Heuschnupfen & Co.

Wie sich der Klimawandel auf Allergien auswirkt

Eine junge Frau niest am Sonntag (24.04.2011) in Hamburg in ein Papiertaschentuch.
Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Heuschnupfen - durch den Klimawandel könnten es noch mehr werden. © picture-alliance / dpa / Bodo Marks
Karl-Christian Bergmann im Gespräch mit Ute Welty · 06.05.2017
Durch den Klimawandel könnten auch Allergieerkrankungen zunehmen, warnt Karl-Christian Bergmann von der Stiftung "Deutscher Polleninformationsdienst". Wer besonders betroffen ist und welche Pflanzen die größten Probleme machen, erklärt er in unserem Gespräch.
Ute Welty: Wer sich im Bekanntenkreis umhört, der hört vor allem Klagen. Klagen zum Beispiel darüber, dass der Heuschnupfen von Jahr zu Jahr schlimmer wird, dass sich womöglich Asthma entwickelt hat oder immer wieder Hautausschlag entsteht. Es gibt Wissenschaftler, die sehen einen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Allergien und der Erwärmung des Klimas. Und was es damit genau auf sich hat, kann uns Professor Karl-Christian Bergmann erklären, Leiter der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Guten Morgen, Herr Bergmann!
Karl-Christian Bergmann: Guten Morgen!

Naturveränderungen wirken auf die menschliche Gesundheit

Welty: Wie ernst nehmen Sie diese Vermutung und wie sehr deckt sich das mit Ihren eigenen Beobachtungen?
Bergmann: Also, wir nehmen den Klimawandel ernst. Wir stellen Veränderungen fest, die in der Natur sich abspielen und die sich dann aber auch auf die menschliche Gesundheit reflektieren. Und da wir beim Polleninformationsdienst sind, interessieren wir uns eben besonders für die allergischen Erkrankungen. Und ich denke, wir sprechen hier insbesondere vom Heuschnupfen, der ja Millionen von Menschen in Deutschland heimgesucht hat.
Welty: Ab wann genau spricht denn der Mediziner überhaupt von einer Allergie?
Bergmann: Von einer Allergie sprechen wir dann, wenn der Körper auf Stoffe reagiert, die er einatmet oder die er isst oder die auf die Haut kommen, und wenn man dann Antikörper nachweisen kann, sagen wir mal gegen Gräserpollen oder gegen Katzenhaare, und die dann eben beim Kontakt mit dem Körper zu typischen Symptomen führen. In der Regel ist immer ein Juckreiz dabei.
Also, der Heuschnupfen ist ja gekennzeichnet durch einen Juckreiz der Nase, durch Niesen, durch ein Schließen der Nase oder eine verstopfte Nase auch, oder in den Augen haben wir Juckreiz und Augentränen. Oder der Asthmatiker hat dann einen trockenen Husten und hat eine Verengung der Bronchien, die sich dann als Luftnot bemerkbar macht. Also, die Allergien haben an den verschiedenen Organen sehr typische Symptome, typische Krankheitszeichen.

Früherer Pollenflug und höhere Allergenkonzentration

Welty: Besonders fies ist es, wenn es so ganz hinten im Hals juckt und man da nicht drankommt, um zu kratzen!
Bergmann: Richtig, ja.
Welty: Wenn wir mal beim Heuschnupfen bleiben, welche Rolle spielt denn da der Klimawandel genau?
Bergmann: Der Klimawandel – und wir meinen damit auf der einen Seite die gestiegenen Temperaturen und auf der anderen Seite meinen wir auch die erhöhte Konzentration an Kohlendioxid –, diese beiden Faktoren haben dazu geführt, dass einige Pflanzen – und hier sprechen wir insbesondere von den Bäumen, aber auch von Kräutern, zum Teil von Gras –, die führen dazu, dass die Birke oder die Haselnuss früher im Jahr die Pollen freisetzen. Das ist also eine zeitliche Veränderung. Und auf der anderen Seite auch, dass sie Allergene teilweise verändert, indem sie noch stärker reagieren, das heißt, ihre Konzentration zugenommen hat. Und als Drittes, wenn ich noch das sagen darf, …
Welty: Bitte!
Bergmann: … ist das dann noch die Kombination der Pollen mit Faktoren in der Luft, die durch Klimawandel entstanden sind, also durch mehr Feinstaub beispielsweise in den Städten, die durch die erhöhten Temperaturen ausgelöst werden.

