Hörspiel Ursendung

Die Gefangene (2/3)

Ein schwarz-weiß Bild von Marcel Proust, der auf einem kleinen Sofa sitzt, mit schwarzen Anzug die linke Hand zur Denkerpose ans Kien gehalten. Er schaut in die Kamera und trägt einen Schnauzer.
Der französische Schriftsteller Marcel Proust schuf mit seinem siebenteiligen Werk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ein monumentales Meisterwerk des Romans des 20. Jahrhunderts. © dpa - Bildarchiv / Ullstein
Von Marcel Proust · 15.08.2020
„Hart und gemein zu sein zu dem, was man liebt, ist so natürlich! Andere sind uns gleichgültig, und Gleichgültigkeit lädt nicht zur Bosheit ein.” Marcel Proust.
Der Ich-Erzähler Marcel, Spross wohlhabender Eltern, bewegt sich in den höchsten Kreisen von Bourgeoisie und Adel. Nun liegt er in seinem Bett und erinnert sich an die Zeit, als um 1901 in Paris die junge wie lebenslustige Geliebte Albertine in seinem Elternhaus wohnte, gleich einer Gefangenen seiner Eifersucht und jenseits aller Konventionen. Aber wer ist hier Sklave, wer Herr(in) im Spiel der Metamorphosen einer Liebe, deren existenzielle Voraussetzung die Lüge ist, um ihre Intensität zu spüren?
Diese ewig alte wie moderne Geschichte spiegelt Proust zugleich im tragikomischen Niedergang des homosexuellen Décadent Baron de Charlus, dessen Leidenschaft zum Geiger Morel den Intrigen des Salons von Madame Verdurin zum Opfer fällt. Die Heraufbeschwörung des erinnerten Liebesleids wird bei Proust zum kaleidoskopischen Instrument, das erst den gnadenlosen Blick auf die berauschende Vielfalt der inneren und äußeren Welt ermöglicht. Und wer will, kann Proust heute auch als Lebensberatung in eigener Sache nutzen.
Die insgesamt sieben Bände von Prousts „Recherche” müssen nicht nacheinander gelesen werden. Jeder Band beansprucht als Roman Autonomie, auch wenn die Konzeption des Gesamtwerkes als Zyklus angelegt ist. Dieser Widerspruch, der Teil von Prousts Signatur als Meisterwerk der Moderne ist, spiegelt sich in der SWR-Hörspielfassung wider, die 2018 mit dem vierten Buch „Sodom und Gomorrha”, einsetzte und mit dem fünften „Die Gefangene”, fortgesetzt wird.
Die Textfassung folgt der neuen deutschen Übersetzung von Bernd-Jürgen Fischer, basierend auf der französischen Pléiade Ausgabe von 1988, die 2018 abgeschlossen wurde.

Die Gefangene (2/3)
Von Marcel Proust
Bearbeitung: Manfred Hess und Hermann Kretzschmar
Regie: Iris Drögekamp und Hermann Kretzschmar
Komposition: Hermann Kretzschmar
Mit Michael Rotschopf, Lilith Stangenberg, Gerd Wameling, Leslie Malton u.a
Produktion: SWR/Dlf 2020

Teil 3 am 22.8.2020.- 20.05 Uhr