Haushaltswoche im Bundestag

Ifo-Präsident für Steuersenkungen

Der Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest, posiert vor einem Schild mit der Aufschrift "ifo".
Der Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest. © picture alliance / dpa / Christina Sabrowsky
Clemens Fuest im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 06.09.2016
In komfortabler Lage beginnt der Bundestag seine Haushaltsberatungen für 2017: Die Steuereinnahmen sprudeln, der Haushalt wächst - und was tun mit dem Überschuss? Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, rät, die Steuern zu senken.
Angesichts sprudelnder öffentlicher Einnahmen plädiert der Präsident des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest für Steuererleichterungen.
"Ich würde empfehlen, jetzt die Steuern zu senken", sagt Fuest. Die Steuern seien länger nicht gesenkt worden, und gerade im unteren Einkommensbereich kämen immer mehr Menschen in höhere Grenzsteuersätze. "Ich glaube, jetzt wäre der Moment, um da ein bisschen herunterzugehen."

Die Bauwirtschaft ist "bereits ausgelastet"

Öffentliche Investitionen seien zwar auch sehr wichtig, so der Ifo-Präsident. Aber die Investitionen seien bereits stark gestiegen. "Und man kann das nicht beliebig in die Höhe ziehen." Zum einen sei die deutsche Bauwirtschaft bereits ausgelastet, weil derzeit sehr stark im Immobilienbereich investiert würde. Zum anderen herrsche in Deutschland ein Mangel an "guten öffentlichen Investitionsprojekten", sagt Fuest. "Die werden durch Genehmigungsverfahren, teilweise auch durch Widerstand von Bürgerinitiativen oft lange verzögert – denken Sie an Stuttgart 21."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Die Steuereinnahmen sprudeln, der Haushalt wächst, und das auch ohne neue Schulden. Was also tun? Steuern senken, Schulden abbauen oder investieren? Was ist volkswirtschaftlich betrachtet am sinnvollsten? Heute, zu Beginn der Haushaltswoche im Bundestag, stellt Bundesfinanzminister Schäuble ja den Entwurf des Haushalts für 2017 vor und konnte sich auch vorstellen, dass es Steuererleichterungen gibt, aber erst nach der Bundestagswahl. Was ist das Ziel? Das wollen wir jetzt Clemens Fuest fragen, er ist der Präsident des privaten Münchener ifo Instituts und jetzt am Telefon, schönen guten Morgen!
Clemens Fuest: Schönen guten Morgen, Frau von Billerbeck!