Städter sind stärker betroffen

Welty: Wenn Sie sagen: in den Städten, ist es dann so, dass die Menschen in den Städten stärker betroffen sein werden? Wobei man ja eigentlich vermuten würde, Menschen auf dem Land sind stärker betroffen, weil dort eben mehr Natur und mehr Pollen sind.
Bergmann: Ja, aber es ist nicht so. Es werden bedeutend mehr Menschen in der Stadt krank als auf dem Land. Das hat wenigstens zwei Gründe. Auf der einen Seite ist es so, dass Menschen, die auf dem Lande groß werden, grundsätzlich eine geringere Neigung haben, Allergien zu entwickeln.
Stau in der Innenstadt von Frankfurt
Stau in der Innenstadt von Frankfurt: Auch die hohe Feinstaubbelastung trägt zur Zunahme von Allergieerkrankungen bei.© imago stock&people
Und dass auf der anderen Seite in der Stadt die Menge an Pollen durchaus zum Teil höher ist als auf dem Lande und auf der anderen Seite dann in der Stadt die Pollen, die eingeatmet werden, zugleich eingeatmet werden mit Partikeln in der Luft wie zum Beispiel Dieselpartikel oder erhöhten Ozonwerten oder mehr Feinstaub in der Stadt.
Und die Kombination von Pollen und Feinstaub oder Kombination von Pollen und Dieselpartikeln, die führen zu mehr klinischen Beschwerden, die führen zu stärkeren Reaktionen als die saubere, kleine, einfache, natürliche Polle.

Gibt es bald das ganze Jahr Heuschnupfen?

Welty: Es gibt Einschätzungen, die sagen, ein Heuschnupfen dauert demnächst das ganze Jahr. Und allein die Zahl der Menschen, die auf Ambrosia, auf das Beifußblättrige Traubenkraut allergisch reagieren, die soll sich bis 2060 mehr als verdoppeln. Wie wollen Sie denn dieser Herausforderung als Mediziner entgegentreten?
Bergmann: Zunächst zum ganzjährigen Verlauf. Damit ist Folgendes gemeint: Man hat ja einen Heuschnupfen entweder durch die Bäume, das sind die ersten Pollen im Jahr, die begannen früher im Februar und beginnen heute oft schon Ende Dezember der Jahre. Dann folgen die Gräserpollen über den Sommer und die Kräuter dann im Herbst.
Und nun ist es so, dass die Bäume also früher beginnen zu fliegen, und die Kräuter wie zum Beispiel Beifuß fliegen länger, zum Teil bis in den November hinein. Und wenn man nun gegen alle drei Pollenarten empfindlich ist, dann hat man eben von, sagen wir mal, Ende Dezember bis in den November hinein Pollen in der Luft und damit auch die Symptome. Das ist damit gemeint. Wenn ich aber nur gegen Gräserpollen allergisch bin, dann habe ich nur im Sommer – Mai, Juni, Juli, August – meine Beschwerden.

Größtes Problem: Ambrosia

Welty: Noch mal die Frage: Es ist ja wahrscheinlich, dass dann viele Menschen zusätzlich oder mehrfach in der Praxis ausschlagen werden!
Bergmann: Ja, das ist ja auch leider so. Wenn man betroffen ist und einen Allergologen aufsucht oder bei uns an der Charité ist, dann ist das wahnsinnig voll oft. Und es ist so wie Sisyphos: Man arbeitet ständig gegen immer mehr Patienten an. In der Tat …
Welty: Arbeiten Sie auch an gegen immer mehr Pflanzenarten, vor allen Dingen auch Pflanzen, die bislang in Deutschland nicht heimisch waren?
Bergmann: Nun, also, die größte Rolle ist die Ambrosia, die Sie schon erwähnt haben. Und da gibt es in den verschiedenen Regionen Bekämpfungsmaßnahmen. In Berlin haben wir beispielsweise die sogenannten Ambrosia-Scouts, das sind Ein-Euro-Jobber, die durch Berlin gehen und die Pflanzen herausreißen.
Eine Beifuß-Ambrosiapflanze
Eine Beifuß-Ambrosiapflanze © picture-alliance/ ZB - Patrick Pleul
Und es gibt Programme in Bayern, in Baden-Württemberg, ganz unterschiedlich. Der Lage Herr wird man nicht mehr in der Umgebung von Cottbus, dort gibt es kilometerweise Bestände inzwischen von dieser Pflanze und man hat fast aufgegeben, die herauszureißen. Also, es ist unterschiedlich verteilt in Deutschland, wie viele dieser Pollen wir in der Luft haben.
Welty: Ein Heuschnupfen ist kein Spaß und könnte aufgrund des Klimawandels demnächst auch ganzjährig auftreten. Davor warnt Professor Karl-Christian Bergmann, Leiter der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Haben Sie herzlichen Dank!
Bergmann: Gerne, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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