Hörspiel des Monats

Simeliberg

Hörspiel des Monats: "Simeliberg" Kathrin von Steinburg und Martin Feifel im Hörspielstudio.
Kathrin von Steinburg und Martin Feifel im Hörspielstudio © BR/Stefanie Ramb
Hörspiel von Michael Fehr · 07.04.2018
Oben die Stadt, die Zivilisation, unten der Sumpf, das Tal, die Unterwelt, in der Ungeheuerliches geschieht - dieses Setting ist die Welt von Simeliberg. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Gemeindeverwalter Griese, der von der Sozialhilfebehörde losgeschickt wird, um den Bauern Schwarz aus dem Tal in die Stadt zu holen.
Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:
"Simeliberg von Michael Fehr ist mehr als eine Radiofassung seines Buchs: Es ist die Neuverdichtung des abgründigen Romans als poetisches Hörstück, in dem die in eigentümlichen Rhythmus sich entfaltende, eindringlich knorrige Sprache ebenso viel Spannung erzeugt, wie die düstere Handlung, die vom ersten Moment an in den Bann schlägt.
Eine imaginäre Schweiz scheint auf im reduzierten elektronischen Sound,
a capella-Zwischengesängen in Moll, und Originalaufnahmen als einer von schmalster Farbskala (weiß, Grautönen, schwarz) geprägten Klanglandschaft, in der die handelnden Personen entgegen der mimetischen Konvention mit klarer bayrischer dialektaler Färbung sprechen. Vor allem aber entsteht sie in der Stimme des Autors, der seinen Text so vorträgt, als spräche er ihn in ein Diktafon - so wie Fehr seine bildstarke originelle Prosa ja tatsächlich notiert.
Es sind undurchsichtige Figuren, die dieses düstere Oben (Stadt) und Unten (das Tal, der Sumpf) bevölkern: Der Gemeindsverwalter Anatol Griese, zugezogen aus Deutschland und somit auf ewig ein Halbfremder, fährt mit einer geladenen Schrotflinte über Land. Er soll den Sonderling Schwarz, der keinen Vornamen hat, zur Begutachtung aufs Amt bringen.
Hat Schwarz Anspruch auf Fürsorge? Hat der seine Frau umgebracht? Es wird viel geraunt. Sicher aber fungiert er als Anführer einer fremdenfeindlichen paramilitärischen Gruppe von Preppern, die sich vorgenommen hat, den Mars zu kolonisieren und dafür Geld und Waffen im abgelegenen Einsiedlerhof von Schwarz hortet.
Eine Explosion, die Tote fordert. Fragmente einer Krimi-Handlung. Ein scheinbar richtungslos vor sich hin arbeitender behördlicher Apparat. Familiäre Verstrickungen. Falsche Verdächtigungen und falsche Toleranz. Beglänzt mitunter von tiefschwarzer Komik.
Ein Stück, das nach Fehrs lapidarem Schlusssatz - Simeliberg, Aufnahme Ende - noch lange nachklingt und den Blick auf Vorurteile und Verbohrtheit im eigenen Lande richtet.
Realisation: Kai Grehn
Komposition: Schneider TM (Dirk Dresselhaus)
Produktion: BR/RB 2018
Länge: 83'31‘
Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zeichnet jeden Monat ein Hörspiel aus den Produktionen der ARD-Anstalten aus. Die Entscheidung über das HÖRSPIEL DES MONATS trifft eine Jury, die jeweils für ein Jahr unter der Schirmherrschaft einer ARD-Anstalt arbeitet. Am Ende des Jahres wählt die Jury aus den 12 Hörspielen des Monats das HÖRSPIEL DES JAHRES.

Anschließend:
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