Hüterin der Tradition
Das Musee du Judaisme Marocain in Casablanca ist einzigartig in der arabischen Welt. Ebenso einzigartig ist, dass die Kuratorin des Museums Muslimin ist. Zhor Rehihil will jungen Marokkanern zeigen, dass Muslime und Juden jahrtausendalte gemeinsame Wurzeln und Traditionen haben.
Zhor Rehihil blickt sich neugierig um. Eine dunkle, enge Schleuse, es ist der Hintereingang des jüdischen Museum in Berlin.
"We have it everywhere in each Jewish institution, everywhere in the world. In Morocco, the States, in Berlin, in Paris, we have security. And we have not so heavy security, in front we start to have two policemen."
Ob in Marokko, Paris oder New York, überall gibt es Sicherheitsvorkehrungen, sagt sie. Vor dem jüdischen Museum in Casablanca stehen aber nur zwei Polizisten.
Zhor Rehihil, eine schmale Frau mit kurzen dunklen Locken, ist eingeladen, ein paar Tage im jüdischen Museum in Berlin zu hospitieren. Es ist ihr erster Besuch in Deutschland, heute ihr erster Tag in dem Bau von Daniel Libeskind.
Das Auswärtige Amt hat ihr Hotel und Flug bezahlt, will, dass die Leiterin des einzigen jüdischen Museums der arabischen Welt Kontakte zu deutschen Partnern knüpft. Auf ihrem Lebenslauf, den die Botschaft zuvor übermittelt, steht: "Beruf: Konservatorin; Geburtsort: 1967, Casablanca; Staatsangehörigkeit: Marokkanisch; Berufliches Ansehen: Sehr hoch."
Jetzt ist sie im Aufzug unterwegs nach oben, eine Kuratorin des Berliner Museums begleitet sie, erzählt, dass der Taxifahrer, der sie durch Casablanca fuhr, das jüdische Museum dort nicht finden konnte ...
"I wanted to visit the Museum, but couldn´t find it. The taxi driver drove to different places - at the end of the day, we said: forget ..."
Rehihil lacht laut, obwohl es eines ihrer größten Probleme ist, gegen das sie ankämpft:
"Casablanca ist eine Riesenstadt, wir waren das erste Museum überhaupt, das dort eröffnete. Das jüdische Museum liegt etwas außerhalb, in einem ruhigen Viertel, leider fragen die Leute oft: Was? Es gibt ein jüdisches Museum? Hier in Casablanca?"
Vor einem Glaskasten im Inneren des Libeskind-Baus bleibt Zhor Rehihil mit der Kuratorin stehen. Darin eine alte Fotokamera, Silberbesteck und Eheringe, die eine jüdische Familie mit ins Exil retten wollte.
Die Marokkanerin läuft das Gebäude mit seiner verwinkelten Architektur ab, ist beeindruckt von der Symbolik und der Größe. Ihr Museum ist in einem alten jüdischen Waisenhaus eingerichtet, das bis 1965 geöffnet war. Spätestens dann hatten die meisten der marokkanischen Juden Casablanca schon Richtung Israel verlassen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lebten etwa 300.000 Juden in Marokko, heute sind es nicht einmal mehr 5000 im ganzen Land. Auch in ihrem Museum zeigt die 46-jährige Kuratorin jüdische Alltagsgegenstände. Die wenigen Juden, die noch in Marokko leben, geben ihre Familienerbstücke aber lieber an europäische Museen ab.
"Vielleicht glauben sie nicht daran, dass unser Museum Bestand hat. In Europa sind sie sicher, dass die jüdischen Museen bleiben. Ich habe versucht, dahinter zu kommen, warum so wenig marokkanische Juden uns ihre Sachen anvertrauen. Viele sagen: Meine Kinder leben in New York oder Paris, sie haben die Erlaubnis, die Erbstücke den Museen dort zu schenken."
Sie holt ihr Notizbuch aus der Handtasche, trägt den Namen des Berliner Archivars ein, der hier die Schenkungen betreut. Sie will ihn später zum Gespräch treffen, Tipps holen, wie man Spender besser überzeugt. Rehihils schwere, orientalische Armreifen klimpern dabei, ihr Hosenanzug ist schlicht, eine moderne Frau, wie man sie in Berlin auf der Straße sieht.
Bevor sie die Dauerausstellung besucht, will sie etwas essen, ein Italiener liegt ganz in der Nähe.
