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Suhrkamp
Sieg auf ganzer Linie für die Verlagserbin

Der Suhrkamp Verlag wird eine Aktiengesellschaft. Der neue Verbund sichert Verlagserbin Ulla Unseld-Berkéwicz eine auskömmliche Mehrheit gegenüber dem Gesellschafter Hans Barlach, der geschwächt aus der bis aufs Messer ausgetragenen Kontroverse hervorgeht.

Von Jörg Plath | 21.01.2015
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    Verlagszentrale von Suhrkamp. Seit einiger Zeit herrscht hinter der Fassade ein Machtkampf um die Führung des Verlages. (Paul Zinken/dpa)
    Es ist vollbracht. Mit Inbrunst dürfte heute im Hause Suhrkamp und auch außerhalb, in den Kulturredaktionen, geseufzt worden sein. Die Umwandlung der GmbH & Co KG in eine Aktiengesellschaft, die im November nach einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts noch einmal fraglich schien, ist vollzogen.
    Damit ist der Kampf zwischen der von Ulla Unseld-Berkéwicz geführten Mehrheitsgesellschafterin, der Familienstiftung, und dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach entschieden. Beide hatten sich schon bald nach Barlachs überraschendem Einstieg beim renommierten Verlagshaus 2006 zerstritten und beschäftigten Heerscharen von Rechtsanwälten sowie alle Instanzen der deutschen Rechtsprechung.
    2013 steuerte Ulla Unseld-Berkéwicz Suhrkamp dann waghalsig in eine kontrollierte Insolvenz, um mit Hilfe des gerade neu eingeführten Schutzschirmverfahrens den Verlag in eine AG umzuwandeln, in der Hans Barlach seine weitreichenden Mitbestimmungsrechte einbüßen würde. Der Plan geht auf, wenn auch mit einer anderthalbjährigen, durch Barlachs juristische Gegenwehr entstandenen Verzögerung. Es ist vollbracht.
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    Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkewicz (Rainer Jensen/dpa)
    Es ist fast mehr als das. Die heutige Pressemeldung des Verlages, der keine weiteren Kommentare abgeben möchte, jubelt nicht – doch sie annonciert trocken nichts weniger als den Sieg der Familienstiftung auf ganzer Linie. Ulla Unseld-Berkewicz, bisher Verlegerin und Vorstandsvorsitzende, wird, so heißt es, in den Aufsichtsrat wechseln – das muss sie als Anteilseignerin tun. Neben ihr wird Sylvia Ströher als Vertreterin der Familie Ströher sitzen, eigentlich Kunstsammler, die neu und unbefristet Teilhaber von Suhrkamp geworden sind und ihre Stimmrechte vertraglich mit denen von Berkewicz' Familienstiftung bündeln.
    Der Verbund sichert der Verlagserbin eine auskömmliche Mehrheit gegenüber Barlach, der vermutlich ebenfalls im Aufsichtsrat sitzen wird, in der Pressemitteilung von Suhrkamp jedoch nur als "eine weitere Person" genannt wird. Das klingt nach magischem Denken – wer den Teufel nicht beim Namen nennt, glaubt ihn zu bannen.
    Keine Überraschung ist das Führungspersonal der neuen AG, das die mit der Familie Ströher verbundene Familienstiftung trotz der noch ausstehenden Wahl schon bekannt geben kann, weil Barlach als Minderheitsaktionär nichts dagegen wird tun können: Der bisherige Geschäftsführer Jonathan Landgrebe wird – Geschäftsführer, was in der AG Vorstand heißt, und ihm zur Seite steht ein Geschäftsleitungsgremium "aus drei bis vier Personen", von denen drei genannt werden: Raimund Fellinger, Tanja Postpischil und Gerhard Schneider, der Cheflektor, die Unternehmenssprecherin und der kaufmännische Verlagsleiter.
    Nicht alle Vertrauten passen in die neue Struktur
    Hier fehlt nur ein Name, der des jetzigen Mitgeschäftsführers Thomas Sparr. Er wird, so weiß ein Branchenblatt, Editor at large, ein Begriff, der hierzulande erst kürzlich beim Rücktritt von Rowohlt-Verleger Alexander Fest bekannt wurde. Sparr wird also zuständig für alles und nichts sein, man bindet ihn lose ans Haus, weil nicht alle Vertrauten von Unseld-Berkéwicz in die neue Unternehmensstruktur passen.
    Aber fast alle. Es sieht so aus, als ob allein Barlach geschwächt aus der über ein Jahrzehnt bis aufs Messer ausgefochtenen Kontroverse hervorgeht. Ulla Unseld-Berkéwicz installiert dort, wo sie bisher die Geschicke des Verlags leitete, ihre Vertrauten. Die Umwandlung in die AG ist irreversibel. Offen ist nur noch, ob Barlach vor dem Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung für seine Entmachtung erstreitet. Oder ob er gar seine Suhrkamp-Anteile verkauft.