Hilflos und melancholisch

Von Hartmut Krug · 13.11.2008
Dass der Klimawandel nicht nur droht, sondern längst da ist, wissen wir. Was wir tun können, wissen wir auch, eigentlich, - und dass wir keine Chance haben, die schlimme Entwicklung zurück zu drehen. Die "Klimarevue" des Kabarettisten und Sängers Rainald Grebe ist deshalb weniger agitatorische Anklage oder scharfe Satire, sondern eher eine hilflos melancholische Bestandsaufnahme.
Dabei ist sie stets beides: Show und Showparodie, Unterhaltung und Erklärung, ironisch wie tiefernst. Bevor wir den Zuschauerraum betreten, können wir uns mit einer kleinen Ablass-Zahlung ein gutes Gewissen kaufen. Denn wenn jeder Zuschauer nur 18 Cent zahlt, kann der Theaterabend als klimaneutral gelten. Denn für das Geld könnten in Panama exakt so viele Bäume gepflanzt werden, wie für den Ausgleich der C02-Produktion der Klimarevue nötig wären. All das erzählt uns ein charmanter, extrem kleinwüchsiger Schauspieler, der mit seiner Figur und seinen Erklärungen den ernsthaft witzigen Grundton versinnlicht, der diesen von Ideen, Texten und Formen überquellenden Abend bestimmt.

Drei Schauspielerinnen mit Amy-Whinehouse- Toupet-Frisuren, die nicht nur tolle Showgirls und gute Sängerinnen sind, sondern gelegentlich, wenn die Musiker von Grebes "Kapelle der Versöhnung" schauspielerisch tätig sind, auch vertretungsweise an den Instrumenten gute Figur machen, stellen Showgesten aus, und der Schauspieler Peter René Lüdicke persifliert Schlagerrevuen, indem er deren gestisches Material in kleinste Einheiten zerlegt. Rainald Grebe moderiert in Lied und Zwischentexten einen Abend, der unter der konsequenten eigenen und gesellschaftlichen Hilflosigkeit gegenüber der Klimaentwicklung sowohl viel Komik wie eine heiße Sehnsucht nach der heilen Welt entdeckt. "Ich habe ein Recht auf eine konstante Meereshöhe", heißt es da, und gegen das Artensterben wird die von Kindheit her bekannte Tierwelt eingefordert. Dann thematisiert der Song "Chinesen in meiner Wohnung" Ängste, es wird vom Raubbau der Menschen erzählt, die auf der Osterinsel über Jahrhunderte erst alle Vegetation und zuletzt auch sich selbst verbraucht haben, und ein riesiger Weltkugel-Ball wird in die spielerischen Hände der Zuschauer gerollt, bis er in einem Wasservorhang verschwindet. Songs beschäftigen sich mit der Bronzezeit oder mit der eigenen Ignoranz und Ichbezogenheit in den von Love-Parade und Wachbrettbauch-Sehnsüchten bestimmten 90er Jahren.

Viele Haltungen und Meinungen werden in gesellschaftlichen Milieubeschreibungen aufgespießt und ausgestellt. Im Mittelpunkt: das sogenannte Bionade-Biedermeier im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. In dem soll es in Hausfluren C0 2-Tabellen geben, und Mieter, die darüber nachdenken, aus Klimaschutzgründen den Hund durch ein Meerschwein zu ersetzten. Kinder werden als die größten C0 2-Schädlinge entdeckt und Paare unter dem Motto "Bleibt zusammen, auch wenn es die Hölle ist", aufgefordert, sich nicht zu trennen, weil jeder einzeln für sich mehr C0 2 verbrauche. Wunderbar, wie die Klimaentwicklung im lautmalerisch wortlosen Song bejammert wird und wie die Aktivitäten des Einzelnen und dessen scheinbare Hilflosigkeit immer wieder aufs neue befragt und umwitzelt werden.. Bevor der umjubelte Abend in böse Anekdoten ausfranst und die Darsteller als neugierige Pinguine über die Bühne watscheln, benennt ein Song das Dilemma: Ich sitze vorm TV, meine Augen sind schon grau/ Ich weiß schon, was kommt: Waldbrand, Tsunami, Überschwemmung, und dann darüber eine Doku in Arte, und schließlich noch ein Spielfilm zum Thema ...

All das weiß man, weshalb die Klimarevue den guten Willen des hilflosen Menschen vorführt, höchst unterhaltsam vorführt, mit all den schlimmen, schlimmen Konsequenzen unseres Handelns. Weshalb alle auf der Bühne immer wieder auch kräftig Zigaretten qualmen in dieser melancholischen Show über dem Klima-Abgrund.

Alle reden vom Wetter. Die Klimarevue
Centraltheater Leipzig
Autor und Regie: Rainald Grebe