Herbert Fritschs Stück "der die mann" in Peking

Ein schrilles Volksbühnen-Feuerwerk in Peking

Szene aus der Uraufführung des Stücks "der die mann" an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin am 18.02.2015; Regie und Bühne: Herbert Fritsch
Funktioniert auch in China: der Humor von "der die mann" © dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Von Axel Dorloff · 08.06.2017
Herbert Fritschs absurd-komische Inszenierungen funktionieren offenbar auch in China. Im Rahmen des deutsch-chinesischen Theateraustausches war seine Berliner Volksbühnen-Inszenierung "der die mann" jetzt in Peking zu sehen. Einige Zuschauer hätten sich allerdings "mehr Handlung" gewünscht.
"Oooooo Aaaaaa"
Manchmal funktioniert Komik und Wortakrobatik auf der Bühne ganz unabhängig von der Muttersprache des Publikums. Wenn sieben Schauspieler in braun-beigen Einheitsanzügen und Beatles-Pilzköpfen o-o-o und a-a-a schmettern, dann kann es in diesem Moment ganz egal sein, ob man sich als deutscher Muttersprachler in der Volksbühne am Rosa-Luxemburgplatz in Berlin befindet – oder als Chinese im Tianqiao-Theater in Peking.
"Oooooo Aaaaaa"
Das Publikum lacht, das Publikum applaudiert. Und es ist durchaus keine für jeden zugängliche Theaterkost, die die Volksbühne Berlin mitgebracht für das Theatertreffens in China hat. "der die mann" nach Konrad Bayer – inszeniert von Herbert Fritsch. Weil es im Chinesischen keine unterschiedlichen Artikel gibt, heißt es Ta Ta Ta.
"Suchen Sie nicht nach einer Handlung und versuchen Sie nicht, den Text zu verstehen", heißt es in der kleinen Einleitung. Und dann folgt ein schrilles Volksbühnen-Feuerwerk auf der Theaterbühne in Peking. Und viele chinesische Zuschauer lassen sich drauf ein.
"Auch wenn ich es nicht verstehe, die Sprache hat Rhythmus und die Musik ist irgendwie avantgardistisch. Viel elektronische Musik. Die Bühne ist bunt und erinnert an Bauhaus. Ich finde das toll!"
"Der ganze Stil ist erfrischend. Das Bühnenbild, der Einsatz von Licht. Einfach super. Man sieht, dass die Schauspieler absolute Profis sind. Und es kommt eher wie Comedy daher. Mit einer Sprache, die so unterschiedliche Rhythmen hat."
Regisseur Herbert Fritsch musste seine China-Reise krankheitsbedingt absagen. Aber seine Mannschaft brilliert auch ohne ihren Chef. Sieben Schauspieler: mal in knallbunten Gummi-Latex-Anzügen, mal im Boxer-Dress, mal im Beatles-Look. Eine Überhöhung der Kostüme, des Lichts, der Gestik, der Mimik und der Musik.

Es kommen die, die ohnehin empfänglich sind

Natürlich kommen an diesem Abend in Peking diejenigen, die empfänglich für Theater, für Kunst und Kultur sind. Die 23-jährige He Yu studiert Regie am Drama-Institut in Peking.
"China hat so etwas wie 'der die mann' auch, aber versteckt auf kleinen Bühnen. Unser staatliches Theater ist normalerweise eher konservativ und würde so eine Form nicht wählen. Die Körpersprache der Schauspieler ist sehr attraktiv. Von dieser Körperlichkeit auf der Bühne können wir etwas lernen. In China sind wir da noch sehr traditionell."
Auch darum geht es: Kulturaustausch, die breite Palette der deutschsprachigen Theaterproduktionen zeigen. Im besten Fall in China Impulse setzen. Es gibt bei "der die mann" keinen durchgängigen Text, der eine Handlung hat, sondern viele Wortspielereien und Wortmalereien.
Der Theatersaal im Tianqiao-Theater Peking ist fast komplett gefüllt. Das chinesische Publikum ist überwiegend jung. Und es gibt auch Irritationen. Warum gerade "der die mann"? Warum so eine experimentelle Form und keine klassische Inszenierung?

"Vielleicht wäre etwas Normaleres besser gewesen?"

He Yu:
"Das Stück ist ok, aber ich hätte gerne ein Stück mit Handlung gehabt. Ich bin sehr überrascht, dass das Berliner Theater-Treffen gerade dieses Stück nach China schickt. Vielleicht wäre ein etwas Normaleres besser gewesen, das vom Publikum eher verstanden wird."
China hat auch dieses Jahr ein Berliner Theatertreffen in Miniaturformat zu Gast. Bis zum 15. Juli gibt es Workshops, Gespräche und Foren, alles in Kooperation mit dem Goethe-Institut China. Dabei werden in Peking zwei Stücke vom Theatertreffen 2016 gezeigt.
Nach "der die mann" kommt Anfang Juli noch das Badische Staatstheater Karlsruhe mit dem Stück "Stolpersteine Staatstheater" von Regisseur Hans-Werner Kroesinger. Heute Abend wird aber zunächst zum zweiten Mal "der die mann" im Tianqiao-Theater in Peking aufgeführt. Weil die Volksbühne in eine andere Zukunft unter einem neuen Intendanten aufbricht, wird das ein ganz besonderer Moment, sagt Rolf Krieg von der künstlerischen Leitung der Berliner Volksbühne.
"Es wird einen hoffentlich schönen Moment geben, weil wir die Vorstellung geschafft haben, weil wir dieses Gastspiel hier gestemmt haben. Aber einen sehr, sehr, sehr, sehr traurigen Moment geben, weil es das allerletzte Mal sein wird – ich bekomme jetzt schon wieder eine Gänsehaut – dass dieses Stück, dass so erfolgreich war und so unheimlich viele Preise gewonnen und Aufmerksamkeit erregt hat, dass dieses Stück gezeigt wird. In unserem Plan steht drin: der die mann – zum allerletzten Mal. Punkt."
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