Heino wird 80

Der Mann, der sich selbst unverwechselbar machte

Der Sänger Heino mit einem Adler auf der Hand
Einer der bekanntesten Deutschen: der Schlagersänger Heino. Das Bild stammt aus dem Jahr 1996. © picture-alliance / dpa
Ingo Grabowsky im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 13.12.2018
Heino feiert heute seinen 80. Geburtstag. Er ist ein echtes Phänomen, hat seit Jahrzehnten Erfolg. Spott und Kritik an seiner Deutschtümelei perlten an ihm ab. Der Schlagerexperte Ingo Grabowsky erklärt, wie Heino es bis nach ganz oben geschafft hat.
Liane von Billerbeck: Unser Sender hat ja einen ganz weiten Kulturbegriff. Da passt auch ein Heino rein. Warum wir heute über ihn reden? Ganz einfach: Der Mann wird 80.
Für manche ist er ja längst eine Kultfigur, ganz sicher aber ist er ein Phänomen. Und Heino polarisiert. Seit über sechs Jahrzehnten steht der Mann im Rampenlicht, und zum Geburtstag läutet er seinen Abschied von den großen Bühnen ein.
Wir wollen darüber reden – Heino, Kult oder komische Nummer? – mit dem Dortmunder Historiker und Schlagerexperten Ingo Grabowsky, der seit frühester Jugend vom Schlager fasziniert war und ein Fachmann auf diesem Gebiet geworden ist. Jetzt ist er am Telefon. Schönen guten Morgen!
Ingo Grabowsky: Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Wo sehen Sie denn die Gründe für Heinos anhaltenden Erfolg?

Heino kann noch immer singen

Grabowsky: Der Grund liegt tatsächlich zum einen auf jeden Fall in der Qualität. Heino kann singen. Wenn ich das richtig höre oder richtig interpretiere, was ich da höre, kann er auch tatsächlich immer noch singen mit seinen 80 Jahren. Wenn er das nicht gekonnt hätte und nicht wirklich auch ein begabter Musiker wäre, hätte er nicht über Jahrzehnte Erfolg gehabt.
von Billerbeck: Heino als Kultfigur, so sehen ihn ja viele, dass er es geschafft hat, sich selbst zur Marke zu kreieren – lag das allein an der Sonnenbrille?
Sänger Heino bei der Eröffnung der Cranger Kirmes in Herne im August 2014.
Sänger Heino bei der Eröffnung der Cranger Kirmes in Herne: Kultfigur, Marke, einer, der es geschafft hat.© picture alliance / dpa / Ina Fassbender
Grabowsky: Die Optik hat natürlich unheimlich viel damit zu tun, dass Heino eine Marke geworden ist. Zunächst mit den blonden Haaren und dem Rollkragenpullover und der Gitarre in den 60er-Jahren. Aufgrund eines Augenleidens kommt die Sonnenbrille hinzu, die er seitdem auch trägt, auch, obwohl er mittlerweile, wenn ich das richtig weiß, kein Leiden mehr hat.

Jeder erkennt ihn sofort

Jeder erkennt Heino sofort. Man braucht nur eine blonde Perücke aufzusetzen und eine Sonnenbrille, und auf jeder Karnevalsparty wird man als Heino erkannt. Natürlich hat er damit eine Marke gesetzt, gar keine Frage.
von Billerbeck: Sebastian Zabel, der Chefredakteur der Musikzeitschrift "Rolling Stone", also der deutschen Ausgabe, der hat mal gesagt, "Heino steht in einer Weise für Deutschland wie der Loreleyfelsen oder der Harzer Käse." Womit hat er sich bitte schön so unverwechselbar gemacht?
Heino beim gemeinsamen Auftritt mit Rammstein beim Wacken Festival 2013
Heino bei einem gemeinsamen Auftritt mit Rammstein beim Heavy Metal-Festival in Wacken 2013 - zwei deutsche Pop-Phänomene gemeinsam auf einer Bühne.© imago stock&people
Grabowsky: Vielleicht gehört er ja zu Deutschland eher wie Pizza und Harry Potter, würde ich beinahe sagen. Heino ist auf jeden Fall natürlich auch ein Popphänomen wie viele andere Phänomene auch. In der Weise ist Heino, glaube ich, auch zeitgebunden.

