Hinrich von Borstel: "Herzrasen"

Wissenswertes übers Herz vom Science Slammer

Hinrich von Borstel
Johannes Hinrich von Borstel mit seinem Buch "Herzrasen kann man nicht mähen" © imago/VIADATA
Von Susanne Billig · 23.12.2015
Giulia Enders hatte es mit "Darm mit Charme" vorgemacht. Jetzt kommt Hinrich von Borstel mit dem Buch "Herzrasen kann man nicht mähen" und will mit Witz sämtliche Probleme des Organs erklären. Laut Klappentext kann er auf der Bühne sogar Herzerkrankungen tanzen.
100.000 Mal am Tag schlägt das menschliche Herz im Durchschnitt und bewegt dabei 8500 Liter Blut – nur ein Tanklaster könnte solche Mengen transportieren. In seinem neuen Buch "Herzrasen kann man nicht mähen" nimmt sich der angehende Mediziner Johannes Hinrich von Borstel nicht weniger vor, als "alles" über das Herz und seine Erkrankungen zu erzählen und geht sein Projekt tatsächlich denkbar umfassend an. Seine Themenpalette reicht von den ersten schnellen Schlägen des Hohlmuskels im heranwachsenden Embryo über all die Krankheiten, die das Organ im Laufe des Lebens befallen können – Herzinfarkt und Herzinsuffizienz, Arteriosklerose und Herz-Rhythmusstörungen, Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit – bis hin zu der wichtigen Frage, was der Einzelne tun kann, um das Herz möglichst lange gesund zu erhalten. Gründlich und auf dem aktuellen Stand der Forschung geht Johannes Hinrich von Borstel auf die Rolle von Ernährung, Bewegung, Stressfreiheit und Schlaf ein.
Viele Späße im Buch wirken bemüht
Dieses umfangreiche inhaltliche Programm mag trocken erscheinen, doch Trockenheit ist Johannes Hinrich von Borstels Sache nicht – immerhin gehört er zu den erfolgreichsten Science Slammern in Deutschland. Laut Klappentext kann er auf der Bühne Herzerkrankungen tanzen und seinem Publikum im Rhythmus des Hardrocksongs "Highway to Hell" die Kunst der Reanimation beibringen. Entsprechend humorvoll packt der Autor sein Werk an, wobei ihm deutlich anzumerken ist, dass er gerne in die Fußstapfen von Giulia Enders treten möchte, die mit ihrem Buch "Darm mit Charme" im vergangenen Jahr immerhin einen veritablen Bestseller landete. Doch die Sache hakt ein wenig: Giulia Enders' Buch bezog seinen Reiz zu einem großen Teil aus der Fallhöhe zwischen seiner smarten jungen Autorin und den Auswürfen und Ausdünstungen des Enddarms – eine Kombination, die sich so leicht nicht wiederholen lässt. Während der schambesetzte Darm zum grenzüberschreitenden Witz natürlicherweise einlädt, ist dies beim Herzen nicht der Fall, weshalb viele Späße in diesem Buch leider eher bemüht und aufgesetzt wirken.
Borstel hat glücklicherweise viel mehr zu bieten
Doch Johannes Hinrich von Borstel hat glücklicherweise sehr viel mehr zu bieten. Über lange Strecken vergisst er, dass er witzig sein möchte, und schlägt einen angenehm ruhigen Grundton an. Vor allem solche Passagen entfalten einen Sog, in denen er von seinen Erfahrungen als Rettungssanitäter erzählt, von seinem allerersten Einsatz zum Beispiel, bei dem ihm ein alter Mann mit Herzinfarkt trotz verzweifelter Wiederbelebungsversuche unter den Händen wegstarb. Nein, das ist nicht lustig, das ist traurig und ernst und so erzählt es Johannes Hinrich von Borstel auch. Er beschreibt, wie niedergeschlagen er an diesem Tag heimkehrte, den er so hoffnungsvoll begonnen hatte, und wie nachdenklich ihn dieser Vorfall machte, was die Herausforderungen und harten Seiten seines Berufes betrifft. Das ist die Stimme, der man gerne folgt, wenn sie fachlich kompetent, gut lesbar und engagiert erzählt, was das Herz medizinisch so spannend und für den Menschen so besonders macht.

Johannes Hinrich von Borstel: "Herzrasen kann man nicht mähen"
Ullstein Verlag, Berlin 2015
304 Seiten, 16,99 Euro
Mehr zum Thema