Holzfrevel und Klimawandel

31.08.2010
Von der innigen Beziehung, die die Deutschen zu ihrem Wald pflegen, zeugen nicht nur zahllose Gedichte und Märchen der Romantik. Bis heute werden regelmäßig opulente Bildbände veröffentlicht, die sich dem Mythos Deutscher Wald widmen. Das neue Buch des begnadeten Wissenschaftsjournalisten Detlev Arens nimmt den Wald in seiner Gesamtheit wahr und betrachtet in drei großen Kapiteln die ökologischen, ökonomischen und die kulturellen Seiten des deutschen Waldes.
So erhält der Leser eine grundlegende Einführung in die in Deutschland vorherrschenden Baumarten und Waldtypen, erfährt, wie sich Buche, Eiche und Kiefer hierzulande ausgebreitet haben, welche Böden sie bevorzugen, wie sie sich mit anderen Bäume vertragen, mit welchen Blumen und Sträuchern sie einhergehen, und nicht zuletzt, welchen Tieren sie Obdach bieten. So systematisch Arens auch vorgeht, kommt doch niemals der Eindruck auf, man wohne einem trockenen Referat bei. Der Autor nämlich weiß den Leser geschickt bei der Hand zu nehmen. Arens arbeitet stilistisch zurückhaltend und dabei doch abwechslungsreich. Dafür, dass keine Langeweile aufkommt, sorgen auch die zahlreichen, den Gegenstand anschaulich machenden Bilder. Auf Diagramme und Schautafeln greift er glücklicherweise nur selten zurück.

Welche grundlegende Bedeutung das Holz der Wälder noch vor 200 Jahren für die Gesellschaft hatte, macht das Kapitel zur Waldnutzung klar. Arens spricht zu Recht von einem "hölzernen Zeitalter": Holz wurde als Brennmaterial verwendet, als Baumaterial, um Stollen abzustützen und Eisen herzustellen, man benötigte es, bevor Erdöl und Plastik die Welt veränderten, für alles.

So ist es auch kein Wunder, dass der Wald einer epochemachenden Gesellschaftstheorie Schubkraft verleihen sollte. Ein Artikel über den "Holzfrevel" war es nämlich, der Karl Marx wohl seinen Posten als Chefredakteur der "Rheinischen Zeitung" kostete: Vehement schrieb er gegen einen Gesetzesvorschlag an, der die Entnahme von Brennholz aus fürstlichen Wäldern unter schwere Strafe stellen sollte.

Man kann die Fülle dieses Buches samt all der interessanten Seitenaspekten, auf die Arens Schlaglichter zu werfen weiß – Pilze, Biber, Genetik oder Droste-Hülshoffs "Judenbuche"… –, nur andeuten. Der unsäglichen Waldvereinnahmung durch die Nazis widmet sich Arens nur kurz: Klar wird auf jeden Fall, dass am Wald nicht das deutsche Wesen genesen wird. Der Wald bleibt allerdings bis heute ein bestimmender ökonomischer, gesellschaftspolitischer, das Gemüt bewegender Faktor. Er muss bei jedem allgemeinen Nachdenken über dieses Deutschland oder über die ganze Welt berücksichtigt werden – Stichwort Klimaveränderung. Man kann das Buch freilich auch einfach nur zum Spaß lesen.

Besprochen von Tobias Lehmkuhl

Detlev Arens: Der deutsche Wald
Fackelträger Verlag, Köln 2010
416 Seiten, 39,95 Euro