Hokuspokus oder Heilmethode? Streitfall Homöopathie

31.07.2010
Die einen schwören auf sie als sanfte und ganzheitliche Therapie, die anderen verteufeln sie als wirkungslosen esoterischen Hokuspokus: die Homöopathie.
Kaum eine alternative Heilmethode wird derart diskutiert, aktuell erneut angeheizt durch einen Vorstoß des SPD-Politikers und Obmann im Gesundheitsausschuss Karl Lauterbach. "Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen", forderte er in einem "Spiegel"-Interview und trat damit eine Debatte über den Nutzen und die Finanzierbarkeit der Homöopathie los.

Ungeachtet dieser Kritik greifen immer mehr Patienten zu den Globuli. Einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009 zufolge hat sich die Zahl der Nutzer in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt: Hatte 1970 jeder vierte Westdeutsche Homöopathische Arzneimittel eingenommen, waren es 2009 bereits 57 Prozent. Zweidrittel der Befragten bescheinigen den Homöopathika, keine Nebenwirkung zu haben, gut die Hälfte hält sie für gut verträglich.

Was ist dran an den kleinen Kügelchen? Sind es wirkungslose Zuckerpillen oder ernst zu nehmende Arzneimittel? Warum vertrauen immer mehr Patienten auf die Kraft der Globuli?

"Ich war fünf Jahre lang Landarzt und ich bin überzeugt, dass Sie 80 Prozent der Fälle, die anfallen, mit der Homöopathie behandeln können", sagt Wolfgang Springer. Der Arzt betreibt seit mehr als 25 Jahren eine homöopathische Gemeinschaftspraxis in München. "Was die Bevölkerung meist nicht weiß ist, dass die Homöopathie auch sehr gut für chronische und schwerste Krankheiten geeignet ist, zum Beispiel für Schmerzerkrankungen."

Der Homöopath plädiert für die weitere Erstattung und eine größere Akzeptanz der Homöopathie: "Was die Politiker interessieren müsste, ist, dass es keine preiswertere Therapie gibt als die Homöopathie. Die Patienten verzeichnen weniger Arbeitszeitausfälle, sie haben ein anderes Gesundheitsbewusstsein." Jede Kasse könne froh sein, solche Patienten zu haben.

Die Kritik, Homöopathie sei wirkungslos und nicht mehr als ein beruhigender Placebo, weist er zurück: "In jeder therapeutischen Intervention haben wir einen Placebo-Effekt, der vorübergehend einfließt. Deshalb hat auch jede homöopathische Anwendung in einem gewissen Maß einen Placebo-Effekt. Aber er ist nicht wiederholbar und er funktioniert nicht bei chronischen Erkrankungen, auch nicht bei Tieren oder bei Babys." Warum die Globuli wirken, könne er auch nicht wissenschaftlich erklären. Er sehe nur täglich in seiner Praxis, dass sie es tun. Das sei ihm Beweis genug.

"Die Homöopathie macht arbeitsfähig und zufrieden – immerhin", sagt dagegen Alexander Kekulé, Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle. Sie wirke nur aufgrund des Placebo-Effekts, die Globuli seien nichts weiter als "Zuckerkügelchen", deren millionenfach verdünnter Wirkstoff wissenschaftlich nicht nachweisbar. "Abstruse Erklärungsversuche, wie das ´Gedächtnis des Wassers` für heraus verdünnte Homöopathika, wurden widerlegt oder sogar als Betrug entlarvt."

Dass mehr als die Hälfte der Deutschen trotz der Kritik an die Wirkung der Globuli glaubten, sei ein Armutszeugnis für die Schulmedizin: "Gerätemedizin, Pillen aus der Pharmaindustrie und Massenabfertigung sind vielen Patienten suspekt wie Aderlassmesser. Dass die ´Schulmedizin` das Ergebnis von 2000 Jahren Erfahrung und Weiterentwicklung ist, lässt sich in Zweiminutengesprächen nicht vermitteln."

Auch er verordne als Arzt ab und an Homöopathika – auch, um den positiven Placeboeffekt zu nutzen: "Etwas, was so billig ist und keine Nebenwirkungen hat und dann noch den Patienten glücklich macht, da sage ich: Weitermachen."

Hokuspokus oder Heilmethode? Streitfall Homöopathie
Darüber diskutiert Stephan Karkowsky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Wolfgang Springer und Alexander Kekulé. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
Über Dr. Wolfgang Springer
Über Prof. Dr. Alexander Kekulé