Hier verfolgt, dort gefeiert
Am Montag wird das 19. Jüdische Filmfestival Berlin & Potsdam eröffnet. Mehr als 30 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme werden gezeigt, darunter auch die Doku "Joachim Prinz – I shall not be silent" - das Portrait eines widerständigen Rabbis zwischen Berlin und New Jersey.
"Ich lernte Rabbiner Prinz 1933 kennen: Er war, wie man es heute nennen würde, eine Art Rockstar für uns."
Mit diesen Worten erinnert sich Eva Samo, ein ehemaliges Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Berlin, an Joachim Prinz. Damals war Prinz gerade 31 Jahre alt, aber schon seit 1925 ordinierter Rabbiner vom Jüdisch-Theologischen Seminar im schlesischen Breslau und seit 1926 im Dienst der Berliner Vereinssynagoge Friedenstempel. Charismatisch und eloquent, so beschreiben ihn die Menschen, die ihn kannten. Aber auch furchtlos, wie Michael Meyer betont, der ehemalige Internationale Präsident des Leo Baeck Instituts.
"Bei einem Gottesdienst hielt er eine Ausgabe der Nazi-Zeitung "Der Stürmer” hoch und sagte: Sehen wir wirklich so aus? Schaut euch an! Ist das wirklich das wahre Bild der Juden?"
Mit unangenehmen Wahrheiten konfrontierte Joachim Prinz aber auch die Jüdische Gemeinde: In seiner Schrift "Wir Juden" von 1934 zum Beispiel griff er die Assimilierung der westeuropäischen Juden an. Für die Ko-Regisseurin Rachel Fisher war Joachim Prinz dennoch kein konservativer Jude.
"Für ihn waren Judaismus und jüdische Tradition lebendige Dinge, die sich ständig verändern und weiter entwickeln, aber gleichzeitig eine bleibende Kernbotschaft haben. Und dabei geht es um Gerechtigkeit: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!"
Aber ebenso wichtig: Prinz forderte alle Juden auf, Deutschland zu verlassen, wie Ko-Regisseurin Rachel Pasternak erklärt.
"In den 30er Jahren war eine der wichtigsten Botschaften von Rabbiner Prinz, die Juden in Deutschland zu ermutigen, sich auf ihre Stärke zu besinnen und den Mut zu haben, das Land zu verlassen. Und viele taten das auch. Viele, die Rabbiner Prinz beeinflusste, emigrierten nach Palästina, wie es damals genannt wurde, und in andere Länder."
Prinz unterstützte zwar den Zionismus. Als er aber 1937 von Adolf Eichmann des Landes verwiesen wurde, ging er nicht nach Palästina, sondern in die USA. Dort, so glaubte er, könnte er dem jüdischen Volk am besten dienen, indem er zum Beispiel über das sprach, was im Deutschen Reich passierte. Als Studentin für Jüdische Theologie war Rachel Pasternak vor einigen Jahren in New York auf Prinz´ Nachlass gestoßen.
"Mein Großvater hatte eine enge Beziehung zu Rabbiner Prinz und zur Synagoge "Abrahams Tempel". Er nannte ihn einen Rebellen und schlug vor, dass ich mehr über Prinz herausfinden sollte. Damals erlaubte mir Prinz´ Tochter, seine Memoiren zu lesen. Und seine Reden, sein Werk und sein unglaubliches Leben, zogen mich stark an."
In der Shoa Foundation der University of Southern California wiederum fanden die Filmemacherinnen Interviews mit jüdischen Überlebenden, die über Joachim Prinz´ Einfluss auf ihr Leben sprachen. Ausschnitte daraus zeigt der Film, so von seinem Mitarbeiter Rabbiner Barry Friedman.
"Seine Einstellung war: Die Synagoge ist dazu da, die Mauern, die einen heiligen Ort umgeben, niederzureißen und das Wertesystem dieser alten Tradition mit auf die Straße zu nehmen."
Und die Idee, ein gerechtes Wertesystem auf die Straße zu bringen, nahm Rabbiner Prinz wörtlich. Angetrieben von der Ungerechtigkeit, die er sah, schloss er sich der Bürgerrechtsbewegung in den USA an, wie Rachel Fisher beschreibt.
