Herz-Schmerz aus Schweden

18.01.2008
Der Roman war 1933 ein Skandal in Schweden und wurde ein Bestseller. Das Bild, das Moa Martinson vom harten Leben der Frauen auf dem Lande gibt, ist grausam. Ihr sozial-realistisches Heimatbuch ist regressive Herz-Schmerzliteratur aus dem Land August Strindbergs und Ingmar Bergmans.
Als Moa Martinsons Roman "Frauen und Apfelbäume" 1933 in Schweden erschien, waren Entsetzen und wollüstige Neugier groß. Denn Moa Martinson beschrieb das Leben der ländlichen Bevölkerung, ihren Kampf ums Überleben, ihre sexuellen Begierden und sogar, empörend, eine Geburt in einer Kammer, wobei die Gebärende ohne Hilfe und ganz auf sich allein gestellt ist. Das Buch war ein Skandal und wurde ein Bestseller.

Das Bild, das die 1890 geborene Autorin vom Schweden der zwanziger Jahre gibt, ist grausam wie ein Märchen. Auf einsamen Bauernhöfen leben eigensinnige Männer, die hungern, um ein Haus für die Nachkommen bauen zu können, und Frauen, die Kinder von Männern Kinder gebären müssen, die sie nicht heiraten können, weil diese im Gefängnis sitzen, abgehauen sind oder Branntwein saufen. Die Frauen wissen, dass sie auf sich selbst gestellt sind.

Moa Martinson, die das Elend aus eigener Anschauung kannte, wusste, wovon sie schrieb. Und sie tat es mit Inbrunst. Sofi, die Urmutter ihrer Geschichte, gestattet sich einmal in der Woche ein heißes Bad und verstößt mit diesem Luxus gegen das Verbot ihres geizigen und bigotten Mannes. Eigensinn, Mut und Wut auf sich selbst und ihren Bauch, der 15 Kinder getragen hat, bringen Sofi dazu, sich das Leben zu nehmen. In die Schilderung von Sofis hochdramatischem Leben sind Beschreibungen der schwedischen Wälder, mondbeschienener Moore, des Regens und des Schnees eingeblendet.

Moa Martinson beschreibt das Leben in einer Gemeinschaft, die ihre Mitglieder genauestens beobachtet und Abweichungen von der Norm mit übelster Nachrede bestraft. In "Frauen und Apfelbäume" wird neben Sofis auch Sallys und Ellens Geschichte erzählt. Freundinnen, die ihr hartes Leben auf benachbarten Höfen führen, sich gegenseitig beistehen, jede eine Schönheit. Sally ist belesen, weil sie einem Lumpensammler Bücher abgenommen und in ihrer Kammer wie einen Schatz aufbewahrt hat, Ellen ist edel und tüchtig.

Man mag kaum glauben, dass dieses an Mutterblut, Glück und Sorge, an männlichen Brutalitäten und Landschaftsschwärmereien überreiche Buch noch 1933 einen Skandal auslöste. Moa Martinson war eine Traditionalistin. Ihr sozial-realistisches Heimatbuch ist regressive Herz-Schmerzliteratur aus dem Land Strindbergs und Igmar Bergmans. "Frauen", lässt Moa Martinson den Bauern vom Videhof sagen, "sind wirklich unbegreiflich. Sie sind weder verrückt noch gescheit, es gibt kein Wort, um sie zu beschreiben". Moa Martinson wollte den Frauen und ihrer heroischen Energie ein Denkmal setzen.

Rezensiert von Verena Auffermann

Moa Martinson. Frauen und Apfelbäume.
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Roman.
Atrium Verlag, Zürich. 2007. 288 Seiten. 19.90 Euro.