Hinter der Fassade

Von Wolf-Sören Treusch · 18.12.2009
Im Schloss Schönhausen im Berliner Bezirk Pankow lebte einst die Ehefrau Friedrichs des Großen. Die Nazis nutzten es als Depot für 'Entartete Kunst'. Und DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck hatte hier seinen Amtssitz. Das frisch sanierte Schloss ist ab 19. Dezember wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Sehr lange passierte mit dem Schloss gar nichts in der jüngeren Vergangenheit. Endlich 2005 begannen die Restaurierungsarbeiten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hatte sich sehr spät entschieden, das Schloss unter ihre Fittiche zu nehmen, weil immer klar war, dass die Dekontamination der Dachbalken viel Geld kosten würde. Die Finanzierung war lange nicht gesichert, 2005 war klar: Es gibt 3,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und 3 Millionen Euro von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Den Rest zu den insgesamt 8,6 Millionen steuerten der Bund und private Spender bei. Die vergifteten Dachbalken sind auch der Grund dafür, dass man den Sitz des Bundespräsidenten – damals Johannes Rau – 2003 eben nicht nach Schönhausen legte. Schloss Bellevue musste saniert werden.

Entstanden ist Schloss Schönhausen übrigens 1664 zunächst als Herrenhaus mit Meierei im holländischen Stil, Ende des 17. Jhdts. wurde es dann zu einem Schloss ausgebaut.

Zwei junge Männer in Handwerkermontur bauen einen Schrank zusammen. Mit der Handwurzel stoßen sie kräftig gegen die grau beschichteten Holzfaserplatten, schieben sie ineinander. Jeder Handgriff sitzt, in wenigen Minuten haben sie den Schrank montiert. Der Kassenraum muss heute noch fertig werden. Es sind nur noch zehn Tage bis zur Wiedereröffnung von Schloss Schönhausen.

Schloss Schönhausen, das ist eines der wenigen historischen Monumente Berlins, das zwar immer wieder umgebaut, aber trotz aller Kriegswirren nie grundlegend zerstört wurde. Hier lebte Königin Elisabeth Christine, die Ehefrau Friedrichs des Großen, die Nazis nutzten das Schloss als Depot für 'Entartete Kunst', der erste Staatspräsident der DDR, Wilhelm Pieck hatte hier zehn Jahre lang seinen Amtssitz, Fidel Castro, Indira Gandhi und Michail Gorbatschow übernachteten im Schloss, weil es der DDR bis zu ihrem Untergang als Staatsgästehaus diente. Mehr als drei Jahrhunderte lang war Schloss Schönhausen Schauplatz zunächst der preußischen, dann der deutschen Geschichte. Genug Stoff, um ihn zu präsentieren, sagt Ausstellungskurator Alfred Hagemann:

"Das hat ganz viel Spaß gemacht, das zu merken, wie sich das so entwickelt, man setzt sich ja nicht hin und sagt: so jetzt machen wir mal ein originelles Museum, sondern man geht ja von dem Gebäude aus. Und das Gebäude hat halt so viele Geschichten, die erzählbar sind, es gibt ja auch Häuser, die haben eine tolle Geschichte, aber man kann sie nicht mehr zeigen, weil so oft zerstört wurde oder so viel vernichtet, aber hier war eben so viel da."


Im Erdgeschoss, gleich neben dem künftigen Kassenraum beginnt die Zeitreise durch die Jahrhunderte. Eine Tapete mit fein gemalten Blumenornamenten bedeckt eine der Wände. Es ist eine Original-Papiertapete aus dem Schloss, eine Kostbarkeit aus dem 18. Jahrhundert, die Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten anhand der gut geführten Inventarbücher in einem ihrer Depots wieder fanden. Dort war sie vor mehr als 70 Jahren von den Nazis eingelagert worden. Mitten in diesem ersten Saal steht eine elegante schwarze Ledersänfte.