Eingebrannt in das kulturelle Gedächtnis

Er hat sich natürlich erst mal unverwechselbar gemacht mit seinen Neuinterpretationen alter Volks- und Fahrtenlieder in den 60er- und 70er-Jahren. Das waren Lieder, die waren eingebrannt in das kulturelle Gedächtnis der mittleren und älteren Generation jener Zeit, sicher auch der Jugend.
Wenn wir zurückdenken, das war ja eine Zeit bis in die 80er-Jahre, als in den Schulen eben auch Volkslieder noch selbstverständlich gesungen wurden. Das waren also Lieder, mit denen viele Emotionen verbanden. Und Heino hat eben diese Lieder gebracht. Zum Teil waren diese Lieder natürlich auch mit der Vergangenheit enger verwoben ...
von Billerbeck: ... mit der NS-Zeit vor allem.

Mit der NS-Zeit verwoben

Grabowsky: Genau. Oder waren auch mit der NS-Zeit verwoben, zumindest wurden sie häufig auch von den Nationalsozialisten missbraucht. Heino hat aber auch Lieder gesungen, die doch in einem stark nationalistischen Kontext von Anfang an stehen.
Volksmusiksänger Heino nimmt am 9. September 1977 in einem Aufnahmestudio in Köln die deutsche Nationalhymne auf.
Heino nimmt 1977 in einem Aufnahmestudio in Köln die deutsche Nationalhymne auf.© picture alliance / dpa / Horst Ossinger
von Billerbeck: Das hat er ja relativ schnell geschafft, also von Beginn an diesen Erfolg zu haben. Wie ist er denn, der wahre, echte Heino?
Grabowsky: Ich glaube, er ist so ziemlich wie der Heino, den wir auch auf der Bühne erleben.
von Billerbeck: Sind Sie ihm denn mal begegnet?
Grabowsky: Ich bin ihm mal begegnet, aber nicht lange. Ich habe ihn als sehr sympathischen, zugewandten, offenen, kommunikativen Menschen erlebt, ein Düsseldorfer Jung' eben, der er ist.
Ich glaube, dass Heino tatsächlich viel von dem auch in Wirklichkeit ist, was er auf der Bühne repräsentiert. Natürlich, wenn er jetzt Rammstein- oder Ärzte-Lieder nachsingt, dann ist das in gewisser Weise, denke ich, eher ein Gag. Aber Heino ist mit dem Volksgut, das er auf der Bühne singt, eben tatsächlich auch authentisch.
von Billerbeck: Das wollte er ja auf eine Platte bringen, das Rammstein-Lied. Das hat ja nicht geklappt. Wenn wir uns an große Schlagerstars der Vergangenheit erinnern, dann wurden die sehr gern in ein Korsett gezwungen. Manchmal war das auch richtig tragisch, denken wir an Roy Black oder Rex Gildo. Bei Heino ist das nicht so, oder?

"Ihm wurde klar gemacht, was er zu tun und zu lassen hat"

Grabowsky: Heino hatte natürlich auch ein Korsett, ganz klar von seinem Produzenten, Ralf Bendix, der große Produzent, der Heino eben am Anfang sehr stark gefördert hat. Ihm wurde natürlich auch klar gemacht, was er zu tun und zu lassen hat.
Aber Heino kam auch noch ein bisschen aus einer anderen Generation. Er ist ja älter als Roy Black oder Rex Gildo. Und er hat diese überlebt.
Der deutsche Sänger Heino und ein Chor singen beliebte Lieder in der Lüneburger Heide.
Heino 1977 bei einem Auftritt mit Heimatliedern in der Lüneburger Heide.© United Archives/Schweigmann
Das war die Nachkriegsgeneration. Heino hatte selbst auch Fluchterfahrungen. Er hat gewusst, dass man hart arbeiten muss, das hat er zumindest erlebt bei seiner Mutter, dass man hart arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Heino hat seinen Selbstwert, glaube ich, immer stärker auch mit dem Blick aufs Konto gefunden als mit dem Blick darauf, ob er jetzt nun wirklich das singt, was er singen will.
von Billerbeck: Der Historiker und Schlagerexperte Ingo Grabowsky über das Phänomen Heino. Der wird heute 80. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Grabowsky: Ich danke Ihnen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Und in der Mediathek des ZDF, da finden Sie noch eine Doku, "Mensch Heino" heißt die. Und unser Gesprächspartner hat ein Buch geschrieben: "Die 100 Schlager des Jahrhunderts". Da finden Sie Heino auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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