Helen Macdonald: "Falke"

Könige der Lüfte

Ein erwachsener Wanderfalke (Falco Peregrinus) fliegt am 16.05.2013 über der City von Leipzig (Sachsen)
Ein erwachsener Wanderfalke in der Stadt © picture alliance / dpa / Sebastian Willnow
Von Susanne Billig · 30.03.2017
Falken gehören zu den faszinierendsten Vertretern der Greifvogelfamilie. Blitzschnell und wendig, ausgerüstet mit messerscharfem Blick und ebensolchen Krallen. Sind sie hungrig werden sie zu geschickten Jägern und diese Eigenschaft nutzt der Mensch seit Jahrhunderten.
Seine tödlichste Waffe ist seine Geschwindigkeit: wenn ein Falke auf seine Beute niederschießt, stirbt das Opfer durch die schiere Wucht des Aufpralls. Schon seit langem sind Menschen von den rasanten Jägern fasziniert, erzählt die britische Autorin Helen Macdonald in ihrem Sachbuch "Falke".

Das schnellste Tier auf der Erde

Schnelligkeit, Jagderfolg, Schönheit und Intelligenz machen das Tier einzigartig. Dazu kommt seine spröde Bereitschaft, mit dem Menschen Allianzen einzugehen. Doch man täusche sich nicht, so die Autorin: Was der Mensch als Zähmung interpretiert, ist aus Sicht des Vogels schlicht erfolgreiches Jagdverhalten. Nur weil die Futterbilanz stimmt, kehren Falken zum Falkner zurück.
In einer atemberaubenden Szene gleich zu Beginn ihres Buches lässt Helen Macdonald ihre Leserinnen und Leser fühlen, was es heißt, das schnellste Tier zu sein, das auf der Erde jemals existierte.
Sie erzählt von einem Wanderfalken, der darauf trainiert wurde, sich aus einem Flugzeug aus fünf Kilometern Höhe im freien Fall in die Tiefe zu stürzen, an seiner Seite ein Kameramann, der mit Hilfe eines Speedsuits versuchte, eine ähnliche Sturzgeschwindigkeit wie der Falke zu erreichen.

Rasante Jäger der Lüfte

Die Filmaufnahmen ließen anschließend erkennen, wie das Tier seinen rasanten Flug bewerkstelligte: Es vergrub den Kopf tief zwischen den Schlüsselbeinen, presste die Füße an den Körper und wirkte wie eingeschweißt, während es seine Regentropfen-Form mit hauchfeinen Bewegungen immer aerodynamischer werden ließ. Mit 320 Kilometern pro Stunde schoss der Falke davon – der Kameramann konnte nur noch hinterher filmen.
Persönliche Erlebnisse, so hautnah geschildert, dass man meint, im Moment des Lesens selbst dabei zu sein, reichlich Wissen aus der Biologie, Ausflüge in die Kulturgeschichte und gefühlvoll eingefärbte philosophische Reflexionen, dazu eine liebevolle Gestaltung mit farbig abgesetzter Typografie, Schwarzweißfotos und Kunstreproduktionen – das ist die Mischung, aus der Helen Macdonald ihre mitreißenden Bücher macht und die ihr für das Vorgängerbuch "H wie Habicht" zahlreiche Preise einbrachte.

Nicht nur für Könige

Der blütenweiße "Gerfalke" als Geschenk für Königshäuser, die Leidenschaft arabischer Falkner für ihre Jagdvögel, grausame Fallen und Transporte, der Tribut, den der wilde Räuber an die Vernarrtheit der Menschen zahlen musste, von Militärs abgerichtete Falken, die Brieftauben des Feindes vom Himmel holten und Rollbahnen von Hasen freihielten, und die erstaunlichen evolutionären Beziehungen der Tiere, die den Greifvögeln ferner stehen als Eulen und Papageien – das fließt bei Helen Macdonald so kurzweilig ineinander, dass Übergänge nicht zu spüren sind.
Hart schildert sie, wie das Pflanzenschutzmittel DDT die Schalen der Falken-Eier so dünn werden ließ, bis sie unter dem Gewicht der brütenden Weibchen zerbrachen. Manche Falkenarten starben deshalb beinahe aus. Heute sind die Großstädte ein Refugium, in dem der pfeilschnelle Vogel überlebt: Die Häuser werden ihm zum hohen Felsen und die schmutzigen Straßenzüge mit ihren Ratten zur Schlucht, durch die er jagt.

Helen Macdonald: "Falke – Biographie eines Räubers"
Aus dem Englischen von Frank Sievers
C.H. Beck, München 2017 240 Seiten
71 Abbildungen, 19,95 Euro

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