"Prinz unterstützte die Bürgerrechtsbewegung von ihren Anfängen bis zum Ende seines Lebens. Er arbeitet mit Leuten wie Asa Philipp Randolph zusammen, der als Vater der Bürgerrechtsbewegung gilt und ebenso mit jüngeren Führern wie Martin Luther King Jr."
Und beim Marsch auf Washington, der mit Martin Luthers legendärer "I have a dream"-Rede endete, sprach Joachim Prinz unmittelbar zuvor zu den 200.000 Protestlern und schlug einen Bogen von der Not der Afro-Amerikaner und anderer Minderheitengruppen zu seinen eigenen Erfahrungen.
"Ich spreche als amerikanischer Jude zu euch. Ich war in Berlin unter dem Hitler-Regime ein Rabbiner der Jüdischen Gemeinde und lernte viele Dinge."
Und zugleich formulierte er öffentlich sein Lebensmotto.
"Das Wichtigste in meinem Leben ist die Erfahrung, dass nicht Scheinheiligkeit und Hass die dringendsten Probleme sind, sondern das drängendste, schändlichste und tragischste Problem ist das Schweigen."
"Joachim Prinz – I shall not be silent” ist eine gut recherchierte Dokumentation. Das Portrait eines spirituellen Widerstandskämpfers und unkonventionellen Rabbis, der vor allem durch eine Mischung aus Intelligenz, Lebenserfahrung und Überzeugungskraft faszinierte. Und dies wollen Rachel Pasternak und Rachel Fisher mit ihrem Film nun der ganzen Welt zeigen.
"Der Grund, warum es so wichtig ist, sich dieser Geschichte zu erinnern, ist, dass sie uns inspiriert, dort aufzustehen und das Wort zu ergreifen, wo wir Zeugen von Unrecht werden. Nicht nur in unserer eigenen Gruppe, sondern überall. Es ist eine Geschichte, die einige der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts umfasst, die zeigt, was für einen Beitrag eine Person leisten kann, wenn sie ohne Angst ist."
Der Film "Joachim Prinz – I shall not be silent" läuft im Rahmen des "Jüdischen Filmfestivals” am 9. Mai im Arsenal-Kino und am 12. Mai in Kino Toni jeweils in Berlin.
Mit diesen Worten erinnert sich Eva Samo, ein ehemaliges Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Berlin, an Joachim Prinz. Damals war Prinz gerade 31 Jahre alt, aber schon seit 1925 ordinierter Rabbiner vom Jüdisch-Theologischen Seminar im schlesischen Breslau und seit 1926 im Dienst der Berliner Vereinssynagoge Friedenstempel. Charismatisch und eloquent, so beschreiben ihn die Menschen, die ihn kannten. Aber auch furchtlos, wie Michael Meyer betont, der ehemalige Internationale Präsident des Leo Baeck Instituts.
"Bei einem Gottesdienst hielt er eine Ausgabe der Nazi-Zeitung "Der Stürmer” hoch und sagte: Sehen wir wirklich so aus? Schaut euch an! Ist das wirklich das wahre Bild der Juden?"
Mit unangenehmen Wahrheiten konfrontierte Joachim Prinz aber auch die Jüdische Gemeinde: In seiner Schrift "Wir Juden" von 1934 zum Beispiel griff er die Assimilierung der westeuropäischen Juden an. Für die Ko-Regisseurin Rachel Fisher war Joachim Prinz dennoch kein konservativer Jude.
"Für ihn waren Judaismus und jüdische Tradition lebendige Dinge, die sich ständig verändern und weiter entwickeln, aber gleichzeitig eine bleibende Kernbotschaft haben. Und dabei geht es um Gerechtigkeit: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!"
Aber ebenso wichtig: Prinz forderte alle Juden auf, Deutschland zu verlassen, wie Ko-Regisseurin Rachel Pasternak erklärt.
"In den 30er Jahren war eine der wichtigsten Botschaften von Rabbiner Prinz, die Juden in Deutschland zu ermutigen, sich auf ihre Stärke zu besinnen und den Mut zu haben, das Land zu verlassen. Und viele taten das auch. Viele, die Rabbiner Prinz beeinflusste, emigrierten nach Palästina, wie es damals genannt wurde, und in andere Länder."
Prinz unterstützte zwar den Zionismus. Als er aber 1937 von Adolf Eichmann des Landes verwiesen wurde, ging er nicht nach Palästina, sondern in die USA. Dort, so glaubte er, könnte er dem jüdischen Volk am besten dienen, indem er zum Beispiel über das sprach, was im Deutschen Reich passierte. Als Studentin für Jüdische Theologie war Rachel Pasternak vor einigen Jahren in New York auf Prinz´ Nachlass gestoßen.
"Mein Großvater hatte eine enge Beziehung zu Rabbiner Prinz und zur Synagoge "Abrahams Tempel". Er nannte ihn einen Rebellen und schlug vor, dass ich mehr über Prinz herausfinden sollte. Damals erlaubte mir Prinz´ Tochter, seine Memoiren zu lesen. Und seine Reden, sein Werk und sein unglaubliches Leben, zogen mich stark an."
In der Shoa Foundation der University of Southern California wiederum fanden die Filmemacherinnen Interviews mit jüdischen Überlebenden, die über Joachim Prinz´ Einfluss auf ihr Leben sprachen. Ausschnitte daraus zeigt der Film, so von seinem Mitarbeiter Rabbiner Barry Friedman.
"Seine Einstellung war: Die Synagoge ist dazu da, die Mauern, die einen heiligen Ort umgeben, niederzureißen und das Wertesystem dieser alten Tradition mit auf die Straße zu nehmen."
Und die Idee, ein gerechtes Wertesystem auf die Straße zu bringen, nahm Rabbiner Prinz wörtlich. Angetrieben von der Ungerechtigkeit, die er sah, schloss er sich der Bürgerrechtsbewegung in den USA an, wie Rachel Fisher beschreibt.
"Prinz unterstützte die Bürgerrechtsbewegung von ihren Anfängen bis zum Ende seines Lebens. Er arbeitet mit Leuten wie Asa Philipp Randolph zusammen, der als Vater der Bürgerrechtsbewegung gilt und ebenso mit jüngeren Führern wie Martin Luther King Jr."
Und beim Marsch auf Washington, der mit Martin Luthers legendärer "I have a dream"-Rede endete, sprach Joachim Prinz unmittelbar zuvor zu den 200.000 Protestlern und schlug einen Bogen von der Not der Afro-Amerikaner und anderer Minderheitengruppen zu seinen eigenen Erfahrungen.
"Ich spreche als amerikanischer Jude zu euch. Ich war in Berlin unter dem Hitler-Regime ein Rabbiner der Jüdischen Gemeinde und lernte viele Dinge."
Und zugleich formulierte er öffentlich sein Lebensmotto.
"Das Wichtigste in meinem Leben ist die Erfahrung, dass nicht Scheinheiligkeit und Hass die dringendsten Probleme sind, sondern das drängendste, schändlichste und tragischste Problem ist das Schweigen."
"Joachim Prinz – I shall not be silent” ist eine gut recherchierte Dokumentation. Das Portrait eines spirituellen Widerstandskämpfers und unkonventionellen Rabbis, der vor allem durch eine Mischung aus Intelligenz, Lebenserfahrung und Überzeugungskraft faszinierte. Und dies wollen Rachel Pasternak und Rachel Fisher mit ihrem Film nun der ganzen Welt zeigen.
"Der Grund, warum es so wichtig ist, sich dieser Geschichte zu erinnern, ist, dass sie uns inspiriert, dort aufzustehen und das Wort zu ergreifen, wo wir Zeugen von Unrecht werden. Nicht nur in unserer eigenen Gruppe, sondern überall. Es ist eine Geschichte, die einige der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts umfasst, die zeigt, was für einen Beitrag eine Person leisten kann, wenn sie ohne Angst ist."
Der Film "Joachim Prinz – I shall not be silent" läuft im Rahmen des "Jüdischen Filmfestivals” am 9. Mai im Arsenal-Kino und am 12. Mai in Kino Toni jeweils in Berlin.