Helene Hegemann über ihren Roman "Bungalow"

"Die Armen blicken aus den Küchenfenstern auf die Reichen"

Helene Hegemann steht an einem Gesprächspult und spricht mit dem Moderator
Die Schriftstellerin Helene Hegemann bei der Frankfurter Buchmesse 2018 © David Kohlruss
Moderation: Frank Meyer · 11.10.2018
Mit ihrem dritten Roman "Bungalow" vollzieht die Berliner Autorin Helene Hegemann einen Milieuwechsel: Ihre Geschichte zwischen Arm und Reich ist vom Hansaviertel in Berlin inspiriert.
Ihr dritter Roman "Bungalow" handelt von einem "Mädchen, das jederzeit mit der schlimmstmöglichen Katastrophe zu rechnen gelernt hat", sagte Helene Hegemann im Deutschlandfunk Kultur. Das Mädchen befinde sich in einem "Zustand der Tyrannei der Ungewissheit, einer Tyrannei der Erwartung".
Hegemann schildert in dem Roman extreme Armut im Angesicht extremen Reichtums. Manche Passage könnte man dabei auch für parodistisch halten: "Ich versuche, in der detaillierten Schilderung von bestimmten Monstrositäten auch Humor zu finden, weil man ohne den im Leben ja auch nicht zurechtkommt."

16 Bungalows für die Reichen

Im Vergleich zu Hegemanns vorangegangenen Romanen "Axolotl Roadkill" und "Jage Zwei Tiger" fällt der Wechsel des gesellschaftlichen Milieus auf, in dem der Roman angesiedelt ist. Als Vorbild für den Spielort diente Hegemann das Anfang der 50er-Jahre zur Weltarchitekturausstellung errichtete Hansaviertel in Berlin, dessen Gegebenheiten sie besonders reizten:
"Das Viertel sieht so aus, dass ich mich bis heute frage, warum das noch nicht für einen Sat.1-Dreiteiler über den Abgrund zwischen gesellschaftlichen Schichten missbraucht wurde. Dabei bietet es sich dafür gut an: In der Mitte befinden sich 16 Bungalows, totale Ausnahme-Immobilien, die auch irrsinnig viel kosten. Darin lebt die reiche Kultur-Elite. Drumherum sind sechs- bis zehnstöckige Zeilenbauten, eingerahmt wird das Ganze von vier Hochhäusern als Eckpfeiler.
Das heißt, die Armen schauen aus dem zehnten Stock von ihrem Küchenfenster aus auf die Reichen und auf das, was sie in der kapitalistischen Logik gerne hätten. Und andersrum verhält es sich genauso: Die Reichen müssen sich die ganze Zeit die Parkplätze mit denen teilen, die sie vermeintlich um das beneiden, was sie haben. Und trotzdem gibt es da eine Art von performter friedlicher Koexistenz, die ich als Setting für diese Art von Geschichte extrem interessant fand."

Ein Hauch von Weltuntergang

Den Roman durchzieht eine apokalyptische Grundstimmung. Hegemann entschied sich dafür, weil sie "über eine gut abgewogene Sozialabhandlung hinaus wollte. Und weil ich das alles auch gar nicht als so weit hergeholt empfinde. Ich war vor kurzem in Portland und da durfte man wirklich nicht auf die Straße wegen zu hoher Ozonwerte." (thg)
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