Hintergründe der Ernährungskrise

10.11.2009
Der Journalist und Agrarwissenschaftler Wilfried Bommert macht in seinem Buch "Kein Brot für die Welt" unter anderem das Verschwinden von Ackerland, den Klimawandel und das Schrumpfen von Wasserreserven für die Ernährungskrise verantwortlich.
"Sarah" rettet Menschenleben. Die Erträge der Gerstensorte sind zwar mager, aber sie braucht zum Gedeihen nur 120 Milliliter Niederschlag jährlich. Dass es "Sarah" überhaupt gibt, ist einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern des Internationalen Agrarforschungszentrums Aleppo und Kleinbauern im Norden Syriens zu verdanken. Die gemeinsam gezüchtete Pflanze macht die Bauern unabhängig von den durstigen und teuren Sorten internationaler Saatgutkonzerne.

Diese Episode erzählt WDR-Redakteur Wilfried Bommert in seinem neu erschienenen Buch "Kein Brot für die Welt - Die Zukunft der Welternährung", erschienen im Riemann Verlag. Sie wirft ein Schlaglicht auf einige der wichtigsten Anliegen des Autors. Wir steuern auf eine Ernährungskrise neuer Ausmaße zu, erklärt Bommert, die sich an den Peripherien der Weltgemeinschaft schon jetzt ankündigt. Schuld daran ist eine komplexe Gemengelage aus politischen und ökologischen Umständen.

Kapitel für Kapitel erläutert der studierte Agrarwissenschaftler die Hintergründe der Krise: Die Äcker der Welt verschwinden unter Asphalt oder durch die Erosion immer trockener werdender Böden. Der Klimawandel sorgt für weitere Probleme, denn schon heute gerät der Monsun aus dem Takt, von dem weltweit viele Millionen Menschen abhängig sind. Auch in den Industrieländern kommt es, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, bereits zu Ernteausfällen; Notreserven an Nahrungsmitteln schrumpfen. Die Wasserbestände der Erde sind überstrapaziert. Der dramatische Schwund von Nutzpflanzenarten erhöht das Risiko von Ernteausfällen. Steigt der Hunger auf Fleisch so wie bisher, müsste bis zum Jahr 2030 eine Milliarde Tonnen Getreide zusätzlich geerntet werden, um die Mittellosen der Welt satt zu machen. Wie und wo? Niemand weiß es.

Zudem klettern die Bevölkerungszahlen weltweit weiter, ohne dass der Ausweg in Sicht wäre, den Europa einst nahm: Auf die Jugend der Dritten Welt wartet kein Auskommen durch Industrialisierung.

Und die internationale Politik? Die Welternährungsorganisation FAO leidet an Überbürokratisierung, Lobbyistentum und mangelndem Durchsetzungsvermögen, zeigt Bommert. Dreißig Milliarden US-Dollar würden reichen, um weltweit Kleinbauern so zu stärken, dass der Hunger von der Erde verschwindet - Programme und Gelder werden nicht bewilligt.

Wilfried Bommerts Buch entfaltet Sogwirkung: Anschaulich, reich an Menschen und Geschichten und mit großer sprachlicher und atmosphärischer Dichte ist es geschrieben. Immer wieder bringt der Autor auch weniger bekannte Aspekte ins Spiel, beispielsweise die Unterfinanzierung der öffentlichen Agrarforschung, die als einzige willens und in der Lage wäre, den Schwund an Nutzpflanzenarten aufzuhalten und lokal angepasstes Saatgut zur Verfügung zu stellen. Denn Pflanzen wie "Sarah", in den Dörfern und auf den Dächern der neuen Millionen-Städte in kleinbäuerlicher Hand gepflegt, sind die Hoffnungsträger der Zukunft.

Besprochen von Susanne Billig

Wilfried Bommert, Kein Brot für die Welt - Die Zukunft der Welternährung,
Riemann Verlag, gebunden, 352 Seiten, 19,95 Euro