Herero-und Nama-Kongress

"Wir werden kämpfen bis die Gerechtigkeit siegt"

Von Axel Schröder · 07.04.2018
Bis heute gibt es keine offizielle Entschuldigung einer deutschen Bundesregierung für den Genozid an den Herero und Nama Anfang des 20. Jahrhunderts. Über Entschädigungszahlungen wird auch nicht geredet. Damit Bewegung in diese Debatte kommt, fand in Hamburg nun eine zweitägige Konferenz statt.
Ausgerechnet im prächtigen Kaisersaal des Hamburger Rathauses, benannt nach einem der wichtigsten Protagonisten der deutschen Kolonialgeschichte, nach Kaiser Wilhelm II., fand der Senatsempfang für die Vertreter der Herero und Nama statt. Die Begrüßung übernahm Kultursenator Carsten Brosda und bekannte sich gleich zu Beginn zur Verantwortung der Hansestadt gegenüber beiden Volksgruppen.
"I can only ask you for your forgiveness for our city’s participation in the suffering caused to your forebears and your people in the name of the German people whose devastating consequences are still felt to this day!"

Hamburg hat besonders von deutscher Kolonialpolitik profitiert

Eine offizielle Entschuldigung der deutschen Bundesregierung steht bis heute aus. Aber genau für eine solche Entschuldigung und für Verhandlungen über Entschädigungszahlungen werden beide Gruppen weiter kämpfen, erwiderte Esther Muinjangue, die Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committee:
"We have an Herero-word that says: ‚Kan ton dema‘. It means: they did not succeed, here we are. And we will continue. And for that I can give you the assurance that we will continue fighting until justice prevails."
Dass die Freie und Hansestadt in besonderer Weise von der Kolonialpolitik des Deutschen Reichs profitiert hat, ist mittlerweile gut erforscht. Mit dazu beigetragen hat Professor Jürgen Zimmerer von der Forschungsstelle "Hamburgs (post-)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung":
"Der entscheidende Punkt ist, dass tatsächlich die Militärunternehmungen in Südwestafrika über Hamburg anliefen. Die Woermann-Linie, das ist eine Reederei, in Hamburg ansässig, hatte sich 1903 das Monopol auf alle Truppentransporte nach Deutsch-Südwestafrika sichern lassen. Und 1904, mit Kriegsausbruch, im Januar, waren die im Grunde genommen dick im Geschäft. Und das bedeutet, dass die auch sehr viel Geld verdient haben. Aber das tatsächlich 90-95 Prozent aller Truppen, aller Versorgungsgüter, aller Tiere hier über den Hamburger Hafen ausgeschifft wurden."

Gedenksteine erinnern nur an gefallene deutsche Soldaten

Und daneben profitierten Hamburger Händler von den aus Deutsch-Südwest stammenden Waren, die dann ins gesamte Kaiserreich weiterverkauft wurden. Die Forschungsstelle von Jürgen Zimmerer gibt es seit drei Jahren, für die nächsten fünf ist ihre Finanzierung gesichert. Insgesamt stellt der Hamburger Senat dafür rund eine Million Euro zur Verfügung.
Die Forschungsstelle soll Hamburgs Rolle in der Kolonialgeschichte historisch aufarbeiten. In einem zweiten Schritt würde dann zum Beispiel über die Umbenennung von Plätzen, Straßen und Gebäuden nachgedacht. Gerade erst wurde am einstigen Wohnhaus von Lothar von Trotha eine Plakette angebracht, die erklärt, dass hier der Mann lebte, der den Befehl zur Vernichtung der Herero und Nama gegeben hat:
"Für von Trotha gibt es erst seit zwei Wochen überhaupt eine Tafel, die darauf hinweist, dass er im Grunde genommen am Genozid beteiligt war. Für alle anderen fehlt die noch. Und auch im Michel zum Beispiel gibt es ja einen Gedenkstein für die Gefallenen der Kriege in China und in Afrika. Es wird nur an die gefallenen deutschen Soldaten erinnert. Kein Wort zur Kontextualisierung, kein Wort, dass es auch Opfer auf afrikanischer oder chinesischer Seite gab."
Herero- und Nama-Gefangene um 1904 im heutigen Namibia.
Herero- und Nama-Gefangene um 1904 im heutigen Namibia.© afp / National Archives of Namibia

Konfiszierte Ländereien immer noch in der Hand von Weißen

Den weiten Weg von Namibia nach Hamburg hat auch der so genannte Chief der Nama auf sich genommen. Petrus Simon Kooper ist ein alter Mann, trägt einen knallroten Hut, ein rotes, ausgewaschenes Uniform-Jackett. Er erzählt davon, dass die Ländereien, die die Deutschen vor über einhundert Jahren konfisziert haben, noch immer in der Hand von Weißen seien. Es müssten endlich Lösungen, ein Ausgleich gefunden werden. Und das gelte auch für die einst nach Deutschland verschifften Leichenteile:
"My chiefs name was Manasse Noreseb. And after he had been killed, he was beheaded, his head taken off! And then, his head was taken over to Germany."
Einer dieser Totenschädel lagert heute in der medizinhistorischen Sammlung des UKE, des Uni-Klinikums in Hamburg-Eppendorf. Chief Kooper und seine Mitstreiter waren Anfang der Woche im UKE zu Gast. Als er den Schädel sah, erzählt er, liefen ihm die Tränen. Hamburgs Kultursenator will dieses Thema angehen. Möglichst schnell.
"Das ist etwas, das wollen alle! Uns fehlen noch die Möglichkeiten, das tatsächlich umzusetzen, weil das internationale Recht da manchmal komplex ist. Aber das ist etwas, das wir dringend lösen müssen. Human Remains haben in Museen nichts verloren. Sie gehören ordentlich bestattet von den Nachfahren der Toten und Verstorbenen."
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