Sexistisches WC-Design im Steigenberger

Halbnackte Frauen über den Pissoirs

Nackte, junge Frauen als Wanddeko über den Pissoirs des Steigenberger Hotels am Kanzleramt.
Nackte, junge Frauen als Wanddeko über den Pissoirs des Steigenberger Hotels am Kanzleramt. © Matthias Finger / Deutschlandradio
Von Matthias Finger · 09.11.2017
Das WC als Designobjekt zu entdecken ist ja schön und gut. Aber warum hängt das Steigenberger Hotel Fotos halbnackter Frauen über den Pissoirs auf? In Zeiten von #metoo erscheint das befremdlich. Das Hotel beruft sich auf die künstlerische Freiheit.
Am Eingang rechts halten und dann geradeaus zur Herrentoilette: Über der Pissoirreihe befinden sich im Halbdunkel zahlreiche Bullaugen mit – nun ja - fragwürdigem Ausblick für ein 5-Sterne-Hotel im Zentrum der politischen Macht:
Ein paar lasziv übereinandergeschlagene, nackte Beine in extremen Highheels sind zu sehen. Daneben fährt sich eine junge Frau sinnlich mit den Händen durchs Haar. Ihr Oberkörper ist zwar nur als Schattenriss zu erkennen – aber offensichtlich hat sie nichts an.
So stelle ich mir eigentlich Klos im Rotlichtmilieu vor. Oder den Spenderraum einer Samenbank. Den Leuten vorm Steigenberger Hotel am Kanzleramt geht’s ähnlich:
"Ich würde es ziemlich wahrscheinlich als sexistisch einstufen. Weils 'ne Darstellung ist von Frauen, die definitiv nicht aufs Klo gehört."
"Ich finde das sind ja schon schöne Bilder. Aber es müssten auch Bilder von Männern da hängen finde ich."
"Müssten die Männer auf den Frauenklos hängen? Oder auch auf den Männerklos?"
"Auf den Männerklos. Also genauso wie Frauen dann auch auf den Frauenklos. Also ich finde dann sollt man schon einbeziehen."

In Berlin wird die LGBTQ- Szene immer mitgedacht.

Kunst auf dem Klo

Im Kontext der Kunstgeschichte ist gegen das Aufhängen von Bildern auf dem stillen Örtchen nichts einzuwenden. Nach den wassergespülten Latrinen der Römer und Griechen wurde das Geschäft in Europa zwar hauptsächlich auf dem Topf erledigt: Ludwig der XIV hat sogar bei Empfängen gern auf sogenannten Kackstühlen gesessen. Doch in der kurzen Geschichte der modernen Toilette sind grafische Gestaltungselemente nicht neu, meint Designerin Arielle de Bateaux:

"Die lassen sich auf jeden Fall finden, die Vorbilder. Im 19. Jahrhundert konnte man auch Toiletten dekoriert vorfinden mit so chinesischen Drachenköpfen und Bemalung, die sehr verziert und dekorativ wirkte."
Allerdings befanden sich die Abbildungen im Pissoir. Als Vorläufer der Fliege, die sich mittlerweile in vielen Urinalen findet, sozusagen. Als eine Art Zielscheibe. Dafür hängen die leicht bekleideten Frauen im Steigenberger am Kanzleramt allerdings etwas zu hoch: Rein formal nennt sich der Trend im zeitgenössischen Toilettendesign "verfließende Grenzen" – hin zur optischen Aufwertung des Bades.
"Es spielt eine wichtigere Rolle als früher. Badezimmer sind größer. Man könnte fast sagen, dass das Bad übergeht in die anderen Wohnräume – zum Schlafzimmer. Es wird offen und groß gestaltet. Und eigentlich ist das Bad heute schon das zweite Wohnzimmer."

Sexismus vs. künstlerische Freiheit

Der Donnerbalken mutiert zum Wohlfühlort, schließlich verbringen wir ein Jahr unseres Lebens auf dem Lokus: Schummrig-rote Farbtöne – wie in der Steigenberger-Toilette – empfehlen Innenarchitekten gerade für Nasszellen. Beim allgegenwärtigen Industrial-Look wirken die vielen Grautöne schnell zu kühl.
Zudem werden auch ehemals kahle Klo-Wände mittlerweile gern mit großflächigen Mustern dekoriert. Das nennt sich: Überraschende Geometrie. Längliche Fliesen sorgen für eine Optik wie im U-Bahnhof; Parkettmuster finden sich auch an Badezimmerwänden.
Im selben Fahrwasser liegen die bullaugenförmigen Bilderrahmen im Steigenberger-WC. Warum nur müssen nackte junge Frauen drin stecken? Das Hotel beruft sich auf die künstlerische Freiheit.
"Die Installation soll keinerlei Überlegenheitsanspruch von Männern gegenüber Frauen ausdrücken sondern vielmehr veranschaulichen, dass typisch männliche Attribute, wie Dominanz und Stärke, charakteristischen weiblichen Eigenheiten wie Sinnlichkeit oder Hingabe gegenüberstehen und gleichzeitig auch wieder anziehen."
Alte Rollenbilder werden platt ausgewalzt – im Namen der Kunst. Nach längerer Suche finde ich übrigens doch noch nackte Männerhaut. Allerdings nicht auf dem Damenklo. Im Atrium hängen die erschlafften Gesichtspartien älterer Männer - unsere Ex-Bundeskanzler im Close-Up. Gleichberechtigung sieht anders aus.
(mw)
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