Hörspielcollage über die Geschichte der Aufnahmetechnik (3/3)

schallarchiv - eine trilogie

Tonbandgerät
. © picture alliance / dpa / Foto: Jan Woitas
Von Ulrich Bassenge und Bernhard Jugel · 23.03.2021
„Sie ist mit Kurven bedeckt; einer fein gekräuselten, gänzlich unleserlichen Schrift, die hie und da plastischere Figuren ausbildet, ohne dass der Laie ihr anhören könnte, warum.” (Theodor W. Adorno 1934) Der Tonträger ist „testimonium”: Zeugnis der Veränderung, die der Klang seit Edisons Erfindung erlebte.
„record test” rückt Spezialitäten und Mängel der Archivmedien in den Vordergrund. Tonträger von Beginn der Tonaufzeichnung bis in die digitale Gegenwart - die in Gestalt von realaudio- und mp3-Files wieder in die klangliche Verschlechterung führen - liefern das Material.
Wie rauscht ein Zylinder? Wie kracht eine Schellackplatte? Wie knistert eine Vinyl-LP? Wie springt eine CD? Wie verzerrt ein MP3-File? Wie kollabiert eine Festplatte?
Künstler bearbeiten diese Medien weiter, kultivieren Schwächen und überhöhen Fehlfunktionen. 1966 erfand Milan Knizak in Prag Broken Music aus hängendem, brechendem, vergipstem, übermaltem, schmelzendem, brennendem, kurz: gepeinigtem Vinyl. Hip-Hop wandelte unwissentlich auf den Spuren dieses grausamen Plattentesters.
Eine ähnliche Ästhetik führte mit digitalen clicks and cuts zu Gebilden von fragiler Schönheit oder brachialem Lärm. Schläft ein Lärm in allen Dingen: Rollen, Zylinder, Scheiben, Platten, Folien, Filme, Bänder - aus Hart- und Weichwachs, Draht, Schellack, Metall, Schokolade, Vinyl, Kunststoff, Papier und Metallspänen - machen ihre eigenen Geräusche.
Als kryptische Träger unleserlicher Schrift bergen sie in kristalliner Form das Wissen der Welt, nicht ohne dabei selbst zu klingen. Zum Fetisch schließlich wird das Material in der konkreten Poesie der Hi-Fi-Testplatten erhoben: In Mono-, Stereo- und Quadrophonie wird die Schallplatte als solche gefeiert. Hier spannt sich ein Bogen zurück zu den ersten Aufnahmen der Geschichte, auf denen Sprecher die Platte als Platte priesen. „Wo gehen wir hin? … Nicht so neugierig, kleiner Piccolo! Zuerst einmal auf die andre Seite der Platte.” (Andre Popp: „Piccolo, Sax und Co.” 1957)

schallarchiv - eine trilogie
3. record/test
Von Ulrich Bassenge und Bernhard Jugel
Realisation: die Autoren
Produktion: BR 2003