Alfred Hagemann: "Das ist auch so ein unglaublicher Glücksfall: die Sänfte stand während des ganzen Lebens Elisabeth Christines hier in Schönhausen, allerdings im Treppenhaus, da können wir es heute aus klimatischen Gründen nicht mehr zeigen, und mit dieser Sänfte hat sie sich hier durch den Garten tragen lassen, durch den Ort tragen lassen, eine Königin ist damals nicht öffentlich zu Fuß gegangen, sondern wurde getragen, und da gab es dann also diese Sänfte, die ist dann später in den Marstall in Berlin-Mitte abgegeben worden, ist da während der Revolution 1918 beschädigt worden, also sie hat einen Bajonettstich am Rücken, weil damals der Marstall von Soldatenräten besetzt wurde, es ist also wirklich ein Wunder, dass sie bis heute überlebt hat, und wir sind sehr froh, dass sie wieder hier ist."

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird das Schloss erbaut, mehrmals wechselt es den Besitzer, bis Königin Elisabeth Christine das Schloss 1740 von ihrem Ehemann geschenkt bekommt, dem Preußenkönig Friedrich dem Großen. Sie macht es zu ihrer Sommerresidenz, aber erst nach dem Siebenjährigen Krieg bekommt sie von ihrem Gatten auch genug Geld, um das Schloss auszubauen und neu zu gestalten.

Alfred Hagemann: "Das ist hier, hört man jetzt am Hall wahrscheinlich schon, der berühmte Rokoko-Saal von Schönhausen, beim Ausbau des Schlosses 1764/65 entstanden und eben mit der ganzen Stuckatur und dem Stuckmarmor originalgetreu erhalten, der letzte originale Rokokoraum in Berlin, alles andere Rokoko in Berlin ist Rekonstruktion nach dem Krieg in Charlottenburg, der Saal ist was ganz besonderes, weil er eben ganz komplett erhalten ist, hier hat es keine großen Veränderungen gegeben, außer dass man ihn ständig mal neu gestrichen hat."

Der Festsaal im ersten Stock ist sozusagen Elisabeth Christines Vermächtnis an die Nachwelt. Die reichhaltig verzierten Blumen und Tierdarstellungen wirken so lebendig als hätte sie der Stuckateur gerade erst gestern geschaffen, eine goldene Sonne genau in der Mitte der Decke bildet den Höhepunkt der Stuckarbeiten. Mit einem Skalpell mussten die Figuren während der Restaurierungsarbeiten freigelegt werden. Hatte man eine Farbschicht abgetragen, tauchte die nächste auf. 350.000 Euro gab die Cornelsen-Kulturstiftung dazu, um den einzigen noch original erhaltenen Rokoko-Saal Berlins wieder herrichten zu lassen.

Alfred Hagemann: "Das war jetzt über ein Jahr lang ein Gerüst im Raum, um den ganzen Stuck an der Decke freizulegen, vier, fünf waren hier immer zugange. Und das ist sehr anstrengende Arbeit oben auf so einem Gerüst mehr oder weniger liegend, man braucht Chemikalien, um das anzulösen, abzubeizen, da waren immer sehr große Lüfter hier, damit man überhaupt atmen konnte, und es ist eben erst im Zuge dieser Freilegung klar geworden, dass es alles mehr oder weniger Original von 1764 ist, die Qualität des Stucks wurde deutlich umso mehr man die Farbschichten abgenommen hat, umso deutlicher hat man gesehen, wie phantastisch diese Blüten gemacht sind, wie lebensecht das alles ist, und auch die Farbfassung: dieses ocker mit dem ganz leicht rosa getönten Stuck – Vorsicht bitte – das war eben eine Überraschung. Mit diesem ocker und rosa hatten wir nicht gerechnet, aber ist eben so erhalten geblieben und dann retuschiert worden."

Unter die goldene Sonne an der Decke gehört der Kronleuchter. Er stammt aus der Kaiserzeit und hing hier bis zum Beginn der Restaurierungsmaßnahmen. In den Werkstätten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat man ihn wieder hergerichtet, nun ist er bereit, damit er gleich aufgehängt werden kann. Elektromeister Michael Borowski hat den Leuchter von Beginn an unter seinen Fittichen gehabt. Ist er ihm deshalb besonders ans Herz gewachsen?

