Hilfe für Palästina in juristischen Fragen

Moderation: Hanns Ostermann · 24.05.2013
Rechtsstreitigkeiten in den Palästinensergebieten gestalten sich zurzeit schwierig, weil ein Gesetzgeber fehlt. Umso wichtiger sei der Austausch zwischen deutschen und palästinensischen Juristen, sagt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Hanns Ostermann: Der Ansatz ist einfach und logisch: Ohne eine funktionierende Polizei, ohne Staatsanwaltschaften und Gerichte gibt es keinen Staat, ohne einen palästinensischen Staat gibt es keine zwei Staatenlösung - und damit auch keinen Frieden im Nahen Osten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält sich derzeit in den palästinensischen Gebieten auf, um dort beim Aufbau einer effektiveren Justiz zu helfen.

Bevor wir gleich selbst mit ihr sprechen, Ein Bericht von Gudula Geuther (MP3-Audio) Gudula Geuther zu den Problemen.

Ein Bericht von Gudula Geuther. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Einen schönen guten Morgen!

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Vor fünf Jahren gab es in Berlin eine Konferenz, die sich mit rechtsstaatlichen Problemen in den palästinensischen Gebieten beschäftigte. Millionen sind inzwischen geflossen, was hat sich seitdem getan?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es sind in der Westbank - und nur davon kann ich jetzt sprechen, weil ich dort gestern auch in Ramallah war -, sind schon gewisse Strukturen aufgebaut worden, es gibt einen unabhängigen Rat, der über die Ernennung, über Personalentscheidungen eine wichtige Empfehlung trifft, es gibt Gerichte, aber es ist natürlich jetzt gerade, seitdem es kein Parlament, keinen Legislativrat gibt, nicht möglich, Gesetze zu verabschieden, auf deren Grundlage dann auch Frauen - gerade Frauen -, aber auch Männer zu ihrem Recht kommen können.

Ostermann: Es fehlt der Gesetzgeber, das Parlament. Wie wirkt sich das rechtlich im Alltag aus?

Leutheusser-Schnarrenberger: Im Alltag haben uns Vertreter mehrerer Nichtregierungsorganisationen geschildert, dass es zum Beispiel ganz schwierig ist, Gewalt in Familie, Gewaltübergriffe, Missbrauch gegenüber Frauen, auch vor Gericht zu bringen. Das ist ein großes Problem, das zweite Problem liegt natürlich nicht nur an der Rechtssituation begründet, sondern auch an den unterschiedlichen Gebieten im Jordanland, wo nur in einem begrenzten Teil die Palästinenser letztendlich die Jurisdiktion ausüben, in anderen aber zusammen oder allein die israelische Seite, und da ist es ganz, ganz schwierig, dann zum Recht zu kommen.

Ostermann: Jetzt haben Sie eine enge Zusammenarbeit über die Aus- und Fortbildung des Justizpersonals vereinbart. Wo sind da entscheidende Probleme? Ist es zum Beispiel die Korruption?

Leutheusser-Schnarrenberger: Korruption ist möglicherweise auch ein Aspekt, das ist aber nicht der entscheidende. Natürlich geht es einmal darum, gerade auch die Bedeutung und Rolle der Individualrechte, der Bürgerrechte in vielen täglichen Fragen, gerade auch als Grundlage mit für Rechtsentscheidungen zu vermitteln, auch andere Formen als reine Gerichtsentscheidung, Mediation, Vergleich, Schlichtung, viele Elemente mehr dort zu verankern. Und das wollen wir durch die Entwicklung eines Programms machen. Ich fand das sehr gut, dass mein Gesprächspartner da gleich von sich aus auch sehr aufgeschlossen war.

Ostermann: Wie wollen Sie da die Zivilgesellschaft mitnehmen, oder auch Anwälte? Also soll das von Deutschland aus organisiert werden?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, wir müssen uns jetzt über Inhalte verständigen, aber gerade unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, das heißt, auf beiden Seiten, unter anderem der Anwaltsorganisation. Es gibt auch eine Anwaltsorganisation in den palästinensischen Gebieten, auch mein Gesprächspartner war ja viele Jahre lang Anwalt in Strafsachen und ist jetzt in den nächsten Tagen zum Beispiel im Max-Planck-Institut in Freiburg, um dort ein Strafrechtsgesetz, was erarbeitet wurde, zu beraten, was aber mangels Parlament nicht verabschiedet werden kann.

Aber diese Elemente, gerade mit den Anwaltsvereinigungen, auch mit dem Richterbund, auch der Präsident, Herr Frank, war jetzt bei dem Besuch, bei meiner Reise mit dabei, wollen wir so ein Programm und dann vor allen Dingen den Austausch auf der Fachebene ermöglichen. Das ist das Entscheidende.

Ostermann: Sie haben davon gesprochen, dass in Teilgebieten eben die israelische Justiz herrscht, nun haben Sie auch mit Ihrer Kollegin Livni gesprochen. Wie weit liegen da die Positionen auseinander zwischen den beiden Justizministern. Ist man da problembewusst?

Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist natürlich ein Problem, was aus der Situation nach Oslo, nach Vereinbarungen entstanden ist, wo man sich auf diese sogenannten C- und B-Gebiete, wo eben nicht allein die Palästinenser das Sagen haben, verständigt hat, und ohne, dass es dort auch Korrekturen gibt, Öffnungen gibt, Rechte der freien Bewegung, des Zugangs dann auch zur Justiz, wird sich dieses Grundproblem in der Struktur nicht beseitigen lassen.

Ostermann: Aufbau im Nahen Osten, ein schwieriges Problem, ich sprach mit der Bundesjustizministerin, mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bedanke mich!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema