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Förderung von Wohneigentum
Diskussion um das Baukindergeld

Das Baukindergeld kommt - das hat die Große Koalition beschlossen. Aber der Zuschuss für junge Familien mit Kindern ist umstritten, weil nur eine bestimmte Gruppe davon profitiert. Kritiker bemängeln außerdem, dass die Förderung die grundlegenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht löst.

Von Panajotis Gavrilis und Sina Fröhndrich | 05.08.2018
    Familie steht in Neubauhaus und spricht mit einem Makler.
    Das Baukindergeld soll jungen Familien mit Kindern beim Eigenheimerwerb unterstützen (imago)
    "Wir haben lange versucht, neuen Wohnraum zu finden, für fünf Personen, und haben festgestellt, dass es eigentlich für uns als Familie keinen bezahlbaren Wohnraum gibt, im innerstädtischen Bereich." Die Studentin Anne-Luise Manthey wohnt mit ihren drei Kindern und ihrem Mann in Berlin-Friedrichshain, einem beliebten und hippen Bezirk der Hauptstadt. Aber hier zu leben ist teuer geworden - deswegen suchen sie nach Alternativen.
    Wohnraum in Ballungsräumen zu teuer
    Ihre 105-Quadratmeter-Wohnung kann sich die Familie nur leisten, weil sie einen Wohnungsberechtigungsschein hat. Den bekommt, wer ein geringes Einkommen bezieht. Aktuell bezahlen sie 1.000 Euro im Monat - warm. Doch die Förderung läuft 2020 aus. Und für eine vergleichbare Wohnung würden dann etwa 2.000 Euro Monatsmiete fällig. Zu viel für die junge Familie:
    "Es gibt keinen Wohnraum, so wie wir uns den leisten können unter den Bedingungen, wie wir ihn benötigen. Es gibt natürlich Wohnraum für Familien. Das sind dann aber immer vier Zimmer, dann müsstest du quasi mindestens noch eine Wand einziehen für fünf Zimmer. Oder es sind sechs Zimmer und dann sind es 2.200 Euro warm. Die Frage ist: Wie viel kannst du ausgeben als Mieter? Ich bin nicht bereit, ein gesamtes Einkommen auszugeben für meine Miete."
    Protest in Berlin-Friedrichshain
    Der angespannte Immobilienmarkt ist in Deutschland eines der drängendsten Probleme (picture alliance/dpa/Foto: Wolfram Steinberg)
    Nach einem Jahr Wohnungssuche, entschied sich die Familie Manthey ihrem vertrauten Berliner Kiez den Rücken zu kehren. Sie suchte weiter außerhalb ein Grundstück: zum Bauen. Geschätzte Gesamtkosten: knapp eine halbe Million Euro. Den Kredit dafür zahlen sie 30 Jahre lang ab. Da kommt das sogenannte "Baukindergeld" der Bundesregierung genau zum richtigen Zeitpunkt, sagt die 36-jährige Anne-Luise Manthey:
    "Wir haben uns schon gefreut, dass es kommen soll und haben überlegt, wie viel steht uns zu? Wir hatten das mal überschlagen: Um die 30.000 sind es irgendwie. Wenn es denn käme, was könnte man damit zum Beispiel abfedern von den Kosten, die kommen. Oder ist es dann doch möglich, dass man zum Beispiel irgendwann nochmal den Dachboden in Angriff nimmt?"
    Baukindergeld - Förderung für junge Familien mit Kindern
    Familie Manthey kann auf den neuen Zuschuss vom Staat hoffen. Für das Baukindergeld, ursprünglich ein Projekt von CDU und CSU, werden Familien und Alleinerziehende berücksichtigt, die im Förderzeitraum bis 2020 einen Kaufvertrag abschließen oder eine Baugenehmigung erteilt bekommen. Die Anträge gelten rückwirkend zum 1. Januar 2018.
