Hornberg in Afghanistan

Von Michael Groth · 10.12.2011
Bei der Afghanistan-Konferenz in Bonn ist nichts herausgekommen. Präsident Hamid Karsai hat zwar versprochen, etwa Korruption zu bekämpfen. Das Land wird aber nicht sicherer werden. Sich öffentlich auf einen Rückzugstermin festzulegen, war ein Fehler.
Das "Hornberger Schießen": laut Lexikon eine "Angelegenheit, die mit großem Getöse angekündigt wird, und bei der nichts heraus kommt".

Hornberg lag am Anfang dieser Woche in Bonn. "Politische Weichen" für die Zukunft Afghanistans sollten gestellt werden – heraus kamen bekannte Worthülsen und wohlfeile Absichtserklärungen.

Ein "Geben und Nehmen" soll es sein – so der Tenor der achtzig Außenminister sowie des Präsidenten Karsai, die Guido Westerwelle in den Plenarsaal des alten Bundestages gebeten hatte. Afghanistan erhält die Unterstützung der Weltgemeinschaft bis 2024 – also zehn Jahren über den 2014 vorgesehen Abzug der internationalen Truppen hinaus. Dafür verspricht Kabul eine bessere Regierungsführung: Kampf gegen Korruption und Rauschgiftanbau, Aufbau von Verwaltung und Justiz, Sicherheit in eigener Verantwortung.

Karsai kann viel versprechen. Er darf – so er nicht die Verfassung ändert - sprich: bricht - bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2014 nicht mehr antreten. Bis dahin dürfte er weiter seinen persönlichen Teil der Finanzhilfen einstecken. Bessere Regierungsführung, so wie der Westen und wohl auch die meisten Afghanen dies wünschen, lässt sich eben nicht per Dekret verordnen. Die Bevölkerung ist in ihrer Mehrzahl des Lesens und Schreibens nicht mächtig. In weiten Teilen des Landes fehlen Strom und sauberes Wasser. Von der Sicherheit gar nicht zu reden.

Es war ein Fehler, den Termin für den Abzug der Schutztruppe bekannt zu geben. Nun müssen die Taliban nur warten. Ihnen und den lokalen Herrschern, besser als "Warlords" bekannt, wird das Land wie eine reife Frucht in die Hände fallen.

Was die Terroristen von Konferenzen wie der jüngsten in Bonn halten, wurde 24 Stunden später deutlich. In zwei verheerenden Anschlägen kamen in Afghanistan viele Dutzend Unschuldiger ums Leben.

Die radikalen Taliban sind nicht daran interessiert, sich an Gesprächen über die Zukunft des Landes zu beteiligen. Sinnvoll wäre es, wenn der Westen unter der Führung Amerikas dagegen versuchte, den gemäßigten Teil der "Koranschüler", und den gibt es durchaus, für Verhandlungen zu gewinnen. Denn diese gemäßigten Taliban werden ebenso verlieren, sollte Afghanistan in einigen Jahren wieder von Fundamentalislamisten beherrscht werden. Auch davon in Bonn kein Wort.

Die Bevölkerung, in Europa wie in den USA, ist den teuren, verlustreichen Krieg am Hindukusch leid. Der Krieg wurde verloren. Trotz des zehn Jahre dauernden Einsatzes. Trotz überlegener Technik und der vielen Milliarden, die zum größten Teil für Militärisches, zu einem weit kleineren für die Aufbauhilfe ausgegeben wurden. Anders herum wäre besser gewesen. Aber diese Erkenntnis kommt zu spät.

Dennoch will sich Niemand ein Ende mit Schrecken leisten. Die Amerikaner nicht, weil sie – geographisch zwischen Iran und Pakistan- einen Stützpunkt brauchen. Sie werden ihre Festungen behalten, undurchdringlich für die Afghanen, versehen mit Drohnen, die auch die Nachbarstaaten überwachen.
Die übrigens auch kein Interesse an einem unabhängigen Afghanistan haben. Iran wie Pakistan betrachten das Land als Hinterhof, auf dem sie die Regeln vorgeben. Die langen, nicht zu kontrollierenden, Grenzen machen dies möglich.

Und die Deutschen? Sie wollen zeigen, dass in der Gemeinschaft diesmal Verlass auf sie ist. Und sie fürchten eine ehrliche Antwort auf die Frage der Freunde und Verwandten der gefallenen Bundeswehrsoldaten: wofür?

Also setzt man auf die Zukunft, in der vagen Hoffnung auf Besserung. Teil dieser Zukunft könnte in der Ausbeutung der nicht unbeträchtlichen afghanischen Bodenschätze liegen. Das traditionell gute deutsch-afghanische Verhältnis könnte helfen. Aber man sollte sich beeilen. Nicht ganz überraschend sind es die Chinesen, die schon jetzt den flächendeckenden Abbau der Bodenschätze planen. Anders als der Westen ist Peking bereit, sich dabei ohne Gegenleistung zu engagieren. Dieser Realismus wird sich hierzulande kaum durchsetzen.

Aber Guido Westwelle hatte seine große Konferenz – noch dazu im eigenen Wahlkreis. Die Ehrenplakette der Stadt Bonn ist ihm sicher –ansonsten bleiben wir beim Hornberger Schießen.
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