Hinduistische Weihnachten

Von Lilo Brißlinger · 01.10.2011
In Indien laufen die Vorbereitungen zu einem der wichtigsten hinduistischen Feste schon seit Monaten. Besonders prachtvoll wird Durga Puja in der Region Bengalen gefeiert. Auch die indische Gemeinde in Berlin gestaltet dieses Jahr wieder gemeinsame Zeremonien.
Samstagabend im Berliner Studentenwohnheim Eichkamp. In der kleinen Küche des Klubhauses haben sich rund 20 Menschen zur Vorbereitung des Durga Puja Festes zusammengefunden, um sich einzustimmen für das in der kommenden Woche anstehende Fest. Die große Tischtennishalle nebenan ist dafür zwei Wochen reserviert. Noch müssen sie die Platten beiseite schaffen, um der Dekoration aus bunten indischen Stoffen und den Götterstatuen Platz zu machen. Aber die Arbeit soll erst am nächsten Tag beginnen.

Heute wird die Vorfreude auf die Festtage genossen und feierlich gekocht. Einige der Zutaten, wie Bittermelone, sind nur in wenigen Fachgeschäften zu bekommen. In einem der vielen Töpfe köchelt Mun-Dal, ein Linsengericht, das traditionell auch an den Abenden der Puja serviert wird. Puja bedeutet "Gebet", der Name des Festes lautet wörtlich also "Gebet an Durga". Durga ist eine Göttin, die besonders in der Region Bengalen verehrt wird, erklärt Shankar Chakraborty:

"Wenn die Leute in der Welt Probleme haben oder, sag ich mal, die Dämonen die Leben unsicher machen, dann kommt diese Göttin und sie tötet die Dämonen."

Wie andere auf Weihnachten, so freuen sich hinduistische Kinder schon das ganze Jahr über auf dieses Ereignis, bei dem sie üblicherweise neue Kleidung geschenkt bekommen. Und wie auch Weihnachten weltweit sehr unterschiedlich gefeiert wird und nicht überall auf dasselbe Datum fällt, so ist auch die alljährliche Verehrung der guten Macht, die über das Böse siegt, unter Hindus alles andere als einheitlich. In weiten Teilen Indiens zum Beispiel wird das zehntägige Dasera-Fest gefeiert, das seinen Höhepunkt dieses Jahr am kommenden Donnerstag hat.

Obwohl Shamita Chattopadhyay in Deutschland aufgewachsen ist, kennt die 26-Jährige die religiösen Geschichten genau:

"Diese ganze indische Mythologie, die ist ja sehr eingängig. Ich bin damit aufgewachsen, meine Großmutter hat mir diese Geschichten immer erzählt und natürlich fragt man sich, ob da jemals irgendeine Frau mit zehn Armen durch die Gegend gelaufen ist und das Böse bekämpft hat. Aber es macht schon irgendwie Sinn, dass man durch diese vielen verschiedenen Geschichten einfach versucht, so ein paar Aspekte der Welt zu erklären, Gutes, Böses, Glückliches, Trauriges. Das hilft mir auch, an diese Kraft zu glauben, mit den Blumen und den ganzen Ritualen, die dazugehören, macht es auch einfach umso mehr Spaß, dran zu glauben."

Durgaj Roy lebt seit Jahrzehnten in Deutschland und erklärt manchmal in Seminaren Andersgläubigen den Hinduismus. Beim Fest wird er spirituelle Lieder in verschiedenen Sprachen singen:

"Es sind drei Urgötter: Brahma, Vishnu und Maishvara und Brahma ist der Schöpfer, Vishnu ist der Erhalter und Shiva oder Maishvara genannt ist der Zerstörer und gleichzeitig auch Schöpfer. Und Shivas Frau ist Parpati oder Durga, die lebt mit ihrem Mann in andere Welt und die kommt für eine Woche hier, um mit uns zusammen zu sein."

In Indien gipfeln die mehrtägigen Festlichkeiten schließlich in die feierliche Verabschiedung dieser Gottheit. Dabei werden die bunt geschmückten Gottesabbildungen dem Fluss Ganges übergeben. Und auch, wenn es in Berlin keinen Ganges gibt und alles etwas kleiner und leiser ausfällt, feiern Hindus aus ganz Deutschland dieses Fest kommende Woche zum 37. Mal gemeinsam in Berlin. Shamitas Vater war von Anfang an dabei:

"Es gibt mir neue Energie, neue spirituelle Energie, aber die größte Bedeutung für mich ist das Beisammensein, dass die Leute zusammenkommen. Dass alle Nationen, alle Religionen, alle Gesellschaftsschichten in diesem Festplatz zusammenkommen."

Nicht nur hinduistische Inder oder Bengalen nehmen seit Jahren in Berlin an den Durga Puja Zeremonien teil, zu denen alljährlich eigens ein Priester aus Indien anreist. Hunderte Menschen verschiedener Glaubensrichtungen werden zu den Feierlichkeiten im Studentenwohnheim erwartet.

Ashit Dutta, dessen Eltern beide Inder sind, ist in der Multi-Kulti-Gesellschaft Berlins groß geworden:

"Es ist bunt, es ist absolut bunt. Genau, wie in Indien auch zu sehen ist: Es ist ein buntes Land mit vielen Farben und das kommt auch hierher. Viele aus Deutschland kommen sogar hierher, viele aus Leipzig, Rostock usw., weil die haben dort so kleine Communities, wissen, Berlin ist die Hauptstadt, da muss was los gehen und die kommen alle her, sind auch viele Künstler dabei, die kommen einfach und singen abends, wenn sie mal Lust haben"

Und weil diejenigen, die vor 37 Jahren dieses Fest ins Leben riefen und seitdem mitgestaltet haben, immer älter werden, ist in diesem Jahr nicht nur spirituell Zeit für einen Neubeginn. Shamitas Vater ist froh darüber, die Fäden langsam aus der Hand geben zu dürfen:

"Wir gehören zu den Senioren. Also wir versuchen, das an die nächste Generation weiterzugeben. Die sind auch bereit, die übernehmen das. Wir helfen nur noch, also wir sind meistens im Hintergrund, und um die Stimmung vorzubereiten, sind wir heute da. Und eigentlich sind sie die Organisatoren, die nächste Generation."

Durga Puja ist das Fest der guten Macht und des Neubeginns eines immerwährenden Kreislaufs der Welt. Dass die Festorganisation in Berlin an die nächste Generation der deutsch-hinduistischen Gemeinschaft weitergegeben wird, zeigt selbst den stets wiederkehrenden Wandel, für den das Fest im Hinduismus ein Symbol ist. Genau, wie es in Indien seit Jahrtausenden gemacht wird, sagt Durgaj Roy:

"Wenn ich denke, diese Puja Feier, dass also diese Gottesehrung vor Jahrtausenden auch stattgefunden hat, und meine oder unsere Vorfahren haben daran teilgenommen. Wenn ich die Verse in den Mund nehme oder rezitiere, da denke ich, vor Jahrtausenden, vor Christus Geburt, hat man das ja auch das getan und wir machen das weiter, das ist ein unbeschreibliches Gefühl, ein schönes Gefühl, das ist es, was so schön ist dabei."

Service:
Die Durga Puja Berlin mit Gebet, Gesang und traditionellem Essen finden in vom 2. bis 8. Oktober im Studentenwohnheim Eichkamp statt.
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