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Gesundheit
Ärzteverbände fordern Ausstieg aus der Kohleverstromung

Ärzte appellieren an die Politiker auf dem bevorstehenden Pariser Klimagipfel, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels stärker in den Blick zu nehmen. Eine der größten Gefahren sehen sie in der Kohle-Stromgewinnung. Die daraus resultierenden gesundheitlichen Schäden gingen in die Milliarden, sagen die Mediziner.

Von Philip Banse | 12.10.2015
    Die Luftaufnahme zeigt das Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine
    Das Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Die Gesundheitsexperten von HEAL, einer Lobbyorganisation aus über 70 Organisationen aus dem Gesundheitsbereich, appellieren an die Bundesregierung und die Politiker auf dem Klimagipfel in Paris, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels stärker in den Blick zu nehmen – wegen der Risiken, aber auch wegen der Chancen für die Gesundheit. Wenn nichts oder zu wenig gegen den Klimawandel getan werde, werde das katastrophale Folgen haben für die Gesundheit der Menschen, sagt Julia Huscher, von HEAL. Gefahren durch Hochwasser und Fluten seien nur einige der Gefahren:
    "Es kommen natürlich auch neue Krankheitserreger dazu, die sich nach Europa ausbreiten. Wir haben Auswirkungen auf Nahrungsmittelversorgung, etwa die Qualität der Nahrungsmittel, die bei größerer Hitze beeinträchtigt werden kann. Wir haben veränderte Pollenflugzeiten, das betrifft Patienten mit Allergien ganz besonders."
    Eine der größten Gefahren für die Gesundheit gehe vom Klimakiller der Kohle-Stromgewinnung aus. Die gesundheitlichen Schäden durch die Kohle gingen in die Milliarden:
    "Wir haben Gesundheitskosten veranschlagt für die Kohleverstromung von bis zu 6,4 Milliarden Euro pro Jahr. Das bedeutet zusätzliche Krankentage, es bedeutet, dass Menschen zu Hause bleiben müssen, ins Krankenhaus eingewiesen werden oder Medikamente nehmen müssen, um mit ihren Erkrankungen fertig zu werden."
    Mehr Aktivitäten seien wünschenswert
    Die Bundesregierung habe diese Schäden im Blick, sagt Markus Salomon, Biologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung offiziell berät:
    "Ich denke, dass sie das zum großen Teil schon im Blick haben. Ob die Aktivitäten und die Maßnahmen, die dann ergriffen werden, immer ausreichend sind, das würde ich eher infrage stellen. Da würden noch mehr Aktivitäten wünschenswert."
    Neben strikten Klima-Verpflichtungen in Paris fordern die Patienten- und Ärzteverbände in HEAL daher in Deutschland vor allem den Ausstieg aus der Kohleverstromung:
    "Weil wir eben sagen, es ist einer der CO2-intensivsten Energieträger und gleichzeitig führt er auch zu Schadstoffemissionen, sodass wir sagen, ein Ausstieg aus der Kohle ist ein sehr wichtiger Schritt, ist auch gut für die Gesundheit und gleichzeitig brauchen wir noch mehr Maßnahmen im Verkehr, in der Landwirtschaft. Klimapolitisch brauchen wir natürlich auch ein verbindliches Abkommen in Paris, das steht ja auch bevor."
    Kampf gegen den Klimawandel birgt Chanen
    Das, was bisher für Paris an Klimagasreduktionsversprechen auf dem Tisch liege, reiche bei Weitem nicht aus, um die Erderwärmung ausreichend zu begrenzen und die beschriebenen Gesundheitsschäden im Rahmen zu halten, sagt Andy Haines, Professor für öffentliche Gesundheit an der London School für Hygiene und Tropenmedizin. Haines hat für die Fachzeitschrift The Lancet mit zahlreichen anderen Wissenschaftlern untersucht, wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit auswirken kann. Neben den beschriebenen Gefahren und Kosten, biete der Kampf gegen den Klimawandel aber auch riesige Chancen für die Gesundheit, sagt er:
    Der Grund ist, dass Luftverschmutzung jedes Jahr rund 7 Millionen Menschen tötet. Wenn wir die Luftverschmutzung bedeutend reduzieren, schützt das die Gesundheit enorm.
    Julia Huscher von HEAL weist darauf hin, dass natürlich auch erneuerbare Energien Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können:
    "Da gibt es teilweise noch keine vollständige Gesundheitsfolgenabschätzung, aber man kann eben mit dem, was schon bekannt ist aus der Epidemiologie und aus der klinischen Forschung, schon ungefähr eine Richtung abschätzen. Und es sieht ganz deutlich so aus, dass die erneuerbaren Energien wesentliche geringere Gesundheitsfolgen bringen werden, als das, was wir konventionell hier in der Energieerzeugung haben."