Hoffnung in der Dunkelheit

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 07.02.2012
Auf einer wahren Geschichte beruht "In Darkness", der vom Überleben jüdischer Flüchtlinge in der Kanalisation einer ostpolnischen Stadt im Zweiten Weltkriegs erzählt. Das Kinodrama von Regisseurin Agnieszka Holland ist für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert.
"Hörst du das?" / "Was?" / "Das Getto!" / "Der Kanal ist unser." (O-Ton Film)

Im Getto, im ostpolnischen Lvov, auch unter dem deutschen Namen Lemberg bekannt, gelingt einer Gruppe Juden die Flucht in die Kanalisation. Noch bevor die Deutschen das abgesperrte Wohnviertel räumen, verschwinden sie durch einen selbst gegrabenen Tunnel in den Untergrund. Aber ein polnischer Kanalarbeiter findet die Flüchtlinge und wittert das große Geschäft. In den dunklen feuchten Gängen beginnt ein makabres Feilschen:

"Es ist gut hier, es gibt viele Verstecke." / "Aber wie sollen wir alle hier unterbringen?" / "Ich habe nicht versprochen, alle Juden zu retten! Es ist gefährlich mit so vielen Leuten." / "Und wie viele von uns sind es, gerettet zu werden?" / "Sagen wir zehn." / "Zwölf mindestens, 14!" "Zehn höchstens, elf vielleicht noch!" (O-Ton Film)

Der Film beruht auf einer wahren Geschichte. Die 64-jährige polnische Regisseurin Agniezska Holland, die selbst lange Jahre in den USA gelebt hat, war sich zunächst nur sicher, was sie nicht wollte - einen typischen Hollywood-Holocaust-Film mit internationalen Stars und auf Englisch gedreht:

"Ich wollte das einfach nicht. Bei 'Schindlers Liste' oder 'Der Pianist' waren es einfach Regisseure, die das nötige Format und Talent hatten, um ihre Filme auf diese Art zu machen, aber danach hatte ich etwa zehn bis 15 weitere Filme dieser Art gesehen und ich sagte mir, auf diese Art wird das alles zu konventionell, zu theatralisch. Ich glaube weder die Figuren, noch die Geschichte, die sie erzählen, noch die Wirklichkeit die sie vorgeben, alles war zu glatt und zu einfach."

Sie inszenierte den Film in Polen und in Deutschland. Er spielt zum großen Teil in der Dunkelheit und erzählt von einer Gruppe jüdischer Flüchtlinge, die aus sehr unterschiedlichen Charakteren zusammengesetzt ist:

"Unter diesen Umständen sind die Menschen selten Engel, in dieser ständigen Dunkelheit, zwischen Ratten und Fäkalien und umgeben von Menschen, die man nicht kennt, denen man nicht vertraut, die man nicht mag. Denn sie kommen alle aus unterschiedlichen sozialen Klassen, manche sind arm, manche sind reich, manche sind wohl gebildet, sind in Berlin oder Wien aufgewachsen, manche sprechen nur Jiddisch und sind nicht einmal der polnischen Sprache fähig. Einige sind sehr religiös, andere überhaupt nicht."

Fast 15 Monate in den übel riechenden dunklen Katakomben schweißen die Flüchtlinge zwar zusammen, aber sie vertiefen auch die Gräben. Auch die Hauptfigur des Films ist keine Lichtgestalt: Leopold Socha ist ein kleiner Dieb und Gelegenheitsgauner, der ganz in den antisemitischen Vorurteilen seiner faschistischen oder katholischen Umgebung gefangen ist:

"Aber sie haben doch Jesus ans Kreuz geschlagen. So steht es jedenfalls in der Bibel." / "Die heilige Maria und die Apostel, alles waren alles Juden. Genau wie Jesus!" / "Jesus?" (O-Ton Film)

Sochas Gegenspieler ist der deutsche Jude Mundek. Er verliebt sich in Clara, eine junge Frau, die gerade ihre Schwester verloren hat und er misstraut dem polnischen Kanalarbeiter, er hasst ihn geradezu.

Den deutschen Schauspieler Benno Fürmann faszinierte besonders die Vielschichtigkeit der Rolle:

" Die Sensibilität, die Unsicherheit auch, ist es so wie ich empfinde oder mache ich hier gerade einen Riesenfehler, wenn ich den Mann, der unser Strohhalm zum Leben ist, wenn ich ihn würge, weil ich ihm nicht vertraue, vielleicht töte ich damit uns alle, als Liebesbeweis lässt er sich dann ins KZ einschleusen, um die Schwester der Frau, die er liebt aufzusuchen und um sie irgendwie daraus zu bekommen. Das sind alles irgendwie schon leidenschaftliche Attribute eines Menschen in einer schweren Krise, in der er versucht zwischen Gut und Richtig zu unterscheiden und das ist natürlich für mich sehr, sehr reizvoll gewesen.""

Am Ende werden Muntek und Socha Freunde, denn der Pole rettet die Juden vor Hunger, Wassereinbruch, vor den Nazis und ihren ukrainischen Hilfspolizisten. Dabei bringt er sich selbst in Lebensgefahr und verzichtet sogar auf die Bezahlung:

""Lieber Herr Socha, Herr Socha, wir können nicht mehr zahlen." / "Letzten Freitag haben wir alles, was wir hatten zusammen gekratzt. Wir haben nichts mehr. Nichts!" / "Die anderen wissen es nicht, oder?" / "Ich will sie nicht ängstigen." / "Das ist für die nächste Woche. Sie werden mich davon bezahlen. Während die anderen dabei sind. Verstanden? Die sollen nicht glauben, dass ich ein Idiot bin..." (O-Ton Film)

"In Darkness" ist kein Film, der seine Protagonisten in moralischen Hell-dunkel-Kontrasten zeigt. Er erzählt aber auf beeindruckende Weise über menschliche Überlebensfähigkeit, über Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit.

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