Hörspiel des Monats

Die Feuerbringer - eine Schlager-Operetta

Mitwirkende bei den Hörspielaufnahmen zum Hörspiel "Die Feuerbringer" von Tomer Gardi
Bei den Hörspielaufnahmen zu "Die Feuerbringer" © WDR/Fahri Sahin Sarimese
Von Tomer Gardi · 05.05.2018
Liebe. Sehnsucht. Leidenschaft. Was ist am deutschen Schlager eigentlich deutsch? Und was passiert, wenn seine Sprache unterwandert wird von anderen Sprachen, Zungen, Vorstellungen? "Die Feuerbringer" zündeln fröhlich an der seligschummrigen Gemütlichkeit deutscher Schlager-Leitkultur.
Begründung der Akademie der Darstellenden Künste:
"Die Kerngeschichte dieses originellen Hörspielprojekts von Tomer Gardi ist schnell erzählt: Ein alternder Schlagersänger fährt im Rausch gegen einen Baum und wird daraufhin zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt; einen Schlagerworkshop für junge Geflüchtete und Migranten soll er leiten.
Wie sich herausstellt, ist seine Aufgabe nicht ganz einfach, aber lohnend. In großer Begeisterung für diese Musik und angeführt von der Brasilianerin Sandra gründet sich die Band "Die Feuerbringer", in Referenz zu Prometheus, Maui oder Agni.
Was geschieht nun, wenn das Konfektionsprodukt Schlager - deutsche Popmusik, die Gemeinsamkeit und Gemütlichkeit suggeriert - sprachlich aufgebrochen wird und seine Texte in nicht perfektem Deutsch gesungen werden? Wenn Akzente eine schmelzende Aussprache von Herz verhindern und kreative Geister daran arbeiten, den für sie emotional bedeutungsvollen, aber sperrigen Begriff "posttraumatische Belastungsstörung" schlagertauglich zu machen? Dann zündelt ein Hörspiel mit Neo-Heimattümelei, unterwandert die deutsche Sprache mit anderen Zungen und Vorstellungen und eröffnet damit neue Erfahrungsräume.

Zu flotten Rhythmen gesungen findet sich dann auch ein stimmiger Reim: "In deinen Augen seh' ich Stacheldraht-Absperrung." Und wenn Sandra singt: "Wäsche waschen. Teller machen. Mädchen muss kein Sklave sein", bringt sie mit berührender Frische in Wort und Originalmusik gleich mehrere Erlebnisebenen interkulturell zum Schwingen.
Mit "Die Feuerbringer" ist ein künstlerisches, psychologisch tiefgründiges Projekt gelungen, in dem junge Migranten dem deutschen Schlager und uns Hörspielhörerinnen und -hörern improvisierend, authentisch, spielerisch und mit Witz Feuer einhauchen. Das Unfertige, Gebrochene spiegelt die Realität vieler Menschen in unserem Land wieder: Im Hörspiel, eben auch in seiner eigenen Nicht-Perfektion, ist dies als eine schöpferische Qualität mit großer Erneuerungskraft zu spüren.
Regie: Susanne Krings
Musik: Rainer Quade und Christian Hecker
Mit Christina Meyer, Doris Schmeer, Omar Sheik Khamiis, Tomer Gardi sowie William Cohn, Claus Dieter Clausnitzer, Sönke Möhring u.v.a.

Produktion: WDR/BR 2018
Länge: 53'58
Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zeichnet jeden Monat ein Hörspiel aus den Produktionen der ARD-Anstalten aus. Die Entscheidung über das HÖRSPIEL DES MONATS trifft eine Jury, die jeweils für ein Jahr unter der Schirmherrschaft einer ARD-Anstalt arbeitet. Am Ende des Jahres wählt die Jury aus den 12 Hörspielen des Monats das HÖRSPIEL DES JAHRES.

anschließend:
Hörspielmagazin
Neues aus der Welt der akustischen Kunst