Hörspiel des Monats

Das "Deutschlandgerät"

Der Schriftsteller Ingo Schulze
Der Schriftsteller Ingo Schulze © picture alliance / dpa
Von Ingo Schulze · 03.01.2015
Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste: Ein Hörspiel über Kunst, über Literatur und ihre Lebens-Zusammenhänge; ein literarischer Text, der um die Installation "Deutschlandgerät" von Reinhard Mucha kreist; eine Filmemacherin, die mit Hilfe von Interviews mit Schriftstellern das "Deutschlandgerät" vorstellen will.
Ingo Schulze bietet in seinem Hörspieldebut einen wunderbar komplexen, vielschichtigen Text. Nur scheinbar kommt er mit traditionellen Hörspiel-Mitteln aus, mit Dialogen, Telefongesprächen, Rückblenden, Atmo-Wechseln, Geräuschen. Denn Ingo Schulze als Autor und Stefan Kanis als Regisseur gelingt ein anregendes Spiel um Kunst als „Welterklärungsmaschine" und die damit verbundene ständige "Neuinstallation seines Lebens". Da ist zunächst einmal die Hommage an Reinhard Mucha, dessen irritierende und Kreativität freisetzende Installation "Deutschlandgerät" von 1990 reflektiert wird, wenn die beiden Schriftsteller Edgar Schmidt und Bernd Claasen sie begehen, und die Installation mit ihren Alltagsgeräuschen dröhnt.
Viele Metaphern dieser Reflexionen auf Kunst und Leben kommen direkt von Muchas "Kunsterzeugungsgerät", etwa die von der Kunst, die schief im Raum steht, vom Wechsel der Horizontalen zur Vertikalen (Mucha hat seinen Atelierfußboden herausgerissen und die Bretter in Vitrinen an die Wand gehängt) sowie schließlich vom "Himmel, der auf die Erde gefallen ist und umgekehrt wieder aufgerichtet worden ist". Hinzukommen die Fragen nach dem Dissidenten und dem gesellschaftlichen Kontext, wenn der ältere, damals von der DDR ausgewiesene Schriftsteller Claasen, mit dem jüngeren, im Westen erfolgreichen Autor Edgar Schmidt zusammentrifft. Entgegen dem Metapher-schweren Titel vom "Deutschlandgerät" (einem hydraulischen Gerät zum Aufrichten von entgleisten Lokomotiven) und einem Programmumfeld zum Mauerfall ist Ingo Schulzes Hörspiels nicht auf eine deutsch-deutsche Literatengeschichte zu reduzieren. Vielmehr ist ein faszinierendes Hörspiel um Anpassung, Einverständnis und Widerspruch entstanden, das die Jury mit der Auszeichnung "Hörspiel des Monats" würdigt.
Regie: Stefan Kanis
Mit: Kai Scheve, Thomas Thieme, Imogen Kogge, Bettina Hoppe, Ulrike Krumbiegel, Maria Radomski, Elisabeth
Möckel, Alexander Kuhn

Produktion: MDR 2014
Länge: 74'29

Anschließend: Cinch – Ihre Verbindung zur akustischen Kunst.