Hörbuch: "Die Bibel. Das Projekt"

Die Bibel als Grundlage für Geschichten über das Heute

Bibel
Die Bibel ist Grundlage für das Hörbuch. © dpa / picture alliance / Arno Burgi
Von Julia Riedhammer · 19.12.2016
Marlene Streeruwitz, Navid Kermani und Brigitte Kronauer sind drei der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die an diesem Hörbuch-Projekt über die Bibel mitgearbeitet haben. Herausgekommen sind 21 sehr unterschiedliche Neuinterpretationen.
Stöhnen (ein schwules Pärchen hat Sex, Stöhnen)
Auch so kann die Bibel klingen.
Es sind David und sein Stiefbruder Jonathan, die sich hier lieben. David wird später König werden, das wurde ihm prophezeit. Doch König Saul will, dass Jonathan der Thronfolger wird und versucht den Liebhaber seines Sohnes umzubringen. David flieht, lebt in der Gosse, wo ihn Jonathan heimlich besucht. Die beiden Liebenden pfeifen auf die soziale Kluft, die sie trennt.
"David: Sag ihm das: er soll auf sich selbst schießen, wenn er ein Problem damit hat, was wir tun."
Sasha Maria Salzmanns Hörspiel ist eines der besten dieser ungeheuren Sammlung. Sie erzählt die Geschichte des schwulen David als dramatische Liebesgeschichte neu: die Beziehung zwischen ihm und seinem Stiefbruder ist in der Bibel angelegt – hier aber wird sie zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte - mit Anklängen an den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.
"Wir waren schwimmen am See Genezareth. Nackt natürlich. Die Haare zwischen seinen Beinen waren schon grau. Ich versuchte nicht hinzusehen."
Die Bibel als Grundlage für Geschichten über das Heute zu verwenden - das ist die Idee dieses Hörbuch-Projekts. Über vier Jahre haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Marlene Streeruwitz, Werner Fritsch, Terézia Mora, Navid Kermani und Brigitte Kronauer daran mitgearbeitet. Herausgekommen sind 21 sehr unterschiedliche Hörspiele mit einer eigenen Handschrift.
Einige Neuinterpretationen sind grandios, andere nicht
Dazu begleitende Essays. Einige dieser 21 sind grandiose Neuinterpretationen, andere aber sind so sehr mit Bezügen überfrachtet, dass man sie kaum versteht. Denn wer kennt sie schon so genau, die Geschichten von Petrus, Maria Magdalena, Judith, Ruth und David und wie sie alle heißen?
So ist Text von Robert Wilson zum Beispiel nur verständlich, wenn man über den Turmbau zu Babel Bescheid weiß und außerdem die Arbeiten des Theatermanns Robert Wilson kennt.
Musik, dann Rezitation des Babel-Textes auf englisch
"Babylon is suddenly fallen and destroyed, howl for her, take bum for her pain …"
Lässt man sich aber ein, auf diese Welt der Heiligen, der Apostel und Jünger, dann findet man sie - die Perlen dieser Produktion. Wie etwa das Hörspiel von Marlene Streeruwitz: Sie lässt drei Frauen aus drei Generationen, die den Namen Maria tragen über Mutterschaft und Weiblichkeit philosophieren. Oder Dietmar Daths Hörspiel "Vom Erlöser lernen”, in dem er Jesus selbst erklären lässt, wie das gemeint ist: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt."
"Ich habe gesagt, 'eher passt ein Kamel durch ein Nadelöhr'. Eher. Ich habe gesagt, das eine ist wahrscheinlicher als das andere. Ich habe nicht gesagt, auch nur eins von beidem sei unmöglich. Aber so denkt ihr: möglich und unmöglich. Ja und nein. Schwarz und weiß."
Immer wieder bricht die Spielhandlung durch Kommentare der Sprecher auf.
Regisseur: "Und, was sagt ihr?"
Jesus: "Ja, so als würde man streiten, so ätschi-bätsch. Es geht immerhin um Jesus und Petrus. Wir reden jetzt nicht von Christel von der Post und ihrer Freundin Hanni. Weißt Du, was ich meine."

Regisseur: "Ja. Aber vielleicht ist das auch genau gut, dass das nicht so christlich - nicht so über den Dingen …"
In Momenten wie diesen sind die Bibel-Interpretationen stark. Wenn sie anregen zum Nachdenken, dazu menschlich zu handeln und sich von festen Denkstrukturen zu verabschieden. Nicht Gesetz, sondern Gedanke. Dann mag man die alten Botschaften auch heute noch gerne hören.
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