Michael Borowski: "Es ist immer der Kronleuchter, mit dem man sich gerade beschäftigt. Wo man alle Einzelteile kennt, weil man ihn auseinandergenommen hat, wo man dran gearbeitet hat, also da kennt man so ungefähr jede Schraube, die gelöst wurde und hinterher wieder angezogen wird. Herzblut ist vielleicht übertrieben, das trifft auf so ne Sachen nicht so zu, aber es gibt schon einfach ein Verhältnis dazu."

Einer der Handwerker ist auf den Dachboden gestiegen und zieht den Kronleuchter mit Hilfe einer Seilwinde nach oben. Per Handy hält er Kontakt zu den Kollegen im Rokoko-Saal zwei Stockwerke tiefer.

Handwerker 1: "Langsam, schön langsam, der Kronleuchter dreht sich zu schnell."
Handwerker 2: " "Wie viel brauchst Du denn noch? (Pause) Alles klar, gut."

Fünf Minuten brauchen die Handwerker, dann hängt der Kronleuchter in der richtigen Höhe. Maßarbeit.

Handwerker 1: "Stopp!"

Königin Elisabeth Christine ist 35, als sie in Schloss Schönhausen einzieht. Sie malt und liest viel, nebenbei verfasst sie religiös-moralische Erbauungsschriften. Im Festsaal veranstaltet sie Konzerte, lädt zur Tafel und gibt Empfänge – sogar der französische Philosoph Voltaire schaut bei ihr vorbei. Alfred Hagemann, der Ausstellungskurator von Schloss Schönhausen.

Alfred Hagemann: "Es gibt auch Zeitungsberichte aus dem 18. Jahrhundert, wo hier von großen Festen berichtet wird, wo der Garten mit Tausenden von kleinen Lichtern beleuchtet wurde, und dann konnte man hier oben stehen, die Schlossallee lang gucken und dann tauchte da irgendwie der preußische Adler im Feuerwerk auf, so hat man das genutzt."

Kinder hat die Königin keine. Der prachtvolle Aus- und Umbau des Schlosses ist ihr einziger Lebensinhalt. Trotzdem steht ihr Hof bald im Ruf erbarmungswürdiger Langeweile. Einer ihrer Kammerherren erinnert sich an Gesellschaften, auf denen die Königin: "laut spricht, obwohl sie nichts zu sagen hat.”

Der Grund für ihr Ungemach dürfte ihr Ehemann, Friedrich der Große gewesen sein. Einer der privaten Räume der Königin im Erdgeschoss ist ebenfalls noch erhalten, Dass darin zwei Porträts von ihm hängen, ist durchaus überraschend, denn eine Ehe im höfischen Zeitalter war keine Liebesheirat, sondern eine politische Entscheidung, und die Ehe mit Friedrich dem Großen stand unter einem ganz schlechten Stern, weil sie ihm von seinem Vater aufgezwungen wurde

Alfred Hagemann: "In dem Fall war es tragisch auf der persönlichen Ebene, dass Elisabeth Christine Friedrich tatsächlich auch persönlich mochte und geliebt hat und er aber von ihr nun persönlich nichts wissen wollte, es wird dann aber immer behauptet, sie wäre nach Schönhausen verbannt worden, das ist wirklich ganz großer Unsinn, sie war nur drei Monate im Jahr hier, das ist auf gar keinen Fall eine Verbannung, und sie hatte im Berliner Schloss die größte Wohnung, die je eine Königin hatte, weil Friedrich zunehmend wenig in Berlin war und sie dann alle Pflichten übernommen hat, die eigentlich das Staatsoberhaupt hätte wahrnehmen müssen, auch hier in Schönhausen waren im Sommer wöchentlich große Empfänge, sie hat also den ganzen langweiligen Alltag eines Hofes durchgezogen, und Friedrich war in Sanssouci. Sodass man also nicht sagen kann, sie war verbannt, man kann aber sagen, dass er sie persönlich gemieden hat."

Möbelpacker: "Nicht an den Armlehnen anfassen, sondern immer unten drunter, denn man kann da gut drunter greifen, hier, ja."

Schloss Schönhausen: kurz vor der Wiedereröffnung. An einem tristen Novembertag werden Möbel geliefert, deren Existenz die Konzeption der Ausstellungsmacher wesentlich beeinflusst hat.

