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Neues SPD-Parteimitglied
Ein Schulz-Fan aus Afghanistan

Seit der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten hat die SPD mehr als 10.000 neue Mitglieder gewonnen. Nun traf der neue SPD-Chef, Kanzlerkandidat und Heilsbringer einige der neuen Genossinnen und Genossen - darunter auch einen Flüchtling aus Afghanistan.

Von Claudia van Laak | 23.03.2017
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    Zufriedenes SPD-Neumitglied: Ahmad Wali Temory. (Claudia van Laak)
    Er hat sich schick gemacht für Martin Schulz. Spitze schwarze glänzende Schuhe, dunkelblaues Jackett, schmal gestreiftes blau-weißes Hemd. Ahmad Wali Temory, Flüchtling aus Afghanistan, ist eines von 1355 neuen Mitgliedern der Berliner SPD und Fan des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten.
    "Ich finde Martin Schulz ganz toll, ich finde das ganz interessant. Genau. Ganz toll."
    Eine Facebook-Nachricht an Brigitte Zypries änderte sein Leben
    Seit eineinhalb Jahren lebt der 22Jährige in Berlin. Zuvor in Kabul hat er ein bisschen Politik und Jura studiert und für die amerikanischen Truppen gedolmetscht. Sein eintöniges Leben in der Flüchtlingsunterkunft änderte sich schlagartig, nachdem sich Ahmad Wali Temory ein Herz gefasst hatte und eine Facebook-Nachricht an Brigitte Zypries schickte. Liebe Frau Brigitte, schrieb er, ich möchte ein Praktikum im Bundestag machen. Gleich am nächsten Tag kam die Zusage.
    "Das war ganz besonders für mich. Die SPD habe ich ganz nett und freundlich gefunden, auch die Politik war für mich ganz interessant."
    Seine Mitgliedschaft in der SPD – ein Dank für die freundliche Aufnahme und das Integrationsangebot. Auch bei Frau Merkel habe er sich schon bedankt, erzählt Temory, aber ein Engagement in der CDU kommt für den jungen Mann aus der Nähe von Kandahar nicht infrage. Abschiebungen nach Afghanistan, das geht gar nicht, meint der 22Jährige.
    "Die deutsche Regierung sagt, Afghanistan ist ein sicheres Land. Aber bestimmt ist das nicht sicher. Deutsche Regierung sagt: Kabul ist ein sicherer Ort, müssen Flüchtlinge gehen dort. Aber in Kabul ist auch jeden Tag Kampf."
    "In der SPD bin ich ein richtiges Mitglied"
    Also nicht die CDU, dort hätte er als afghanischer Staatsbürger auch nur Gastmitglied werden können. In der SPD bin ich ein richtiges Mitglied, sagt Temory stolz, rückt den Anstecker "Zeit für Martin" am Jackett zurecht, lauscht der Rede des Kanzlerkandidaten. Die Ausflüge von Martin Schulz in die deutsche Geschichte – Reichstagsbrand 1933 - sind böhmische Dörfer für den Flüchtling aus Afghanistan. Aber mit seiner klaren Sprache macht sich der SPD-Chef allen im Saal verständlich.
    "Wir sind seit 153 Jahren da, haben nie unseren Namen ändern müssen als Partei. Weil wir die Würde des einzelnen Menschen, das steht in Artikel 1 unserer Verfassung, dass die unantastbar sei. Übrigens nebenbei bemerkt, da steht nicht, die Würde der Deutschen, da steht, die Würde der Menschen ist unantastbar."
    Ahmad Wali Temory wirft einen Blick in den knallroten Stoffbeutel mit dem Konterfei des Kandidaten, den die Genossen an alle Neumitglieder verteilt haben. Kugelschreiber, Broschüren und Gummibärchen. Dann verlangt wieder Martin Schulz seine Aufmerksamkeit, der kritisiert:
    "Dass es Leute überall in Europa gibt, die uns erzählen wollen, man müsse die Grenzen wieder hochziehen, die eigene Nation sei mehr wert als die andere Nation, die eine Religion mehr wert als die andere. Mein Gott nochmal, es gibt zwei Dinge, für die wir als Sozialdemokraten jetzt stehen müssen, die ein deutscher Bundeskanzler in klaren deutschen Hauptsätzen sagen muss, gegen die extreme Rechte und in der Verteidigung für unsere europäische Kooperation. Das ist was wir tun müssen."
    "In Afghanistan gibt es Demokratie und Freiheit nicht"
    Der Saal tobt wie immer in den letzten Tagen, stehende Ovationen der SPD-Neumitglieder.
    "Herzlich Willkommen in der SPD und auf in den Kampf."
    "Das war ganz gut, ganz toll. Er hat sehr gut geredet. Demokratie und Freiheit, gleiche Rechte für alle. Zum Beispiel in Afghanistan gibt es das nicht. Ich finde das ganz toll."
    Ahmad Wali Temory möchte Martin Schulz in den nächsten Monaten im Bundestagswahlkampf unterstützen. Ob es dazu kommen wird, ist unklar. Seit Monaten wartet das frisch gebackene SPD-Mitglied auf eine Entscheidung über seinen Asylantrag. Möglicherweise muss er zurück nach Afghanistan.