Helado Negros Album "Far In"

Von der texanischen Wüste inspiriert

06:12 Minuten
Sonnenaufgang im Big Bend National Park in Texas
Die Weite der Wüste: Inspiration für „Helado Negro“. © imago images / Adam Woodworth
Von Mathias Mauersberger  · 21.10.2021
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Auch abseits des Mainstreams machen Musiker lateinamerikanischer Herkunft auf sich aufmerksam. So wie Roberto Carlos Lange mit seinem Projekt „Helado Negro“. Das neue Album "Far In" beschäftigt sich mit dem Klimawandel und der Liebe zur Natur.
"Dieses Album handelt von der Beziehung zur Erde. Während ich die Stücke geschrieben habe, machte ich viele Naturerfahrungen, die man wohl als spirituell bezeichnen kann. Auch das Erleben des Klimawandels hat sich auf die Stimmungen niedergeschlagen, die ich mit diesem Album festgehalten habe."

Gebremster Höhenflug

2020 hätte das Jahr von Roberto Carlos Lange und seinem Projekt "Helado Negro" werden können. Das im Vorjahr erschienene Album "This Is How You Smile" war von der Kritik gefeiert worden, zwei wichtige US-Stiftungen hatten "Helado Negro" mit hoch dotierten Stipendien gefördert.
Im März 2020 reiste Lange mit Ehefrau Kristi Sword, einer Bildenden Künstlerin, nach Marfa, Texas. Zwei Wochen sollten sie an einem Multimedia-Projekt arbeiten. Aber dann brach die Corona-Pandemie aus.
"Marfa ist von größeren Städten weit entfernt. Der nächste Flughafen befindet sich in El Paso, das sind fünf Stunden mit dem Auto. Als wir in Marfa ankamen, begann gerade der Lockdown. Flüge wurden gestrichen. Wir waren echt ziemlich weit draußen."

Entschleunigung in der Wüste

Sechs Monate verbrachte Roberto Lange schließlich in Südwest-Texas, schrieb in einem lokalen Tonstudio Musik für das neue Album "Far In". Die Stücke sind in der akutesten Phase der Pandemie entstanden, in einer Zeit existenzieller Verunsicherung. Sie handeln von Zweisamkeit und der Heilkraft der Natur.
"Ein Stück wie 'Wind Conversations' hätte ich wohl nie geschrieben, wenn ich nicht in dieser fremden Umgebung und neuen Situation gewesen wäre. Ich singe von einem Baum, unter dem meine Frau und ich immer saßen, um Mittag zu essen. In einem Park mitten in der Wüste. In der Wüste zu sein, vermittelt ein unglaubliches Gefühl der Weite: Es gibt deiner Vorstellungskraft Raum."
"Aguas Frías", die kalten Gewässer. "La Naranja", die Orange. "Aureole", der Lichtkranz. Wenn man nicht wüsste, unter welchen Umständen die neuen Stücke von "Helado Negro" entstanden sind, man könnte sie glatt für kitschig oder weltfremd halten.
Die Natur der texanischen Wüste und die Pandemie-bedingte Entschleunigung haben "Far In" auch klanglich geprägt: Wie ein langer Lockdown-Sommertag fließen die Tracks vor sich hin, klingen warm und ein wenig unentschlossen.

Aus Ecuador in die USA

Immerhin: In "Outside the Outside" geht es um ein Thema, das Lange immer wieder verarbeitet: die eigene Biographie, als Kind ecuadorianischer Immigranten. "Meine Familie und deren Freunde kamen aus Ecuador neu in die USA. Gleichgesinnte fanden sie vor allem unter den anderen Neuankömmlingen. Ich bin in den USA geboren, gehöre also offiziell von Geburt an dazu. Aber ich fühlte mich dadurch wiederum der Kultur meiner Eltern gegenüber 'außen vor'. Die ständige Entwicklung von 'in' zu 'out', von drinnen zu draußen, untersucht dieser Song."
Frühere Stücke von "Helado Negro" heißen "It’s my brown skin" oder "Young, Latin and Proud", eine Anspielung auf einen Klassiker von Nina Simone. "Helado Negro" brachte damit das Lebensgefühl vieler Latinos und Latinas in den USA auf den Punkt: jung, gut ausgebildet, trotzdem benachteiligt.

Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit

2021 singt Roberto Lange immer noch in seinen Muttersprachen Englisch und Spanisch. Aber kulturelle Differenzen oder die eigene Identität stehen nicht mehr so im Fokus. "Far In" ist ein melancholisches Elektro-Pop-Album für die Post-Pandemie. Und ein Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit.
"Wir haben jetzt alle gemeinsam die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn eine globale Katastrophe ausbricht. Das war noch machbar! Aber der Wind bläst uns weiter ins Gesicht. Dieses Album handelt davon, sich in die Natur zu verlieben. Aber auch davon, wieviel wir tief in unserem Inneren noch ändern müssen."
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