Alfred Hagemann: "In der Auseinandersetzung mit dem Haus wurde uns ganz schnell klar: es reicht nicht, nur Elisabeth Christine in den Vordergrund zu rücken, sondern dieses Haus hat – im Gegensatz zu den anderen Schlössern, die meistens seit 1918 Museen waren und keine politische Geschichte mehr hatten – hier haben wir ein Haus, das bis 1991 eine zentrale Rolle gespielt hat für deutsch-deutsche Geschichte, und den Stein ins Rollen gebracht hat die Aussage des Deutschen Historischen Museums, dass sie dieses Pieck-Zimmer komplett erhalten im Depot haben."

Originalton DDR-Rundfunk: "Begeben wir uns also nach Schloss Niederschönhausen zu unserem Arbeiterpräsidenten Wilhelm Pieck und hören wir, was ihm die Gratulanten zu sagen haben. – Und nun überbringen die Angehörigen des Diplomatischen Corps der bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik akkreditierten Botschaften ihre Glückwünsche, wir sehen den Doyen des Diplomatischen Corps, den außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Volksrepublik China bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Herrn Chi Peng Fei, ... "

Wilhelm Pieck, erster Staatspräsident der DDR, hat von 1949 bis 1960 seinen Amtssitz im Schloss und feiert dort auch Geburtstag. Nach dem Tod der preußischen Königin 1797 versinkt Schloss Schönhausen im Dornröschenschlaf, die Nationalsozialisten nutzen es kurz als Ausstellungsraum, später als Depot, nach dem Zweiten Weltkrieg nehmen es die Sowjets in Besitz. Am 7. Oktober 1949 übergeben sie das Schloss der neuen DDR-Regierung.

Originalton DDR-Rundfunk Wilhelm Pieck: " Meine Herren vom Diplomatischen Corps, ich danke Ihnen für die Glückwünsche."

Ursula Nitzsche: "Es war meine beste Lehrzeit, die ich mir in meinem Leben vorstellen konnte."

Ursula Nitzsche – als junges Fräulein arbeitet sie im Schloss, zehn Jahre lang ist sie die Sekretärin Wilhelm Piecks.

Ursula Nitzsche: "Das hat mich auch aufgeregt gemacht, ich habe noch nie in einem Schloss gesessen oder gearbeitet oder gegessen, und das war schon was Besonderes. Wie ein Arbeitermädchen sich fühlt, das die Gelegenheit hat, bei einer bedeutenden Persönlichkeit viel zu lernen und für ihn zu arbeiten, mit Freude. In einem sehr angenehmen Umfeld mit Kollegen, die alle beseelt waren, nach dem Krieg für die Deutsche Demokratische Republik ihr Bestes zu geben."

Die letzten Originalmöbel aus dem "Pieck-Zimmer" werden ausgepackt. Das Amtszimmer ist nun wieder so eingerichtet wie bis zum Tode Wilhelm Piecks 1960: ein mächtiger Schreibtisch, eine riesige Schrankwand, ein lang gezogenes Sideboard, alles Sonderanfertigungen aus kostbarem Nussbaumfurnier mit Einlegearbeiten in Ahorn, Kostenpunkt 60.000 Mark, für damalige DDR-Verhältnisse ein Vermögen. In der Beletage von Schloss Schönhausen erlebt die Zeitreise durch die Jahrhunderte zwei Räume neben dem Rokoko-Saal ihren vorläufigen Höhepunkt.


Ulrike Eichner: "So wie es sich jetzt hier zeigt, ist es im Grunde ein sehr schönes Bild mit allen Überarbeitungsspuren, ein schöner Alterungszustand und im Grunde sehr authentisch. Es sind also keine neuen Polituren oder so etwas aufgetragen worden, sondern das sind die transparenten Lackschichten von 1949 mit einigen Überarbeitungen, bis eben dieses Zimmer diesen Raum verlassen hat. Will sagen, dass wir an den Möbeln und an den Oberflächen außer Furniersicherung, Oberflächenreinigung und ganz geringfügigen Ergänzungen nichts verändert haben."

Ulrike Eichner, Möbelrestauratorin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, hat es besonders der Schreibtisch Wilhelm Piecks angetan. In einer riesigen Schublade auf der rechten Seite enthält er einen eigenen Radio- und Plattenschrank, links eine integrierte Telefonanlage.

