anderen Seite geht es mir andererseits mehr darum zu versuchen, stärker noch auf die iranische Regierung einzuwirken, mit ihnen zumindest über diese Fälle zu diskutieren. Ich tue das hier, wenn Vertreter aus dem Iran in Deutschland sind oder wenn wir zum Besuch im Iran sind, auch da bringen wir konkrete Fälle mit auf die Tagesordnung. Ich glaube, man muss immer wieder im Einzelfall schauen, welche Gradwanderung man machen kann, und ich glaube, ein allgemeines, pauschales Urteil zu fällen, insbesondere in öffentlichen Reden, ist manchmal nicht sehr hilfreich.

Schwarz: Jetzt hören wir heute Morgen, dass es möglicherweise ein Einlenken der iranischen Regierung in Sachen Atomstreit gibt, und zwar aus Angst vor Sanktionen. Das zeigt doch, dass das ein wirksames Druckmittel ist.

Mützenich: Ich würde mir das ja wünschen, wenn die iranische Regierung endlich auf die konkreten Angebote sowohl der Internationalen Atomenergiebehörde, aber auch glaube ich der klugen Diplomatie des amerikanischen Präsidenten eingehen würde. Auf der anderen Seite bin ich skeptisch, weil die iranische Regierung immer dann, wenn wieder neue Sanktionen im Sicherheitsrat anstehen, solche Anstrengungen unternimmt. Und man muss auf der anderen Seite wissen, der iranische Präsident Ahmadinedschad hat ja sich sehr früh für dieses Projekt der Urananreicherung im Ausland eingesetzt, aber hatte nicht die Unterstützung sowohl des Parlaments und offensichtlich auch nicht die Unterstützung des iranischen Revolutionsführers. Also man muss jetzt noch mal die nächsten Tage abwarten, ob es zu tatsächlichen Gesprächen kommt. Ich fände es gut, wenn es gelingt, dieses Problem so anzufassen, weil dann hätten wir Gelegenheit, endlich auch wieder in einer ruhigeren Atmosphäre über die großen Bedenken, die wir gegenüber dem iranischen Atomprogramm haben, zu diskutieren.

Schwarz: Herr Mützenich, man hat ja immer den Eindruck, die Regierungen halten sich in Sachen Menschenrechtslage im Iran auch deshalb zurück, weil sie eben über diesen Atomkonflikt mit dem Iran versuchen zu verhandeln. Aber lassen sich denn diese beiden Dinge, Atomstreit und Menschenrechtslage, überhaupt voneinander trennen?

Mützenich: Also es sind auf jeden Fall zwei unterschiedliche Probleme, man darf sie nicht gegeneinander aufwiegen. Ich glaube, beide Themen müssen einfach mit auf die Tagesordnung. Wir müssen unterschiedliche Punkte finden, wo man sie ansprechen kann, wie ich das eben gesagt habe, im internen Gespräch, aber auch in der öffentlichen Diskussion, wenn es notwendig ist. Das muss man immer wieder neu abstimmen. Wichtiger scheint mir, dass wir einen internationalen Konsens haben und insbesondere auch die Staaten mit überzeugen, dem Iran deutlich zu machen, dass er hier schwierige Handlungen unternimmt – ich spreche zum Beispiel die Volksrepublik China, aber auch so wichtigere Staaten wie Indien und Brasilien zum Beispiel an. Hier wäre es notwendig, wenn wir zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen. Leider mangelt es dort noch.

Schwarz: Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Ich danke Ihnen, Herr Mützenich, für das Gespräch.

Mützenich: Danke auch für das Gespräch, alles Gute!