Her mit der Bodensteuer

Zur Wiederkehr der neuen alten sozialen Frage

Grundstuecksvermessung
Ein Problem fehlender Wohnungen: Es sind nicht genügend Baugrundstücke verfügbar. © imago/JOKER/ErichxHäfele
Von Dirk Löhr · 29.08.2018
Seit der Finanzkrise ist der Grund- und Boden als vermeintlich sicheres Anlageobjekt Ziel der großen Investmentfonds geworden. Der Gesetzgeber sieht dem tatenlos zu. Das sollte sich ändern, sagt Wirtschaftswissenschaftler Dirk Löhr.
In den deutschen Großstädten explodieren die Mieten und Immobilienpreise. Das Problem ist offensichtlich: Es gibt zu wenig bezahlbare Wohnungen.
Dabei fehlt es nicht an Willen und Geld, neue Wohnungen zu bauen. Das wichtigste Hindernis sind die Engpässe auf dem Bodenmarkt; es sind einfach nicht genügend Baugrundstücke verfügbar. Die hochschießenden Bodenerträge und Bodenwerte der letzten Jahre sind denn auch der eigentliche Grund für den Anstieg der Mieten und Immobilienpreise. Seit Beginn der aktuellen Niedrigzinsphase in 2010 ging der Anteil der Kapitalerträge am Volkseinkommen immer weiter zurück. Davon profitierten aber nicht die Arbeitnehmer, sondern die Bodeneigentümer. Mittlerweile dürften die Bodenerträge die Kapitalerträge in ihrem Volumen deutlich überholt haben.

Die öffentliche Hand schafft den Bodenwert

Doch wer schafft eigentlich die Bodenerträge und die Bodenwerte? Dies sind nicht die Eigentümer der Grundstücke. Es ist vielmehr die Öffentlichkeit, mit Leistungen wie z.B. Planung und Infrastruktur. Nicht zufällig stiegen z.B. in den letzten Jahren in Berlin die Mieten und Immobilienpreise gerade um den S-Bahn-Ring besonders stark an. Wer finanziert die öffentlichen Leistungen? Die Last tragen v.a. Arbeitnehmer und Verbraucher, v.a. über Steuern. Und wer profitiert? Der größte Teil der Bodenerträge und Bodenwerte kommt einer Minderheit zugute. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen mehr als 60 Prozent des Nettovermögens. Der Löwenanteil ihres Vermögens besteht aus Immobilien – an guten Standorten, mit hohen Bodenwerten.

Grundeigentum genauso barbarisch wie die Sklaverei

Das alles kann man ändern. Wie, hat der amerikanische Bodenreformer Henry George bereits Ende des 19. Jahrhunderts aufgezeigt. Seine Idee: Die Bodeneigentümer sollen für die erhaltenen Vorteile bezahlen. Eigentlich lehnte er das Privateigentum an Grund und Boden grundsätzlich ab. Dieses Rechtsinstitut war für ihn genauso barbarisch wie die Sklaverei. Die Ablehnung des Privateigentums an Boden wurde übrigens auch von anderen liberalen Ökonomen geteilt, wie z.B. von Herrmann Heinrich Gossen, Léon Walras und dem "Erzvater des Liberalismus", John Stuart Mill.

Das Privateigentum entkernen

Allerdings war Henry George Realist: Die Abschaffung des Privateigentums an Boden war und ist nicht durchsetzbar. Daher wollte er das Privateigentum an Boden nur wirtschaftlich "entkernen" - und die Bodenerträge und Bodenwerte zum Gemeingut machen. Das Mittel: Eine Bodenwertsteuer. Ohne Aussicht auf private Profite aus dem Boden gibt es keine Spekulation; außerdem werden die Geschehnisse auf dem Bodenmarkt wieder steuerbar. Henry George wollte aber noch mehr: Alle anderen Steuern sollten abgeschafft werden. Eine verrückte Idee? Ungefähr hundert Jahre nach dem Erscheinen seines Hauptwerkes formulierten namhafte Ökonomen, darunter der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz, das sog. Henry George-Theorem: Es zeigt, dass die Finanzierung der öffentlichen Bereitstellungsleistungen aus den Bodenerträgen tatsächlich machbar ist.

Methode in Asien erprobt

Schritte in die gezeigte Richtung wurden bereits v.a. von den asiatischen Tigerstaaten mit Erfolg unternommen – z.B. von Singapur. Singapur konnte so seine ehemalige Kolonialmacht Großbritannien innerhalb weniger Jahrzehnte wirtschaftlich überholen.
Doch auch Deutschland kann auf eine entsprechende Vergangenheit zurückblicken: Um spekulative Exzesse zu vermeiden, wurde von der Reichsmarineverwaltung unter dem Eindruck der Bodenreformbewegung in der chinesischen Kolonie Qingdao im Jahre 1898 eine Bodenwertsteuer eingeführt. Sun Yat-sen, der sowohl in der Volksrepublik wie auch in Taiwan als Gründer des modernen China hoch verehrt wird, war hiervon so angetan, dass er das Regime auf ganz China übertragen wollte. Dieser Plan wurde allerdings durch seinen frühen Tod und den einsetzenden Bürgerkrieg vereitelt.

Entlastung von Arbeit und Verbrauch

Mit der anstehenden Grundsteuerreform hat Deutschland aber die Chance, an die Land- und Steuerordnung von Qingdao anzuknüpfen, was heißt: Entlastung von Arbeit und Verbrauch, dafür eine höhere Besteuerung der Nutzung von Land und natürlichen Ressourcen.

Dirk Löhr ist Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomikan der Universität Trier. Er hat zahlreiche und Bücher zu den Themen Eigentumsrechte, Rentenökonomie, Land Use Management und Grundsteuer veröffentlicht.



Wirtschaftswissenschaftler Dirk Löhr
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