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Starker Zulauf bei Tafeln
Mehr als Lebensmittelspenden

Die Tafeln in Deutschland versorgen eine steigende Anzahl von Menschen mit Lebensmitteln, etwa zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Gleichzeitig retten die Vereine im großen Umfang Lebensmittel. Eine Doppelrolle, die der Staat nicht würdigt, sagen sie - und fordern finanzielle Unterstützung.

Von Claudia van Laak | 18.09.2019
Eine ehrenamtliche Helferin legt am 05.01.2018 in Mainz (Rheinland-Pfalz) Gemüse in eine Tasche. Die _Mainzer Tafel e.V._ hat viermal wöchentlich geöffnet und gibt pro Ausgabetag Lebensmittel an etwa 1.500 bis maximal 2.000 bedürftige Menschen aus. (zu dpa «Alte Menschen stellen sich für Lebensmittel bei Tafeln an» vom 16.01.2018) Foto: Andreas Arnold/dpa | Verwendung weltweit
Viele Tafeln nehmen keine Neuempfänger mehr auf, weil sie überlastet sind (dpa)
Sie steigt - die Zahl derjenigen, die sich Lebensmittel bei den Tafeln abholen. 1,65 Millionen Menschen sind es aktuell, zehn Prozent mehr als im letzten Jahr. Besonders schnell steigt die Zahl der bedürftigen Rentnerinnen und Rentner, beklagt der Bundesvorsitzende der Tafel Deutschland Jochen Brühl - und zwar um 20 Prozent.
"Das ist natürlich sehr erschreckend, weil wir auch wissen, dass viele Menschen, die Rentnerinnen und Rentner sind, sich oft schämen. Die Tafeln sind eine Art Seismograph, an den Tafeln spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen wieder und manche sind für uns auch alarmierend."
500 Kilogramm Lebensmittel pro Minute retten die Tafeln
Haben die knapp 950 Tafeln in Deutschland lange Jahre ihr soziales Engagement für Bedürftige in den Mittelpunkt gestellt, betonen sie aktuell auch die ökologische und wirtschaftliche Bedeutung. Die Tafeln retten jede Minute 500 Kilogramm Lebensmittel vor der Vernichtung, betont Bundesvorsitzender Brühl.
"Das ist eine unglaubliche Zahl. Die Tafeln sind die größte Organisation, die Lebensmittel rettet, und zwar im Jahr 265.000 Tonnen."
Geld vom Staat, um sich professioneller aufzustellen
Die gemeinnützigen Initiativen könnten noch mehr Lebensmittel retten - wenn sie erstens mehr Helferinnen und Helfer hätten und sich zweitens logistisch professioneller aufstellen könnten, zum Beispiel mit eigenen Kühlhäusern. Deshalb will der Bundesverband der Tafeln jetzt Geld vom Staat. Geschäftsführerin Evelin Schulz:
"Wir fordern, dass die gemeinnützige Lebensmittelrettung, also die Tafelarbeit in Deutschland, endlich auch vom Staat finanziell unterstützt wird. In den meisten anderen europäischen Ländern ist das bereits der Fall."
Diese Forderung richtet sich sowohl an die Bundes- als auch an die jeweiligen Landesregierungen.
Außerdem müsse die Abgabe der Lebensmittel entbürokratisiert werden. Mit Hilfe einer finanziellen Unterstützung wollen sich die Tafeln künftig professioneller aufstellen. Wir sind ein wichtiger Teil der bundesweiten Strategie gegen Lebensmittelverschwendung, sagt der Bundesvorsitzende der Tafeln Jochen Brühl nicht ohne Stolz.
"Das sind 60.000 Menschen, die sich engagieren, 60.000 Menschen, die diese Gesellschaft besser machen wollen. Sagt uns nicht, was nicht geht, sondern macht möglich. Das erwarten wir auch von der Politik."