"Ich arbeite, ich habe einen Ehemann, zwei Töchter und ich bin eine marokkanische Frau, das heißt, ich versuche, für meine Familie da zu sein. Es gibt den traditionellen und den modernen Weg in Marokko, ich versuche, beide zu kombinieren, das ist nicht einfach, aber da geht es mir doch wie vielen Frauen in der heutigen Welt."
Sie geht schnell, es ist schwer, neben ihr Schritt zu halten, sie ist gewohnt, in wenigen Stunden viel unterzubringen. Ein typischer Tag beginnt für sie um 5:30 Uhr, sie erledigt den Haushalt, bevor sie Töchter und Mann mit Frühstück weckt. Kurz vor acht steckt sie im Stau auf dem Weg zur Schule ihrer Töchter, dann fährt sie weiter zur Arbeit. Im Auto legt sie manchmal Amy Winehouse ein, die britische Sängerin mit jüdischen Wurzeln, die nun tot ist - Rehihils Lieblingsmusik, es sind die wenigen Minuten, die sie nur für sich selbst hat. In ihr Museum kommen viele Schulklassen, Zhor Rehihil führt sie gerne selbst durch die Ausstellung. Sie will die Vorurteile vieler junger Muslime entkräften, dass Juden irgendwie anders seien.
"Die neue Generation Marokkaner wächst doch mit dem Israelisch-Palästinensischen Konflikt auf. Sie haben gar nicht mehr die Gelegenheit, gemeinsam mit Juden zu leben, die meisten Juden haben Marokko seit 1948 verlassen. Und die jungen Marokkaner, die nach 1980 geboren sind, ignorieren das jüdische Erbe. Für sie sind Juden Israelis, und die bekriegen die Palästinenser. Das sehen sie auch jeden Tag im Fernsehen."
Als sie selbst jung war, kamen die jüdische Freunde ihrer Eltern ganz selbstverständlich zu ihnen nach Hause. Später studierte Rehihil Archäologie und Anthropologie, war die erste marokkanische Studentin, die das kulturelle Erbe der Juden erforschte.
Vor 15 Jahren begegnete sie dann Simon Levy, dem 2011 verstorbenen Gründungsdirektor des jüdischen Museums in Casablanca, das sie heute leitet.
"Unsere große Botschaft lautet: In Marokko leben wir mehrfache Identitäten. Es gibt nicht nur Moslems, sondern auch Juden, marokkanische Juden. Sie sprechen dieselbe Sprache - arabisch-, essen dieselben Dinge wie Moslems und leben dieselbe Tradition."
"We have it everywhere in each Jewish institution, everywhere in the world. In Morocco, the States, in Berlin, in Paris, we have security. And we have not so heavy security, in front we start to have two policemen."
Ob in Marokko, Paris oder New York, überall gibt es Sicherheitsvorkehrungen, sagt sie. Vor dem jüdischen Museum in Casablanca stehen aber nur zwei Polizisten.
Zhor Rehihil, eine schmale Frau mit kurzen dunklen Locken, ist eingeladen, ein paar Tage im jüdischen Museum in Berlin zu hospitieren. Es ist ihr erster Besuch in Deutschland, heute ihr erster Tag in dem Bau von Daniel Libeskind.
Das Auswärtige Amt hat ihr Hotel und Flug bezahlt, will, dass die Leiterin des einzigen jüdischen Museums der arabischen Welt Kontakte zu deutschen Partnern knüpft. Auf ihrem Lebenslauf, den die Botschaft zuvor übermittelt, steht: "Beruf: Konservatorin; Geburtsort: 1967, Casablanca; Staatsangehörigkeit: Marokkanisch; Berufliches Ansehen: Sehr hoch."
Jetzt ist sie im Aufzug unterwegs nach oben, eine Kuratorin des Berliner Museums begleitet sie, erzählt, dass der Taxifahrer, der sie durch Casablanca fuhr, das jüdische Museum dort nicht finden konnte ...
"I wanted to visit the Museum, but couldn´t find it. The taxi driver drove to different places - at the end of the day, we said: forget ..."
Rehihil lacht laut, obwohl es eines ihrer größten Probleme ist, gegen das sie ankämpft:
"Casablanca ist eine Riesenstadt, wir waren das erste Museum überhaupt, das dort eröffnete. Das jüdische Museum liegt etwas außerhalb, in einem ruhigen Viertel, leider fragen die Leute oft: Was? Es gibt ein jüdisches Museum? Hier in Casablanca?"