    "Gedacht ist es für junge Familien mit Kindern, die beabsichtigen, sich eine eigengenutzte Immobilie zuzulegen. Das kann ein Neubau sein, das kann eine Bestandsimmobilie sein. Die wollen wir über zehn Jahre hinweg mit jährlich 1.200 Euro pro Kind fördern", sagt Gunther Adler. Er ist Beamteter Staatssekretär im neuen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, und maßgeblich für die Ausgestaltung des Baukindergeldes zuständig.
    Die Einkommensgrenze hierfür liegt bei 75.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen. Die Einkommensgrenze erhöht sich um 15.000 Euro pro Kind. Vorausgesetzt, die Kinder sind jünger als 18 Jahre alt und leben mit ihren Eltern unter einem Dach. Familie Manthey mit ihren drei Kindern bekäme insgesamt 36.000 Euro innerhalb von zehn Jahren überwiesen.
    Auszahlung erst nach Einzug
    "Sie stellen den Antrag. Den können Sie stellen, in dem Moment, wo sie eingezogen sind. Sie müssen die Meldebescheinigung haben, aus der ersichtlich wird, dass sie mit ihrer Familie, mit den Kindern in dieser selbstgenutzten Immobilie wohnen", erläutert Adler. Das heißt aber auch: Familien kriegen das Geld erst spät und nicht schon während der Bauphase, um vielleicht laufende Kosten zu decken.
    Staatssekretär Adler verteidigt den Auszahl-Modus, damit solle Missbrauch vermieden werden: "Nicht jeder, der einen Bauantrag stellt oder eine Baugenehmigung bekommt, zieht am Ende dann tatsächlich ein. Da gibt’s ja Fälle, die den Bau tatsächlich verzögern oder völlig verhindern. Das wollen wir damit berücksichtigen. Wir wollen das ganze Verfahren so schlank wie irgend möglich machen."
    Wohneigentumsquote soll erhöht werden
    Das Bundesbauministerium rechnet mit rund 180.000 Anträgen pro Jahr. Das seien aber grobe Schätzungen, betont Adler. Dabei steht hinter dem Baukindergeld kein Gesetz. Die Leistung läuft als Förderprogramm über die KfW - die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Große Koalition will auf diese Weise schnell und unkompliziert dabei helfen, dass junge Familien sich niederlassen und Wohneigentum erwerben können. Damit soll auch die Wohneigentumsquote erhöht werden. Diese liegt in Deutschland bei knapp 45 Prozent. Im europäischen Vergleich wohnen nur in der Schweiz noch weniger Menschen in ihren eigenen vier Wänden.
    "Der Erwerb von eigengenutzten Eigenheimen ist in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen. 2013 hatten wir noch 80.000 neue selbstgenutzte Eigenheime. 2016 ist diese Zahl um 25 Prozent - Ausrufezeichen - zurückgegangen, auf 60.000. Um dem gegenzusteuern, deswegen gibt es das Baukindergeld", sagt Adler.
    Das Baukindergeld ist erst mal eine begrenzte Maßnahme. Anträge sind drei Jahre lang möglich, bis Ende 2020. Für die drei Förderjahrgänge rechnet die Bundesregierung mit Gesamtkosten von etwa zehn Milliarden Euro. Vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD hatte im Vorfeld eine Kostenexplosion befürchtet und deshalb auf zusätzliche Einschränkungen wie die kurze Laufzeit gedrängt.
    Wohnhäuser in Gersdorf (Sachsen-Anhalt), aufgenommen am 17.05.2013. 
    Wohneigentum in Deutschland: Im europäischen Vergleich ist die Eigenheimquote nur in der Schweiz noch niedriger (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Opposition: Baukindergeld ist "Reichenheimzulage"
    Trotzdem gibt es weiterhin Kritik aus der Opposition: "Das Baukindergeld ist im Grunde eine sehr kostspielige Subvention, die das zentrale Problem auf dem Wohnungsmarkt, nämlich die hohen Mieten in den Städten überhaupt nicht bekämpfen wird. Es wird dazu führen, dass in ländlichen Regionen mehr Eigenheime gebaut werden. Aber das wird der Krankenschwester in München und dem Busfahrer in Köln herzlich wenig nützen", kritisiert Caren Lay, wohnungs- und baupolitische Sprecherin der Linken im Bundestag.
