Alkohol erst ab 18

Ein falscher Vorstoß zur falschen Zeit

07:39 Minuten
Junge Menschen genießen am Abend ein Bier in der warmen Sonne in Barnes im Südwesten Londons
Eine Generation, die auf ihre Gesundheit achtet: Bei den unter 18-Jährigen geht der Konsum von Alkohol seit Jahren zurück. © picture-alliance / ZUMA / London News Pictures / Alex Lentati
Klaus Hurrelmann im Gespräch mit Julius Stucke · 11.02.2022
Audio herunterladen
Alkohol erst mit 18 Jahren. So lautet der Vorschlag des Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Suchtexperte Klaus Hurrelmann sieht dafür „nicht den geringsten Anlass“. Er warnt: Der Schritt könne nach hinten losgehen.
Der Suchtexperte Klaus Hurrelmann hat kein Verständnis für einen Vorstoß von Burkhard Blienert. Dieser ist der Drogenbeauftragte der Bundesregierung und will das Erwerbsalter für Alkohol heraufsetzen. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren sei gerade bei den unter 18-Jährigen der Alkoholkonsum weiter zurückgegangen, unterstreicht Hurrelmann.
Lediglich habe nur eine kleine Gruppe von fünf bis acht Prozent ihren Konsum auf hohem Niveau gehalten oder sogar gesteigert. „Das Bild ist, dass wir eine sehr gesundheitsbewusste junge Generation haben“, sagt Hurrelmann. „Es gibt aus meiner Sicht deswegen im Moment keinen Anlass, über neue Regeln nachzudenken und Verbote auszusprechen.“

Verbote wecken den Widerstandsgeist

Der „erfreuliche Trend“, dass Jugendliche auch weniger rauchen als ihre Eltern und Großelter, sei während der Coronapandemie etwas eingebrochen. Doch es werde in allen Generationen gegenwärtig mehr getrunken und Tabak konsumiert. Dies sei „eine Ausgleichsreaktion gegen die Einsamkeit und die bedrückenden Einschränkungen des täglichen Lebens.“
Der Experte warnt davor, mit Verbotsstrukturen darauf zu reagieren. „Das finde ich falsch, das ist kontraproduktiv, das weckt den Widerstandsgeist.“ Die jungen Leute hätten auch gemerkt, dass die Politik von ihnen in der Coronapandemie „ungeheure Einschränkungen“ verlange und sie nicht daran beteilige.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung solle lieber mit den jungen Leuten reden, so Hurrelmann, sich die Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Alkoholkonsum ansehen und wenn er etwas unternehmen wolle, dann zielgenau vorgehen. „Einfach so pauschal Verbote auszusprechen, das ist bei Suchtmustern, wie wir seit Jahrzehnten wissen, meist der ganz falsche Weg.“

Gute Erfahrungen mit „begleitetem Trinken“

Nicht nachvollziehbar findet der Experte auch, dass das sogenannte begleitete Trinken „gerade jetzt zum Thema gemacht“ werde. Laut Gesetz dürfen Jugendliche ab 14 Jahren im Beisein ihrer Eltern Bier, Wein oder Schaumwein trinken. Man habe gute Erfahrungen mit dieser Regel, so Hurrelmann.
Die Kernidee sei, dass Eltern mit den Heranwachsenden trainierten, „wie gehe ich mit dieser allgegenwärtigen Drogen um?“ Alkohol sei eine riskante Droge, betont der Experte, aber in unserer Kultur äußerst verbreitet.
„Also muss ich lernen, mit dieser Droge umzugehen, es bleibt mir gar nichts anderes übrig. Das gehört fast zur Entwicklungsaufgabe eines jeden jungen Mannes, einer jeden jungen Frau.“ Dass Eltern mit ihren Kindern den Umgang trainieren und mit 12, 13 oder 14 Jahren bei einer Geburtstagsfeier einen Schluck Sekt trinken und testen, habe sich „bei uns bewährt“.
Der Experte warnt vor einem Kippen dieser Regelung. Dann „trinken die jungen Leute hinter dem Rücken von Eltern.“ Es komme zu Rauschtrinken und Komasaufen.

Cannabis-Legalisierung „grundsätzlich richtig“

Positiv bewertet der Experte, dass die Bundesregierung plant, Cannabis zu legalisieren und ab 18 Jahren zugänglich zu machen. Das sei „grundsätzlich richtig.“ Die Bundesregierung sage richtigerweise, so der Experte, dass durch Verbote keine kontrollierte und kluge Nutzung einer Droge zustande komme. Das gelte aber auch bei Alkohol – auch wenn von unterschiedlichen Altersschwellen gesprochen werde.
„Ich kann als Regierung nicht einerseits sagen, ich vertraue der Bevölkerung und will nicht durch Verbote steuern, sondern durch Information, Anregung, Training.“ Dann müsse dies bei Alkohol aber auch gelten.
(tmk)

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema