Historiker: Wirtschaftswachstum wird US-Wahlkampf entscheiden

Bernd Stöver im Gespräch mit Marietta Schwarz · 29.08.2012
Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Mitt Romney, hat ein Problem: seine Unnahbarkeit. Dies störe viele Amerikaner, sagt der Historiker Bernd Stöver. Wahlentscheidend werde aber sein, wer die besseren Programme hat, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Marietta Schwarz: Zu Gast im Studio ist der Historiker Bernd Stöver, Professor für neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Uni Potsdam und Autor des Buches "United States of America. Geschichte und Kultur von der ersten Kolonie bis zur Gegenwart". Herr Stöver, guten Morgen, und schön, dass Sie da sind!

Bernd Stöver: Guten Morgen!

Schwarz: Ja, der etwas hölzerne Mitt Romney, wir haben es gerade gehört, ist doch ein Mensch, ein liebenswerter Familienvater. Viele nehmen es ihm ja nicht ab. Aber, Herr Stöver, warum ist denn diese Eigenschaft, diese menschliche Nähe, so wichtig bei diesen Präsidentschaftswahlen?

Stöver: Ja, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass nur alle paar Jahre man überhaupt in Kontakt mit Präsidentschaftskandidaten kommt, das ist einer der wichtigen Punkte. Man will einen menschelnden Kandidaten auch haben.

Bei Mitt Romney ist es etwas schwieriger, weil er eigentlich ein Geschäftsmann ist, der das auch geschäftlich betreibt, seine Präsidentschaftswahl. Er ist Mormone und etwas zurückhaltend ohnehin. Er trinkt keinen Alkohol, was für manche Amerikaner dann sozusagen noch eine zusätzliche Hürde bringt, man kann mit ihm nicht abends mal ein Bier trinken gehen. Oder man würde ja sowieso nicht mit ihm persönlich, aber allein die Vorstellung, dass man mit ihm ein Bier trinken gehen könnte, spielt eben schon eine Rolle.

Und da ist Obama natürlich fast um Lichtjahre voraus, was diesen menschlichen Faktor angeht, wenn man so will. Er kann es einfach besser. Er ist einfach näher am Volk, also Obama, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls. Vielleicht passiert es noch, dass Romney da auch es schafft, aber im Augenblick sieht es so aus, als wenn Obama jedenfalls die Nase auch auf diesem Feld vorne hätte.

Schwarz: Ein Mann, den Franz Müntefering, Mitt Romney, Heuschrecke nennen würde, verantwortlich für die Krise oder zumindest mitverantwortlich für die Krise, unter der die USA ja immer noch leiden. Das scheint den amerikanischen Wähler aber nicht besonders zu jucken?

Stöver: Ja, das scheint erstaunlich zu sein, aber dahinter steht natürlich eine lange Geschichte der Amerikaner, die Frage nach der Self-Man-Kultur, dass es jemand geschafft hat aus eigener Kraft, wenn man so will. Nun gut, dieser Heuschreckencharakter, das ist extrem störend für ihn. Er sieht das aber nicht so. In den letzten Jahren zumindest hat es verschiedene Umfragen gegeben, unter anderem von Jamie Johnson, einem Regisseur, der "One Percent" und so weiter gedreht hat, der eine Umfrage gestartet hat und einfach mal nachgefragt hat, ob die Amerikaner das denn stört, wenn einige reich sind, nur ein Prozent knapp ein Drittel des Einkommens oder beziehungsweise des Volkseinkommens haben. Das stört die meisten nicht. Das stört tatsächlich die meisten nicht, sondern sie sehen es als Erfolgsfaktor.

Das, was bei Romney stört, ist sein hölzerner Charakter, wenn man so will, seine Unnahbarkeit, das ist viel schlimmer als die anderen Sachen. Natürlich auch unschön, das muss man natürlich auch dazu sagen, unschön ist natürlich auch, dass er versucht, seine Steuern möglichst zu drücken. Er zahlt so viel wie seine Sekretärin wahrscheinlich so ungefähr, jedenfalls von der Prozentzahl ungefähr so viel wie seine Sekretärin. Das ist für manche natürlich unerträglich. Und im Wahlkampf extrem kontraproduktiv.

Schwarz: Für das Amt des Vizepräsidenten hat sich Mitt Romney Paul Ryan geholt, von der Tea Party umschwärmt, ein Jung-Star des rechten Flügels, der Steuererleichterungen und den Abbau der Sozialsysteme propagiert. Ist damit der Ruck nach rechts manifestiert?

Stöver: Ja, es scheint so. Also, das muss man wahrscheinlich tatsächlich so sehen. Paul Ryan ist aber eigentlich auch deswegen genommen worden, weil er der jüngere, der dynamischere zu sein scheint. Er ist derjenige, der den menschlichen Faktor da hineinbringen soll. Er ist aber in der Sache ein genauso harter Wirtschaftler, wenn man so will, wie Romney selbst. Es geht ihm um Steuerkürzungen vor allen Dingen, die er als Faktor für das Wirtschaftswachstum sieht.

Und Wirtschaftswachstum wird letztendlich der Punkt sein, wo es dann sich auch entscheidet, wie viel Arbeitslosigkeit in den USA besteht, wer die besseren Programme hat. Das wird letztendlich dann entscheiden. Und zwar unabhängig davon, ob Romney jetzt gewinnt. In der nächsten Legislaturperiode wird das genauso wieder sein. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch in den USA, im Vergleich sozusagen zu dem, was eigentlich erwartet wird, und das hat Obama nicht geschafft. Obama hat nicht geschafft, seine Versprechen einzulösen, die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken.

Schwarz: Obama hat auch angestrebt, die Kluft in der Gesellschaft zu schließen und die wieder zusammenzuführen. Auch das ist ihm nicht gelungen. Ist dies ein Wahlkampf, der die Gesellschaft noch weiter auseinander treibt?

Stöver: Ja, wahrscheinlich muss man es so sehen, das ist auch wieder so ein pauschaler Eindruck. Es wird so sein, dass es auf der einen Seite sozusagen Obama mit seinen sozialen Forderungen steht, auf der anderen Seite Romney mit seinen harten Wirtschaftsfaktoren, und das wird natürlich die Gesellschaft weiter auseinanderziehen.

Man muss ja auch dazu sagen, dass viele Amerikaner nicht nur einen Job brauchen mittlerweile, sondern zwei oder drei Jobs. Obama hat mit der Einführung der Krankenkasse für alle, Krankenversicherung für alle natürlich einen bestimmten Vorsprung erreicht bei diesen Leuten, die eben weniger Geld verdienen und die gern eine Krankenkasse brauchen, aber letztendlich wird sich daran das nicht entscheiden, die Wahlen daran nicht entscheiden, sondern es wird darum gehen, ob das Wirtschaftswachstum allgemein steigt oder so bleibt oder möglicherweise noch fällt.

Schwarz: Der Historiker Bernd Stöver über den Wahlkampf und die Spaltung der Gesellschaft in den USA. Sein Buch "United States of America. Geschichte und Kultur von der ersten Kolonie bis zur Gegenwart" ist gerade im C.H.Beck-Verlag erschienen. Herr Stöver, danke, dass Sie da waren.

Stöver: Vielen Dank!

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