Mely Kiyak und Anja Reschke über Haltung

Wenn ein Tabu kein Tabu mehr ist

Teilnehmer der Demonstration unter dem Motto "Unteilbar Solidarität statt Ausgrenzung" tragen an der Spitze der Demo ein Transparent.
Haltung zeigen gegen Rechtsextremismus - aber wie? Hier im Bild: Die Unteilbar-Demo in Berlin am 13. Oktober 2018 in Berlin. © dpa / picture alliance / Wolfram Steinberg
Moderation: Christian Rabhansl · 27.10.2018
Geht es nach Mely Kiyak, sollte man Rechtspopulisten zum Schweigen verdonnern. Sie verurteilt deren vermeintlich häufige Präsenz in den Medien. "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke hält dagegen: Öffentlichkeit und Widerspruch seien unerlässlich.
Zwei Autorinnen, zwei Bücher, zwei Meinungen: Mely Kiyak findet, die Zivilgesellschaft habe nicht die Kraft, die große, weltweit vernetzte rechtsextreme Bewegung zu verhindern. Zu oft habe man schon "Stopp" gesagt - und nichts erreicht. "Wir können da nicht mithalten", sagt sie im Deutschlandfunk Kultur. Das müsse vielmehr durch Gesetze und Parteien geschehen. Ihre Gedanken hat Kiyak in ihrem Buch "Haltung. Ein Essay gegen das Lautsein" aufgeschrieben.
Die Journalistin Mely Kiyak 
Die Journalistin Mely Kiyak© dpa/ picture alliance / Karlheinz Schindler

Permanente Verrohung der Sprache

Anja Reschke hingegen fordert mit ihrem Buch zur offensiven Gegenwehr auf: "Haltung zeigen!". Im Streitgespräch mit Mely Kiyak sagt sie, die Gesellschaft müsse den Diskurs aushalten, auch wenn dieser laut, anstrengend und zum Teil unangenehm sei: "Wenn eine permanente Verrohung der Sprache, ein permanentes absichtliches Brechen von Tabus da ist, auch Angriffe gegen das Grundgesetz, ist es wichtig, dass es andere Leute gibt, die sagen: Stopp. Nein, da machen wir nicht mit."
ARD-Moderatorin Anja Reschke
ARD-Moderatorin Anja Reschke © dpa / picture alliance / Horst Galuschka

Gauland in der Talkshow?

Kiyak kritisiert vor allem den Umgang der Medien mit Rechtspopulisten. Es sei "geschmacklos", dass etwa AfD-Chef Alexander Gauland "selbstverständlich Platz nimmt zur Primetime", auch wenn er kurz zuvor "eine Unmöglichkeit nach der nächsten" geäußert habe:
"Je öfter man eine quasi randständige Meinung, extremistische Meinung hört und sie durchdiskutiert, umso alltäglicher und normaler wird sie und umso schwerer wird es auch, sie irgendwann als ein Tabu zu konstruieren, weil sie dann einfach kein Tabu mehr ist."

Zivilgesellschaft muss sich auseinandersetzen

Ein "Pauschalurteil" aus Sicht Reschkes. Längst würden Talksendungen weniger derartige Gäste einladen. Sie selbst sei außerdem kein Freund von Zensur. Es seien auch nicht nur "einzelne Figuren, die da stehen, sondern da stehen ja auch Menschen dahinter. Die sind gewählt, und zwar von nicht so wenigen Menschen. Es gehört zu einem demokratischen Prozess dazu, dass wir uns damit auseinandersetzen. Ich finde, diese Auseinandersetzung kann nur und ausschließlich auf der Ebene der Zivilgesellschaft gehen." (bth)

Mely Kiyak: "Haltung. Ein Essay gegen das Lautsein"
Dudenverlag, Berlin 2018
64 Seiten, 10 Euro

Anja Reschke: "Haltung zeigen!"
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
96 Seiten, 5 Euro



Mehr zum Thema