    Der Grünen-Abgeordnete Chris Kühn spricht sogar von einer "Reichenheimzulage": "Zehn Milliarden Euro - fände ich gut, wenn wir die in Sozialen Wohnungsbau stecken würden. Statt in ein Instrument, das am Ende nur sehr, sehr wenigen Menschen zugutekommt, nämlich diejenigen, die bereits heute über sehr viel Eigenkapital verfügen, nämlich genau so viel, dass sie sich Eigentum leisten können. Und alle, die heute kein Vermögen haben, werden davon nicht Gebrauch machen können, von dem Baukindergeld. Und deswegen fördert man hier eben die obere Mittelschicht und nicht die Menschen, die eigentlich bezahlbaren Wohnraum brauchen und hat mit bezahlbarem Wohnen nichts zu tun."
    Staatssekretär Gunther Adler entgegnet: Es sei gar nicht geplant, mit dem Baukindergeld das Problem des bezahlbaren Wohnraums zu lösen. "Es ist kein Programm, das 82 Millionen Menschen in Deutschland glücklich machen soll. Es ist kein Rundum-Sorglos-Wohnprogramm für alle Menschen in Deutschland. Sondern, es ist wie jedes politische Programm: Immer auf eine Zielgruppe gerichtet, eben auf die jungen Familien mit Kindern", betont Adler.
    Kritik am kurzen Förderzeitraum: "Bringt überhaupt nichts"
    Der Ökonom Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht genau das kritisch. Das Geld wird nur für Kinder gezahlt, die schon geboren wurden. Paare, die erst bauen und dann möglicherweise Kinder planen, würden benachteiligt, sagt Voigtländer: "Das ist in der Tat weit verbreitet, das sehen wir auch an den Zahlen: Ein Jahr nach dem Einzug kommen meistens die Kinder. Und diese Haushalte, die eher vorausschauend handeln, werden jetzt bestraft. Das heißt, man muss erstmal in der kleinen Wohnung bleiben, gucken, wie man klarkommt, damit man die Förderung mitnehmen kann. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein." Voigtländer sieht auch ein Problem im kurzen Förderzeitraum.
    Wer bauen und eine Familien gründen möchte, gerate nun unter Druck. Zudem reichten diese drei Jahre nicht aus, um das selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung zu erfüllen, die Wohneigentumsquote maßgeblich zu erhöhen, ergänzt Stefan Kofner. Er ist Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau-Görlitz: "Unsere Wohneigentumsquote ist ja sehr niedrig: 45,5 Prozent. Wenn man die deutlich steigern möchte, dann braucht man einen viel längeren Atem. So ein Instrument muss dann mal 20, 25 Jahre laufen können. Dann hat man einen Effekt. Drei Jahre bringen im Grunde genommen überhaupt nichts."
    "Hier entstehen exklusive Eigentumswohnungen" steht auf einem Werbebanner im Bezirk Mitte in Berlin.
    Subventionen lassen die Preise für Grundstücke und Wohneigentum weiter steigen (picture alliance / Wolfram Steinberg )
    Das wäre aufgrund der immensen Kosten jedoch kaum politisch vermittelbar. Generell aber begrüßt Kofner, dass der Erwerb von Eigenheimen auf die politische Agenda gesetzt wird. Dennoch bleibt die Frage: Wem nützt das Geld am Ende? Familien auf dem Land könnten davon profitieren, glauben Wissenschaftler. Aber besonders in und um größere Städte könnte sich die angespannte Wohnungsmarktlage noch weiter verschärfen.
