Hörspiel des Jahres 2018 & Kriegsblindenpreis 2019

Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen

Der Zellentrakt in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, aufgenommen am 3. Dezember 2012 in Erfurt in Thüringen.
Für die mit großer Empathie erzählten Schicksale hat Susann Maria Hempel eine Form gefunden, die man so im Hörspiel bisher nicht gehört hat. © picture alliance/dpa/Martin Schutt
Von Susann Maria Hempel · 15.01.2020
Das Hörspiel basiert auf Gesprächen mit einem ehemaligen DDR-Häftling, der im Gefängnis einen schweren Schock mit darauffolgender Amnesie erlitt. Im Gefängnis sei die Seele aus ihm „rausgemacht“ worden, sagt er. Und sie ist bis heute nicht heimgekehrt in ihr Gefäß.
Ein Mann erleidet in einem DDR-Gefängnis einen schweren Schock mit darauffolgender Amnesie. Viele Jahre später, als sein ältester Freund stirbt, beginnt der ehemalige Häftling der Autorin von seinem Leben zu erzählen. Susanna Maria Hempels Hörspiel überzeugt durch einen ganz eigenen Ton: "…atemlos und dennoch zart, fast geflüstert, erschafft sich die einzige Stimme, die wir hier hören, Sekunde für Sekunde buchstäblich neu. Erinnerungsbilder tauchen auf und verschwinden, Erlebnisfragmente aus der untergegangenen DDR und einem Ich, das ständig unterzugehen droht. Diese Geschichte eines beschädigten Lebens erschließt sich über die Dauer des soghaft wirkenden Stücks, und zwar aus nächster Nähe" (Jurybegründung Hörspielpreis der Kriegsblinden).

Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen
Von Susann Maria Hempel
Komposition und Realisation: Susann Maria Hempel
Produktion: RBB 2018
Länge: 54'31

Susann Maria Hempel wurde 1983 im thüringischen Greiz geboren. Mit 16 Jahren brach sie die Schule ab und arbeitete als Musikerin, Schauspielerin und künstlerische Mitarbeiterin im Performance- und Künstlerkollektiv "Theaterhaus Weimar". 2001 bis 2009 studierte sie Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar. Als Stipendiatin der Thüringer Kulturstiftung erhielt Hempel 2012 das "cast&cut" Kurzfilmstipendium in Hannover. Sie gehört zu den erfolgreichsten Experimentalfilmerinnen Deutschlands. Mit ihrem 18-minütigen Animationsfilm "Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen" gewann sie sieben Preise, unter ihnen "Der Deutsche Kurzfilmpreis" im Jahr 2014 und 2015 den "Grand Prix" des "Festival du Court Métrage de Clermont-Ferrand", Frankreich. 2019 Stipendiatin an der Akademie der Künste Berlin in der Sektion Film- und Medienkunst. Hörspiele: "Niemand stirbt so arm, dass er nicht irgendetwas hinterlässt" (RB/RBB 2017) und "Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen", das 2018 zum "Hörspiel des Jahres" gewählt und 2019 mit dem 68. Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet wurde.
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.© Samuel Henne/rbb KulturRadio