Hildegard Knef wäre heute 90 geworden

Ob es rote Rosen regnet?

Undatiertes Foto der Schauspielerin, Sängerin und Autorin Hildegard Knef in München.
Hildegard Knef in München © dpa / Hans Gregor
Von Laf Überland · 28.12.2015
Ella Fitzgerald hat über Hildegard Knef einmal gesagt, sie sei "the greatest singer without a voice". Aber das reichte zu einer Weltkarriere: als Schauspielerin, als Sängerin und als Schriftstellerin. Heute wäre die Knef 90 Jahre alt geworden.
Als sie jung war, hatte sie Augen so groß wie Glasbausteine, die sie auch noch weit aufriss, als wolle sie jedem sagen: Mit mir nicht! Und so war es ja auch...
Hildegard Knef war eine Frau, aber sie benahm sich unerhörter Weise wie ein Mann - naja, sie machte was sie wollte! Als Frau! Und dann noch diese erotische Freizügigkeit - erst recht nach ihrem Sündenfall: Im Film "Die Sünderin" spielte sie 1951 nämlich eine Prostituierte und hatte obendrein eine sekundenkurze Nacktszene, und als Priester Stinkbomben in die Vorstellungen geworfen hatten, war Deutschlands liebstes Trümmermädchen zur "persona non grata" geworden.
Spaß an der ironischen Respektlosigkeit des Pop-Zeitalters
Also ging Hilde nach Amerika und hatte einen gigantischen Erfolg mit einem Cole-Porter-Musical am Broadway. Danach drehte sie Filme in den USA, Italien, Frankreich, England und immer wieder auch Deutschland, aber als die Filmrollen immer lächerlicher wurden, nahm sie ihr anderes Herzensstandbein in die Hand - das Singen. Und sie fing zielstrebig eine Karriere als Chansonsängerin an. Ihr verruchtes Image passte ja dazu!) Und für das deutsche Publikum war das etwas völlig Neues. Im Fernsehen hieß es:
"Eine Frau hat im letzten Jahr bewiesen, dass es bei uns nicht immer Schlager sein muss. Sie singt uns ihr neuestes Chanson: Hildegard Knef!"
Natürlich verstand Hilde Knef es, sich selbst zu inszenieren, denn schließlich war sie eine Berliner Göre von der Roten Insel in Schöneberg, wo, eingeklemmt zwischen Bahngleisen, ein ziemlich sozialistischer Arbeiterkiez entstanden war, ein Soziotop, ähnlich wie der Wedding, und Hildchen mittendrin, wo sie tagsüber das Lyzeum besucht und nachts reparierte Schuhe austrägt.
Und auch weiter segelt die Frau hart am Leben: kommt zwar bei der UFA an als Trickzeichnerin und dann als Jungschauspielerin, aber die irre Flucht der 18-Jährigen aus dem zerbombten Berlin wird charakterbildend - als Mann verkleidet, in Soldatenuniform im russischen Gefangenenlager.
Stoisch erträgt sie den Hickhack mit ihrer Filmkarriere, die mehr holpert als läuft, und schließlich ihre jahrzehntelange Krankheit, die Anfang der Siebziger mit Krebs anfängt und 58 Operationen lang dauert - was sie zur "Mater Dolorosa der Boulevardpresse" macht, zu ihrem großen Ärger...
Die Platten der Knef wurden Bestseller, sie tourte bejubelt durch deutsche Hallen: Auf der Bühne kreuzte sie die berlinerische Koketterie von Claire Waldoff mit der beinahe schläfrigen Lakonie einer Marlene – aber glaubwürdig in ihrer eigenen Weltgewandtheit aus Los Angeles und dem Spaß an der ironischen Respektlosigkeit des Pop-Zeitalters. Und aus dem ungewöhnlich geschnittenen, großen Mund ließ sie abgehackt Sätze purzeln, die manchmal hart und klar wie Kieselsteine klangen.
Ein Strauß roter Rosen liegt am 1.2.2003 auf dem Waldfriedhof von Berlin-Zehlendorf am Grab der Schauspielerin, Chansonsängerin und Buchautorin Hildegard Knef.
Das Grab von Hildegard Knef auf dem Waldfriedhof in Berlin© dpa / Miguel Villagran
Bei der Knef ging es immer um das wirkliche Leben als Desaster
Knefs Lieder waren Lebensberatung – die hartgesottene Version, nicht wie bei Udo Jürgens, der versuchte, alle mit seinen Einsichten zu umarmen: Die Knef konnte den real existierenden Alptraum des bewussten Lebens in wunderleichte Lieder packen. Dabei hatten ihre Texte durchaus die bodenständige Welterfahrung einer Frau, die man mitten in der Nacht wegen Herzenskummers anrufen kann und die dann sagt: "Komm her, Kleine, ich setz schon mal Kaffee auf!"
"Pass ma uff: Mit die Heulerei, dit kannste vajessen", schien die Knef immerzu zu singen. Allerdings war sie ja auch nie eine dieser Sängerinnen von kleinen, etwas nachdenklichen und dekorativen Preziosen: Bei der Knef ging es immer, herbe und sachlich, um das wirkliche Leben als Desaster – und wie man irgendwie doch durchkommt. Mit Mitte 20, noch lange vor dem Dauerkrebs, hatte sie ja bereits klarsichtig ihren unbesiegbaren Lebenshunger als Antrieb benannt. Und später besang sie genau den dann höchst erfolgreich.
Hildegard Knef wollte partout nie stehenbleiben, wozu auch: Sich mit Dingen, die man schon kennt, aufzuhalten, ist vergeudete Lebenszeit. In den Siebzigern bestand sie deshalb darauf, gegen den Rat ihrer Plattenfirma mit Les Humphries zu arbeiten; in den Achtzigern liebäugelte sie mit der Neuen Deutschen Welle, dann fing sie an zu malen, Bücher schrieb sie sowieso immer weiter, und 1997 gab sie in Leipzig sogar ihr Debüt als Modeschöpferin von Modellen für aktive, ältere Frauen.
Und sie blieb zeit ihres Lebens ein Star – selbst als sie kaum noch in die Öffentlichkeit ging – bis sie im Februar 2002 im Alter von 76 Jahren an den Folgen ihres Lungen-Emphysems starb.
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