    "In den Ballungsgebieten, wo wir heute schon Grundstücksknappheit haben führt jede Subventionierung der Nachfrage einfach dazu, dass die Preise noch weiter steigen für das Bauland, für die Grundstücke, davon profitieren unter anderem die Projektentwickler, die die Flächen vorher schon gekauft haben. Und das sind auch die Erfahrungen aus der Eigenheimzulage, dass gerade im Einfamilienhausbau die Projektentwickler das schon mehr oder weniger eingepreist haben. Das heißt, ein Großteil wird eben auch den Projektentwicklern und den Grundstückseigentümern zugutekommen", sagt Voigtländer vom IW.
    Missbrauch kann nicht ausgeschlossen werden
    Nicht nur Ökonom Voigtländer sieht beim Baukindergeld Parallelen zur Eigenheimzulage. Sie wurde von 1995 bis Ende 2005 gezahlt und war eine der größten staatlichen Subventionen, um selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern. Am Ende wurde sie zu teuer. Die damalige Bundesregierung hatte in einer Mitteilung festgehalten: "Die staatliche Förderung durch die Eigenheimzulage wird von allen Steuerzahlern finanziert. Sie kommt aber überwiegend nur einem kleinen Teil zu Gute."
    Zwar wird das Baukindergeld auch von "allen" finanziert. Gunther Adler, Staatssekretär im Bauministerium, sieht darüber hinaus aber keine Parallelen zur alten Eigenheimzulage: "Die Eigenheimzulage stand jedem offen, der ein Eigenheim erwerben wollte. Beim Baukindergeld richtet sich das an junge Familien mit Kindern, also die Parameter sind schon andere."

    Mitnahmeeffekte wie bei der Eigenheimzulage will Adler aber nicht ausschließen: "Das werden Sie nie ausschließen wollen. Aber auch deshalb beobachten wir das sehr genau: Wie wird sich dann die Zahl der Antragssteller ausgestalten? Wie viele Familien sind es? In welchen Regionen ist das? Und wenn wir bemerken, da treten Effekte auf, die wir vorher nicht beabsichtigt haben, dann haben wir gerade durch das KfW-Programm die Möglichkeit, sehr, sehr gut nachzujustieren."
    Der Immobilienverband ivd - der etwa Makler, Verwalter und Immobilienberater vertritt - begrüßt das Baukindergeld und ist sich sicher: Die Förderung wird Familien entlasten. Denn seit Jahren steigen die Baukosten, vor allem aber die Immobilienpreise. Das zeigen Zahlen des Verbands. Wer demnach eine durchschnittlich ausgestattete 125-Quadratmeter Wohnung kaufen möchte, bezahlt in Berlin 2.100 Euro pro Quadratmeter und in München 4.500 Euro. Wer ein Einfamilienhaus kaufen möchte, zahlt in der Hauptstadt fast 320.000 Euro, 920.000 Euro sind es in München.
    Problem Eigenkapital bleibt
    Aus Sicht von ivd-Bundesgeschäftsführerin Sun Jensch, macht das Baukindergeld den Kauf einer Immobilie erschwinglicher: "Ja, es bringt für alle etwas. Das muss man wirklich sagen. Egal ob es die Kleinstadt, die mittlere Stadt ist oder auch die Metropole ist. Wir haben es ja dargestellt in der Studie, welche Familien, und insbesondere auch jüngere mit niedrigem Einkommen, dass die die höchsten Einsparquoten auch in der monatlichen Finanzierungsrate haben mit dem Baukindergeld als Förderung."
    Stefan Kofner, Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau-Görlitz: "Das ist Unsinn. Die Median-Familie, also zwei Erwachsene, zwei Kinder, nicht wahr, wenn man sich da das Netto-Haushaltseinkommen anschaut, dann ist es in Baden-Württemberg etwa 3.700 Euro, in Sachsen wäre es ziemlich genau 3.000 Euro. Also, diese Familie hat in den großstädtischen Metropolregionen wenige Chancen an sich, Wohneigentum zu bilden."
    Meist bekommt einen Immobilienkredit, wer ein relativ gutes Einkommen hat oder Vermögen erbt. Denn: Für einen Kredit bei der Bank ist Eigenkapital nötig. Das können schon Mal 20 bis 30 Prozent des Wertes der Wunschimmobilie sein. "Für viele Familien mit geringem Einkommen und geringem Vermögen liegt hier genau das Problem: Wenn ich geringes Einkommen habe, nichts Erspartes habe, kriege ich keinen Kredit von der Bank. Das heißt, ich kann auch gar nicht vom Baukindergeld profitieren", sagt Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
    Auch Anne-Luise Manthey und ihr Mann konnten nur wenig Eigenkapital aufbringen. Um einen Kredit zu bekommen, waren sie auf Unterstützung angewiesen: "Also, wenn unsere Eltern nicht gesagt hätten, wir unterstützen euch und wir bürgen für euch und wir unterstützen euch bei der Eigenkapitalfrage, dann hätten wir es nicht machen können."
    Neubau eines Hauses in Hamburg 
    Ohne Eigenkapital bleibt das Eigenheim ein Wunschtraum (picture alliance/Bildagentur-online)
    Wohnen:"die soziale Frage"
    Dennoch wird die Große Koalition nicht müde zu betonen, dass Wohnen "die soziale Frage" sei. Immerhin hat sie das Problem erkannt, sagen Beobachter, und will Familien zu Wohneigentum verhelfen. Was ist aber mit den vielen anderen, die zur Miete wohnen und steigenden Preisen ausgesetzt sind? Laut Mietspiegelindex des Beratungsunternehmens F+B kletterten die ortsüblichen Vergleichsmieten im vergangenen Jahr bundesweit um durchschnittlich 1,8 Prozent. Laut dem Forschungsinstitut Empirica stiegen in Berlin die Mieten von 2012 bis 2016 sogar um durchschnittlich 28 Prozent.
    Staatssekretär Adler: "Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass wir in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen Wohnungen bauen wollen. Das betrifft den Bedarf, den wir im Moment bundesweit feststellen - in Stadt und Land, in Großstädten, in Kleinstädten. Die drängendsten Probleme sind natürlich in den Großstädten, in den Regionen mit sehr enger Dichte, in Universitätsstädten, in den Ballungszentren." Neben dem Baukindergeld, weiteren steuerlichen Anreizen, einem geplanten Bürgschaftsprogramm und der Anpassung der nahezu wirkungslosen Mietpreisbremse, verkauft die Bundesregierung ihren sozialen Wohnungsbau als Teil einer "Wohnraumoffensive".
    Eigentlich sind die Länder für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Der Bund will sie in dieser Legislaturperiode mit fünf Milliarden Euro unterstützen. Zum Vergleich: Für das umstrittene Baukindergeld ist doppelt so viel veranschlagt. "Das ist eine krasse Schieflage und macht keinen Sinn. Man muss mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau geben", sagt Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik von Bündnis 90/Die Grünen. Dahinter liege ein grundlegendes Problem: Seit 1990 wurden ehemals öffentlich geförderte Wohnungen privatisiert – das war politisch gewollt und ein folgenreicher Fehler, so Kühn.
    Immer weniger Sozialmietwohnungen
    Im Jahr 2006 gab es noch rund zwei Millionen sozial gebundene Wohnungen. 2016 nur noch halb so viele. Die Zahl der neuerrichteten Sozialmietwohnungen ist dabei verschwindend gering. Kühn fordert, dass der Bund mehr eigene Grundstücke zur Verfügung stellt. Doch der Bund tritt selbst als Spekulant auf dem Immobilienmarkt auf und vergibt Grundstücke zum Höchstwert, kritisiert der Grünen-Politiker: "Damit wird verhindert, dass auf diesem Grundstück bezahlbarer Wohnraum entsteht. Deswegen sind wir in der letzten Wahlperiode sehr viel unterwegs und haben es auch immer wieder eingefordert, dass diese Grundstücke verbilligt abgegeben werden müssten an Kommunen."
    Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat von 2015 bis März 2018 gerade einmal zwölf bundeseigene Liegenschaften für den sozialen Wohnungsbau verkauft. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum hat die Behörde im Rahmen von Bieterverfahren über 2.000 Liegenschaften veräußert.
    Und es gibt noch weitere Möglichkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: Maklergebühren runterschrauben, zinslose Darlehen vergeben. Oder die Grunderwerbssteuer senken, sagt der Ökonom Michael Voigtländer. Das Problem: Die Abgabe ist Ländersache. Je nach Bundesland werden zwischen 3,5 und 6,5 Prozent fällig. Eine wichtige Steuer für die Länder: Die Einnahmen durch die Grunderwerbssteuer haben sich seit 2006 verdoppelt auf 13 Milliarden Euro.
    Großbaustelle für neue Eigentums-und Sozialwohnungen in Freiburg
    In Deutschland werden immer weniger Sozialwohnungen gebaut (imago/W. Rothermel)
    "Das große Problem ist, dass die Länder einen starken Anreiz haben, die Steuer zu erhöhen, auch weil die Steuer im Länderfinanzausgleich privilegiert ist. Das heißt, normalerweise, wenn ich als Land mehr Einnahmen habe, muss ich die teilen mit den anderen Ländern. Das ist bei der Grunderwerbssteuer aber gerade nicht der Fall und deshalb haben gerade hochverschuldete Länder wie z.B. Nordrhein-Westfalen oder Berlin die Grunderwerbssteuer deutlich erhöht", sagt Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft.
    Andere Entlastungen für Familien sinnvoller?
    Er schlägt daher eine Reform der Abgabe vor: "Großbritannien z.B. hat eine Struktur bei der Grunderwerbssteuer. Da gibt es einen Freibetrag und dann einen mit dem Immobilienwert ansteigenden Steuersatz. Das bedeutet im Endeffekt: kleine Wohnungen, die sind fast steuerfrei. Wenn man aber eine große Villa z.B. kauft, dann muss man auch schon mal 10 Prozent Grunderwerbssteuer zahlen."
    Entlastung - das hätte sich die dreifache Mutter Anne-Luise Manthey schon viel früher von der Politik gewünscht: "Insofern ist Baukindergeld ein nettes Gimmick, um zu zeigen: OK, wir tun mal was für Familien. Aber nur für eine bestimmte Anzahl für Familien. Nämlich die, die sich dann wieder Bauen leisten können oder wollen. Also insofern würde ich jetzt nicht Yippie-Yeah-Hurra sagen. Ich würde mir mehr wünschen, dass Familien anders entlastet werden. Dann hätten wir das Baukindergeld vielleicht gar nicht gebraucht."
    Noch ist offen, ab wann Familien das Baukindergeld beantragen können. Spätsommer oder Herbst sind im Gespräch. Immerhin: Es soll dieses Jahr kommen. Offenbar gibt es noch Klärungsbedarf zwischen dem Bundesbauministerium und der KfW-Bank. Anscheinend ist noch unklar, wie Anträge gestellt werden können und woher das Personal kommen soll, um die Tausenden Anträge zu bearbeiten.
    Die Berliner Familie Manthey hofft, in einem Jahr in ihr neues Haus einziehen zu können. Das Baukindergeld werden sie in Anspruch nehmen, sagt Anne-Luise Manthey. Dafür bedanken wird sie sich aber nicht: "Ich würde mich bedanken bei Politikern, wenn sie sich dafür mehr einsetzen würden, dass es größeren bezahlbaren Wohnraum für Familien geben würde. Egal in welcher Stadt oder auf dem Land. Das ist leider nicht politisch gewollt, dass großer sozialer Wohnraum entsteht. Aber ich profitiere natürlich davon, dass es nicht gewollt ist."