Hilfe für Afghanistan

Vorsicht vor falschen Versprechungen

07:02 Minuten
Drei Mädchen auf dem Weg in die Schule, in Herat (Afghanistan)
Ob Mädchen weiter zur Schule gehen können, ist derzeit eine der Schlüsselfragen in Afghanistan. © picture alliance / AA / Stringer
Rainer Thiele im Gespräch mit Ute Welty  · 04.09.2021
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In Afghanistan rät der Volkswirt Rainer Thiele dazu, bei der Entwicklungshilfe erst einmal abzuwarten. Die Taliban müssten zeigen, ob sie Frauenrechte achten und Mädchen weiterhin zur Schule gehen dürfen.
Bei der Diskussion über die weitere Entwicklungshilfe für Afghanistan rät der Experte Rainer Thiele eher zur Vorsicht. "Ich würde eher abwarten, in welche Richtung sich die Taliban entwickeln, ob sie den Mädchen den Besuch der Schulen ermöglichen und Frauenrechte berücksichtigen", sagt der Professor für Volkswirtschaft am Kieler Institut für Weltwirtschaft, der Entwicklungshilfe generell evaluiert. "Wenn Versprechungen gemacht werden von Regierungen, werden die oft nicht eingehalten."
Dann stehe man wieder ganz am Anfang. Deshalb würde er Bundesaußenmister Heiko Maas raten, da erst einmal abzuwarten. Die Taliban müssten zunächst in Vorleistung gehen.

Hilfe für die Not in Afghanistan

Thiele widersprach der Darstellung des Schriftstellers und Orientalisten Navid Kermani in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die Entwicklungshilfe sei ein Kommerzbetrieb, der vor allem dem eigenen Gewinn diene. "Da finde ich, dass er doch sehr stark überspitzt", so Thiele.
Die Entwicklungszusammenarbeit sei zwar oft auch von Eigeninteressen der Geber getragen, aber das gelte nicht für Afghanistan. Dort gebe es ein Interesse daran, die Not in Afghanistan zu lindern.

Dilemma aushalten

Medienberichte hatten geschildert, dass Mitglieder der früheren Regierung von Afghanistan bei ihrer Flucht Geldkoffer mitnahmen. Thiele sagt dazu, dass laut Studien gerade in Ländern mit mangelhafter Regierungsführung und hoher Korruption mehr als die Hälfte der Entwicklungshilfe in dunklen Kassen verschwindet. "Das ist ein Problem", sagte er.
Aber die Länder, in denen die Not am größten sei, wären auch häufig die Länder, in der die Korruption stark sei. "Dieses Dilemma muss die Entwicklungszusammenarbeit einfach aushalten." Man könne in einem schwierigen Kontext wie in Afghanistan nicht erwarten, dass alles perfekt klappe und keine Mittel abgezweigt würden. "Das wäre naiv."
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