Ulrike Eichner: "Und hier sehen Sie jetzt sozusagen die Kommunikation von 1949: einen schwarzen Telefonhörer, sehr schwer, mit einem Schaltpult. Und einer Wählscheibe. Das Schaltpult hat verschiedene Lämpchen, die wahrscheinlich aufleuchteten, wenn man dann richtig verbunden war, grüne Lämpchen, rote Lämpchen und mondsteinfarbene Lämpchen, und man hat hier die Funktionen, dass man zum Beispiel anrufen kann, man kann klingeln, man kann mithören, man kann trennen, man kann direkt durchwählen – das ist hier mit Schreibmaschine extra eingeschrieben – zum ZK, ja, das konnte man. Dann kann man auch zum MfS direkt durchwählen, auch zur Regierung, wenn man möchte oder auch hausintern telefonieren. Ja. Na, das war für uns auch technisch frappierend. Das muss ich sagen, ja."

Donner und Doria: ein Arbeiterpräsident im Preußenschloss?

Alfred Hagemann: "Das ist natürlich die Frage, die man sich sofort stellt: Was will der Arbeiter- und Bauernstaat mit einem Rokoko-Schloss?"

Ausstellungskurator Alfred Hagemann.

"Ich denke, da war sehr viel Pragmatismus erst mal dabei: wie viele Gebäude gab es 1949 in Berlin, die eine Heizung hatten, die Strom hatten, die Fenster hatten und das eine gewisse Größe hatte, da gab es nicht viel Auswahl, aber andererseits denke ich, war hier in den 50er-Jahren, als die Wiedervereinigung noch auf der Agenda ostdeutscher Politik stand, auch von Stalin ja ganz deutlich gewünscht, der Wunsch, sich hier als das gute, wahre Deutschland zu präsentieren, also bekanntlichermaßen waren die Nazis alle in Bonn, und man hat hier ein Haus gesucht, was Geschichte hat, was eine gewisse Kultiviertheit ausdrückt, was aber nicht politisch vorbelastet ist, und praktischerweise, weil es das Schloss von Elisabeth Christine war – Friedrich der Große war nie hier, Kaiser Wilhelm war nie hier – also man konnte gleichzeitig das Berliner Schloss abreißen als Symbol des preußischen Militarismus und hier das Rokoko-Schloss nehmen."

Originalton DDR-Rundfunk: "Lang lebe der Vorsitzende des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik! (Alle) Hurra, hurra, hurra. (Musik setzt ein) – Schloss Niederschönhausen in Berlin. Amtssitz des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik. Die Ehrenkompanie des Wachregimentes ist zur Ehrenbezeigung für den Vorsitzenden des Staatsrats angetreten, und diese Hochrufe kamen von den Mitarbeitern des Staatsrates, eine nicht alltägliche Szenerie hier vor dem Schloss Niederschönhausen, alle klatschen Beifall."

Auch nach dem Tod Wilhelm Piecks bleibt das Schloss ein Repräsentationsort ersten Ranges. Nun feiert auch der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht hier Geburtstag.

Reporter: "... eine nicht alltägliche Szenerie hier vor dem Schloss Niederschönhausen, alle klatschen Beifall."

Ab 1964 baut man Schloss Schönhausen schließlich zum Staatsgästehaus der DDR um. Der junge Staat ringt nach internationaler Anerkennung und nutzt das Schloss als Kulisse zur Selbstdarstellung. Bis in die 80er-Jahre nimmt man umfangreiche Veränderungen am Grundriss und der Bausubstanz vor. Die eigentlichen Gästezimmer hält man in modernem Stil – ein Badezimmer mit lila Fliesen aus den 60er-Jahren ist noch heute zu sehen – die Gesellschaftsräume für die Empfänge und Bankette werden eher historisierend eingerichtet.

Im ersten Stock haben Alfred Hagemann und seine Mitstreiter so einen Empfangsraum unverändert gelassen. Alfred Hagemann:

"Das ist der Raum im Zustand der Einrichtung 1978 folgende, man sieht die Mischung: man hat originale Elemente der Königin übernommen: Spiegel und Kamin, die Stuckdecke aus dem 17. Jahrhundert hat man auch beibehalten, hat eine Tapete angebracht, die in Kunstfaser eine Tapete des 18. Jahrhunderts aus dem Neuen Palais in Potsdam kopiert und hat dann Neorokoko möbliert: dieses Sideboard, da ist Minibar und Musikanlage drin versteckt, aber eben passend zur Vertäfelung, und dann große Ohrenbackensessel und Meißner Porzellan, also schon gediegen in der Vorstellung der 70er und 80er-Jahre. Und so sah das ganze Haus aus. Man konnte im ganzen Haus kaum zwischen Original und diesem Neo-Rokoko unterscheiden, Sie sehen diese dicke Vergoldung, das ist alles so dick vergoldet, dass man kaum erkennt, ist das jetzt ein guter Spiegel oder ist es irgendeine schlechte Kopie, deshalb bin ich ganz froh, dass wir entschieden haben, das in vielen Räumen auch zurückzunehmen."

Drinnen präsentierte die DDR Weltniveau oder zumindest das, was sie dafür hielt, draußen schottete sie sich ab. Bis zur Wende 1989 konnte niemand hinein, eine Mauer umgab das Schloss Schönhausen.

Doch wenn die Staatsgäste kamen, die ja dann tatsächlich immer häufiger kamen, vor allem nachdem die DDR 1973 Mitglied der Vereinten Nationen geworden ist, mussten die Pankower Bürger vor der Mauer Spalier stehen. Ein Spaziergänger erinnert sich:

"Wir wurden da ja immer hindelegiert, damit man ihnen ordentlich zujubeln konnte. Delegationen von Betrieben, die wurden dann immer abgestellt. Ich war in der Volksbildung, da mussten die Kinder Klassenweise antreten mit Winkelementen usw., aber so weit durften wir ja nicht. Es war bis da vorne, noch nicht mal bis zum Tor kamen wir ran, weil davor stand ja sowieso die Armee, und was sich hier abgespielt hat, das haben wir erst im Nachhinein erfahren. Was die Staatsgäste hier so für Dinge veranstaltet haben, besonders unser Fidel Castro, er war ja auch kein Kostverächter. So war es."

An dieser Stelle endet die Reise durch 350 Jahre Zeitgeschichte von und über Schloss Schönhausen. In einem der Nebengebäude tagte nach dem Fall der Mauer der 'Zentrale Runde Tisch der DDR', anschließend fanden dort auch Teile Zwei-plus-Vier-Gespräche über das künftige wiedervereinigte Deutschland statt. Aber das Schloss selbst stand seit 1989 mehr oder weniger leer – 16 Jahre lang.

Erst 2005 kam es in die Obhut der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Die Restaurierungsarbeiten begannen, das größte Problem waren die Dachbalken, die in den 60er-Jahren mit giftigen Holzschutzmitteln versehen worden waren. Die kontaminierten Hölzer wurden freigelegt und so ummantelt, dass die historische Substanz erhalten blieb. Ein langwieriger Prozess.

Insgesamt 8,6 Millionen Euro hat die Sanierung von Schloss Schönhausen gekostet. Morgen wird es der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.

Alfred Hagemann: "Die Restaurierung ist immer ein großes Abenteuer, man weiß nie genau, was unter den ganzen Farbschichten zum Vorschein kommt, es gab ja ganz viele sehr aufregende Entdeckungen hier im Haus, noch Malereien hinter den Spiegeln usw., aber eigentlich muss man sagen, ist das als Baumaßnahme extrem glatt gelaufen, wir sind auch im Kostenrahmen geblieben, was ja auch nicht so üblich ist, und vier Jahre war ein sehr anspruchsvolles Programm, aber es hat geklappt."

Als er noch Student der Kunstgeschichte war, entwickelte Alfred Hagemann das erste Mal ein Sanierungskonzept für Schloss Schönhausen. Das war vor elf Jahren.

Alfred Hagemann: "Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich das später mal einrichten würde als Ausstellungskurator, auf keinen Fall. Und wie das immer so ist: Als Student ist man viel radikaler und strenger, als es dann in der Realität funktioniert, aber es ist schon eine tolle Sache, dass man später an so einem wundervollen Gebäude mitarbeiten darf wie Schönhausen."