Vor einem Glaskasten im Inneren des Libeskind-Baus bleibt Zhor Rehihil mit der Kuratorin stehen. Darin eine alte Fotokamera, Silberbesteck und Eheringe, die eine jüdische Familie mit ins Exil retten wollte.
Die Marokkanerin läuft das Gebäude mit seiner verwinkelten Architektur ab, ist beeindruckt von der Symbolik und der Größe. Ihr Museum ist in einem alten jüdischen Waisenhaus eingerichtet, das bis 1965 geöffnet war. Spätestens dann hatten die meisten der marokkanischen Juden Casablanca schon Richtung Israel verlassen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lebten etwa 300.000 Juden in Marokko, heute sind es nicht einmal mehr 5000 im ganzen Land. Auch in ihrem Museum zeigt die 46-jährige Kuratorin jüdische Alltagsgegenstände. Die wenigen Juden, die noch in Marokko leben, geben ihre Familienerbstücke aber lieber an europäische Museen ab.
"Vielleicht glauben sie nicht daran, dass unser Museum Bestand hat. In Europa sind sie sicher, dass die jüdischen Museen bleiben. Ich habe versucht, dahinter zu kommen, warum so wenig marokkanische Juden uns ihre Sachen anvertrauen. Viele sagen: Meine Kinder leben in New York oder Paris, sie haben die Erlaubnis, die Erbstücke den Museen dort zu schenken."
Sie holt ihr Notizbuch aus der Handtasche, trägt den Namen des Berliner Archivars ein, der hier die Schenkungen betreut. Sie will ihn später zum Gespräch treffen, Tipps holen, wie man Spender besser überzeugt. Rehihils schwere, orientalische Armreifen klimpern dabei, ihr Hosenanzug ist schlicht, eine moderne Frau, wie man sie in Berlin auf der Straße sieht.
Bevor sie die Dauerausstellung besucht, will sie etwas essen, ein Italiener liegt ganz in der Nähe.
"Ich arbeite, ich habe einen Ehemann, zwei Töchter und ich bin eine marokkanische Frau, das heißt, ich versuche, für meine Familie da zu sein. Es gibt den traditionellen und den modernen Weg in Marokko, ich versuche, beide zu kombinieren, das ist nicht einfach, aber da geht es mir doch wie vielen Frauen in der heutigen Welt."
Sie geht schnell, es ist schwer, neben ihr Schritt zu halten, sie ist gewohnt, in wenigen Stunden viel unterzubringen. Ein typischer Tag beginnt für sie um 5:30 Uhr, sie erledigt den Haushalt, bevor sie Töchter und Mann mit Frühstück weckt. Kurz vor acht steckt sie im Stau auf dem Weg zur Schule ihrer Töchter, dann fährt sie weiter zur Arbeit. Im Auto legt sie manchmal Amy Winehouse ein, die britische Sängerin mit jüdischen Wurzeln, die nun tot ist - Rehihils Lieblingsmusik, es sind die wenigen Minuten, die sie nur für sich selbst hat. In ihr Museum kommen viele Schulklassen, Zhor Rehihil führt sie gerne selbst durch die Ausstellung. Sie will die Vorurteile vieler junger Muslime entkräften, dass Juden irgendwie anders seien.
"Die neue Generation Marokkaner wächst doch mit dem Israelisch-Palästinensischen Konflikt auf. Sie haben gar nicht mehr die Gelegenheit, gemeinsam mit Juden zu leben, die meisten Juden haben Marokko seit 1948 verlassen. Und die jungen Marokkaner, die nach 1980 geboren sind, ignorieren das jüdische Erbe. Für sie sind Juden Israelis, und die bekriegen die Palästinenser. Das sehen sie auch jeden Tag im Fernsehen."
Als sie selbst jung war, kamen die jüdische Freunde ihrer Eltern ganz selbstverständlich zu ihnen nach Hause. Später studierte Rehihil Archäologie und Anthropologie, war die erste marokkanische Studentin, die das kulturelle Erbe der Juden erforschte.
Vor 15 Jahren begegnete sie dann Simon Levy, dem 2011 verstorbenen Gründungsdirektor des jüdischen Museums in Casablanca, das sie heute leitet.
"Unsere große Botschaft lautet: In Marokko leben wir mehrfache Identitäten. Es gibt nicht nur Moslems, sondern auch Juden, marokkanische Juden. Sie sprechen dieselbe Sprache - arabisch-, essen dieselben Dinge wie Moslems und leben dieselbe Tradition."