Hiromi Kawakami: "Die zehn Lieben des Nishino"

Verliebt, entliebt, vergessen

Coverabbildung "Die zehn Lieben des Nishino" von Hiromi Kawakami, im Hintergrund eine Wiese mit weißen Blumen.
Neues zum Thema "vage Liebesbeziehungen": der Roman "Die zehn Lieben des Nishino" von Hiromi Kawakami © picture alliance / blickwinkel; Hanser
Von Katharina Borchardt · 08.02.2019
Die Chefin, die Ex-Geliebte, die Kommilitonin - in Hiromi Kawakamis neuem Roman erinnern sich zehn Frauen an Nishino. Einen Mann, der nur eins wollte: Frauen glücklich machen. Das Buch liest sich mühelos, doch seine Charaktere hat man schnell vergessen.
Er muss ein echter Womanizer gewesen sein, dieser Nishino. Zehn seiner Ex-Freundinnen erinnern sich noch genau an ihn: Zehn Frauen, zehn Kapitel – das ist der neue Roman der Japanerin Hiromi Kawakami. Was aber trieb Nishino an? Und was suchte er in all seinen Beziehungen?
Die erzählenden Mädchen und Frauen lernten ihn in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen kennen. Nozomi war seine Kommilitonin, Manami seine spätere Chefin und Eriko seine Nachbarin. Unabhängig voneinander schildern sie, was sie mit dem charmanten Nishino unternommen haben. Sie lebten allein oder in einer sanft entschlummerten Beziehung und waren eine Zeitlang von seiner Aufmerksamkeit und Zuwendung fasziniert. Er war "ein Mann, der die Wünsche einer Frau erraten konnte", bringt es eine seiner Geliebten auf den Punkt.

Im Garten der Ex-Geliebten

Nach ein paar Monaten, einem Jahr oder längstens drei Jahren aber ließ das Interesse der Frauen stets rapide nach. Plötzlich waren sie nicht mehr verliebt und vergaßen ihren Verehrer erstaunlich schnell.
Einzig im Garten seiner Ex-Geliebten Natsumi ist er auch später noch halbwegs willkommen. Schon im ersten Kapitel des Romans kehrt er dorthin zurück – als frischgestorbener Geist. Vielleicht weil Natsumi eine Tochter hat? Denn Nishinos Schwester hatte sich nach dem frühen Tod ihrer eigenen Tochter umgebracht. Nishino, damals fünfzehn Jahre alt, hatte zuvor alles getan, um seiner depressiven Schwester zu helfen. Wäre ihr Kind ein Junge gewesen, sagte er später einmal, dann hätte er selbst ihn seiner Schwester ersetzen können. War Yukihiko Nishino durch dieses Familiendrama traumatisiert?
Als Erwachsener wollte er auf jeden Fall nur eins: Frauen glücklich machen. Er benahm sich einwandfrei, war tadellos gekleidet und bei einer renommierten Firma in leitender Position angestellt. All dies gefiel den Frauen, denen er auch häufig sehr direkte Liebeserklärungen machte. Aber galten sie tatsächlich der jeweiligen Freundin? Zweifel kommt auf, denn Nishinos Liebe wirkt genauso beliebig, wie sich auch die Frauen wahllos in ihn verliebten.

Auf vage Liebesbeziehungen spezialisierte Autorin

"Die zehn Lieben des Nishino" ist der fünfte ins Deutsche übersetzte Roman der auf vage Liebesbeziehungen spezialisierten Autorin Hiromi Kawakami. Auch er wirft die Frage auf: Was ist Liebe? Doch er beantwortet sie nicht. Das gibt dem Roman etwas sehr Offenes, macht ihn zugleich aber auch schwachbrüstig.
Sein stärkstes Element ist die Anordnung der zehn Kapitel, die man als Potpourri lesen kann, das es nach und nach in eine Chronologie zu bringen gilt. In bestimmten Lebensabschnitten lässt sich Nishinos Biographie so rekonstruieren und seinem Innern zumindest ein klein wenig auf die Spur kommen.
Hiromi Kawakamis neuer Roman, der auf Japanisch bereits 2002 erschien, liest sich mühelos. Man kann durchaus ein, zwei gemütliche Abende mit ihm verbringen. Nachhaltige Wirkung aber hat er nicht. So leicht wie er sich liest, so leicht vergisst man seine luftigen Charaktere auch wieder.

Hiromi Kawakami: "Die zehn Lieben des Nishino"
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe und Kimiko Nakayama-Ziegler
Carl Hanser Verlag, 192 Seiten, 20 Euro

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