"Hühnchen" von VEB SONJA Plastic

Die DDR konnte ganz schön poppig sein

Von Vanja Budde · 14.08.2017
Die Eierbecher "Hühnchen" aus dem Erzgebirge entsprachen kaum der üblichen Produktethik der DDR: Sie waren weder multifunktional noch von sachlichem Design oder besonders langlebig. Trotzdem sind sie im Shop des Dokumentationszentrums für DDR-Alltagskultur ein Renner – neben anderen Highlights.
Sie sind knallgelb, leuchtend blau, quietschorange oder transparent hellgrün: Die Eierbecher "Hühnchen" des ehemaligen VEB SONJA Plastic in Wolkenstein im Erzgebirge gibt es bis heute in vielen Farben. Vorne ein lebensechter Hühnerkopf mit Kamm und Kehlsack; hinten angedeutete Schwanzfedern; in der Mitte findet das Ei seinen Platz: Poppig, ein bisschen schrill und witzig. Die vermeintlich graue DDR konnte ganz schön bunt sein, sagt Kurator Axel Drieschner.
"Generell geht es in einem Museum auch immer ein bisschen auch um ostalgische Perspektiven. Man möchte sich angesichts dieser rasenden Veränderungen rückversichern auch über seine eigene Geschichte."
Häufig ironisch gebrochen oder spielerisch, der Eierbecher "Hühnchen" aus den sechziger Jahren ist dafür ein gutes Beispiel. Der entsprach nämlich kaum der üblichen Produktethik der DDR, war weder multifunktional noch von sachlichem Design oder besonders langlebig.
"Genau das Gegenteil trifft für diese Eierbecher zu: Sie sind eigentlich nicht wirklich funktional, nicht stapelbar, man kann sie nicht vernünftig abwaschen, sie sind nicht spülmaschinenfest, also fast sieht es aus wie ein amerikanisches Produkt."

Brotdosen, die mitwachsen

Trotzdem oder genau deswegen ist der Eierbecher im kleinen Museumshop des Dokumentationszentrums für DDR-Alltagskultur einer der Renner. Mitarbeiterin Carmen Schönfeld muss die farbenfrohen Plaste-Hühnchen ständig nachordern.
Ein anderes Highlight im Sortiment: Brotdosen mit Verstellmöglichkeiten zum Erhöhen.
"Wenn man eben statt zwei Stullen sechs Stullen mit nimmt, dass die Brotdose trotzdem noch zu hält."
Stolz ist Schönfeld auch auf eine geniale Erfindung der DDR-Designer, deren Vorteile sie Besuchern aus dem Westen gerne nahe bringt: die enorm praktische Butterdose aus Plaste.
"Die eine offene Schnittkante hat. Schaun Sie mal: Kante, Kante, Kante, und – haben wir hier eine Kante? Sie sehen es hier an den Stegen, sehen Sie das? Die ist offen! Wo man dann mit dem Messer praktisch das Stück Butter bis runter schneiden kann."

Wäscheklammerbeutel im Kittelschürzendesign

Die auch sehr beliebten Quirl mit Holzstäben lägen voll im aktuellen Trend zur Nachhaltigkeit, betont Carmen Schönfelder, die man sich auch sehr gut als Marketingchefin ihres Lieferanten vorstellen kann: Ein Ostprodukte-Versandhandel in Tangermünde. Der liefert aufziehbare hellblaue Spielzeug-Trabis und Wäscheklammerbeutel im übertrieben spießigen Kittelschürzendesign. Carmen Schönfelds ganz persönliches Lieblingsprodukt ist aber der Gurkenhobel, ein nicht ganz ungefährliches Relikt der DDR-Vergangenheit.
"Weil der Gurkenhobel hat zwei Klingen, oben und unten. Und er macht so feine Scheiben, gerade jetzt in der Sommerzeit, wo ja jeder Salat herstellt, alles was Sie hobeln können, können Sie da drüber – Sie haben aber keinen Handschutz. Ich sage immer zu unseren Gästen, es ist wirklich eine scharfe Klinge, man muss aufpassen, dass man sich die Fingerkuppen nicht abhobelt."
Der kleine Shop für Mitbringsel im Erdgeschoss ist ein Mikrokosmos des Dokumentationszentrums für Alltagskultur der DDR: Viel mehr Überblick bieten die Ausstellungsräume im ersten Stock. Und in Depots lagert noch ein schier unendlicher Fundus von 160 000 Alltagsgegenständen – in den Wende-Wirren gerettet, um Zeugnis von der Geschichte abzulegen.

Hören Sie in dieser Woche täglich in der Sendung "Fazit", ab 23:05 Uhr die Geschichten um weitere Fundstücke in unserer Serie "Universum des skurrilen Geschmacks – Ultimative Objekte im Museums-Shop".

Mehr zum Thema