Hinter der Maske klassischer Formen

Zu Gast: Volker Scherliess · 12.05.2013
"Pulcinella war meine Entdeckung der Vergangenheit, die Epiphanie, durch welche mein späteres Werk möglich wurde. Selbstverständlich war es ein Blick zurück – die erste von vielen Liebesaffären in jene Richtung – , aber es war auch ein Blick in den Spiegel."
Mit diesen Worten umriss Igor Strawinsky die Schlüsselstellung, die er seinem 1919/20 entstandenen Ballett "Pulcinella" einräumte. Das ganz dem Geist der "Commedia arte" verpflichtete Werk bildet den Auftakt zur sogenannten "neoklassizistischen" Phase im Schaffen des Komponisten. Entstanden war das Werk auf Anregung Sergej Diaghiliews, Impressario des berühmten "Ballet russe", dem zunächst ein bloßes Arrangement von Musik des 18. Jahrhunderts für choreographische Zwecke vorschwebte.

Doch Strawinsky ging weit über diesen Anspruch hinaus; er machte sich die originalen Vorlagen buchstäblich zu eigen, indem er sie mal mehr, mal weniger verfremdete, um ihr kompositorisches Potenzial weiter zu entfalten. Bei den historischen Vorlagen handelt es sich allerdings keineswegs allein um Musik von Giovanni Battista Pergolesi – wie Djagiliew und Strawinsky noch glaubten. Werke vier weiterer Komponisten – mit einer Ausnahme sind es Zeitgenossen Pergolesis – gehören ebenfalls zu diesen Quellen. Und so bildet denn auch der Vergleich zwischen den Originalen und den verschiedenen Fassungen der "Pulcinella"-Musik Strawinskys einen Schwerpunkt der Sendung.

Moderation: Michael Dasche