Hörspiel über Verlusterfahrungen

Und dann

Ein Kind schaut aus einem Fenster auf Hochhäuser.
Ein Kind schaut aus einem Fenster auf Hochhäuser. © EyeEm
Von Wolfram Höll · 15.03.2020
Plattenbauten, zwei Kinder, ein Vater. Rückblick auf eine Kindheit in einem ostdeutschen Neubaugebiet, der um Verlusterfahrungen kreist: den Verlust der Mutter, eines Landes, einer sozialen Rolle.
Das Kind zählt die Plattenbauten, die Steine am Spielplatz, die Stockwerke und Klingelknöpfe. Immer fehlt etwas und nichts kann das Verlorene zurückholen. Hölls "und dann" ist ein traurig zarter Text über das Erinnern an eine ferne Zeit des Übergangs von einem System ins andere, immer am gleichen Ort: den Plattenbauten am Rande der Stadt. Ein Text über den Verlust. Tastend, langsam, in Wortreihungen entsteht ein Erinnerungsraum, eine akustische Projektion. Deutschlandradio Kultur wählte "und dann" beim "Stückemarkt" des Berliner Theatertreffens 2012 zum besten "Theatertext als Hörspiel".
"Und dann" wurde 2012 zum Hörspiel des Monats November gewählt. Aus der Begründung der Jury:
"Beinahe über Nacht wird die "Panzerparadenlangenstraße" zur "Jedentagwagenparadestraße", auf der nicht mehr die "Panzerparadenlangenstraßenparade" stattfindet, sondern "Altwestwagen" nach Osten fahren und wieder zurück. Diese aneinandergereihten Wortschöpfungen reichen aus, um Ort und Zeit von Wolfram Hölls Text "Und dann" zu definieren. Es ist ein Brüderpaar, etwa im Grundschulalter (ohne jeden kindlichen Naturalismus gespielt von Fabian Busch und Florian Lukas), das seine Welt wie durch ein Kameraobjektiv wahrnimmt, während der Vater (Michael Hanemann) auf die gegenüberliegende Fassade des Plattenbaus Filmbilder seiner Frau projiziert. Regisseurin Cordula Dickmeiß hat dem postdramatischen Theatertext des jungen Autors Wolfram Höll (1986 in Leipzig geboren) so überzeugend zu einer radiophonen Form verholfen, dass man ihn sich kaum noch auf einer Theaterbühne vorstellen kann."

Ausschnitt
Und dann
Von Wolfram Höll
Regie: Cordula Dickmeiß
Mit: Fabian Busch, Florian Lukas und Michael Hanemann
Komposition: Tilman Ehrhorn.
Ton: Alexander Brennecke
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012
Länge: 38'24
Anschließend:
Portrait Wolfgang Höll von Sabine Wollowski
"Hohe Maßnahmen", Text über das Oderbruch von Sarah Khan
Lutz Seiler übers Taxifahren in Berlin 1990

Wolfram Höll, 1986 in Leipzig geboren, Autor, Hörspielregisseur und Dramaturg beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Wohnt in Biel. Er hat Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und Theater an der Hochschule der Künste Bern studiert. Für sein Theaterstück "und dann" erhielt er den erstmals vergebenen Nachwuchspreis beim Heidelberger Stückemarkt 2012. Weitere Hörspiele: "Professor Zickendraht und der Äther des Bösen" (Autorenkollektiv, SRF/Solothurner Literaturtage 2014), "Das also ist der Westen" (Autorenkollektiv, SRF 2014), "Das Vogelhaus" (mit Barblina Meierhans, SRF 2016) und "Nebraska" (SRF 2019).