Am ausgeglichenen Haushalt festhalten

von Billerbeck: Seit Jahren sprudeln die Steuern, die Zinsen sind extrem niedrig, die Wirtschaft läuft. Sollte nicht jetzt genau der Zeitpunkt sein, dass man vorsorgt, wenn sich diese Situation mal verändert?
Fuest: Ja, das ist richtig, es wird auch vorgesorgt. Wir haben ja einen leichten Überschuss im Haushalt und das ist auch ganz wichtig, denn es ist ja nicht nur so, dass die Zinsen mal wieder ansteigen können, sondern es ist auch so, dass wir ja vor einem demografischen Wandel stehen, der die öffentlichen Kassen auf jeden Fall belasten wird. Insofern ist es richtig, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt haben, jedenfalls keine neuen Schulden machen. Ob man jetzt darüber hinausgeht und stärker Schulden tilgt oder in anderen Bereichen was tut, Steuern senkt, Staatsausgaben erhöht, das ist letztlich eine politische Entscheidung. Man muss allerdings sehen, dass die Steuereinnahmen stark ansteigen seit einigen Jahren und dann natürlich in der Politik Ausgabenwünsche auftreten. Insofern habe ich ein Verständnis dafür, dass man jetzt beginnt, auch mal über steuerliche Entlastungen zu sprechen.
Das Logo des Ifo-Institutes
Seit dem 1.April 2016 leitet Clemens Fuest als Nachfolger von Hans-Werner Sinn das Münchner Ifo-Institut.© dpa/picture-alliance/Peter Kneffel
von Billerbeck: Die Frage ist ja, welche Effekte die einzelnen Maßnahmen haben für den Staatshaushalt. Sie sagen, es ist eine politische Entscheidung, ich frage ja jetzt den Mann der Wirtschaft: Also, man könnte die Steuern erleichtern, dann hätte man mehr Konsum und wieder mehr Steuereinnahmen, man könnte die Schulden abbauen, das setzt Gelder frei, die man sonst für Zinsen einsetzen müsste, und man könnte, wie es gestern die "taz"-Redakteurin Ulrike Herrmann in ihrem "Politischen Feuilleton" hier im Programm erwähnt hat, investieren, und zwar in die Realwirtschaft. Das kurbelt kurzfristig die Wirtschaft an und verbessert langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Was empfehlen Sie?
Fuest: Also, ich würde empfehlen, jetzt die Steuern zu senken. Wir müssen sehen, dass die Steuerquote steigt, und wir müssen auch sehen, dass wir gerade im Bereich der Einkommensteuer immer mehr Leute haben, die in höhere Grenzsteuersätze wandern. Wir haben gerade im unteren Einkommensbereich stark ansteigende Grenzsteuersätze, darüber wird seit Langem diskutiert. Ich glaube, jetzt wäre der Moment, um da ein bisschen herunterzugehen. Investieren ist auch sehr wichtig, aber die Investitionsausgaben werden schon sehr stark gesteigert. Und man kann das nicht beliebig in die Höhe ziehen, weil man vernünftige Projekte braucht. Und es ist derzeit kein Mangel an Geld da, wir haben in Deutschland einen Mangel an guten öffentlichen Investitionsprojekten, die werden durch Genehmigungsverfahren, teilweise auch durch Widerstand von Bürgerinitiativen oft lange verzögert. Denken wir an Stuttgart 21. Ich glaube, jetzt wäre es richtig, die Steuern zu senken.

Steuern senken für eine konstante Steuerquote

von Billerbeck: Also, Sie legen sich fest, Steuern senken. Aber investieren ist doch genauso nötig, wenn wir uns auch den Zustand vieler öffentlicher Einrichtungen ansehen, Brücken et cetera muss ich ja nur erwähnen. Sollte man denn tatsächlich nur auf einen Weg setzen oder wäre eine Kombination solcher Maßnahmen nicht sinnvoller?
Fuest: Die Kombination findet ja statt. Also, die öffentlichen Investitionen steigen sehr stark an, aber die deutsche Bauwirtschaft ist ausgelastet. Das hat auch damit zu tun, dass ja gerade im Wohnungsbereich viel gemacht wird. Also, es wird viel in Immobilien investiert, es wird ordentlich investiert, das kann man nicht beliebig steigern.
Und insofern denke ich, dass jetzt eine steuerliche Entlastung richtig ist. Wir müssen sehen, dass die Steuerquote ansteigen wird um ungefähr 0,6 Prozentpunkte bis 2020, wenn keine Steuerentlastung kommt, und wenn man so die Vorstellung hat, dass man langfristig die Steuerquote konstant hält, das heißt, ein ausgewogenes Verhältnis von staatlichen Einnahmen und privaten Einnahmen hat, dann ist es glaube ich richtig, dass man jetzt die Steuern senkt.
Das hat man ja lange nicht gemacht und man hat eben eher bei den öffentlichen Ausgaben erhöht, auch im Bereich Forschung steigen die Ausgaben. Das ist auch gut so, aber eben diese Investitionen haben Grenzen, und auch der private Sektor – das dürfen wir nicht vergessen – investiert ja. Also, wenn die Leute mehr Geld in der Tasche haben, dann investieren sie ja selbst und das ist eine gute Sache.
Zahlreiche Euro-Banknoten und Euromünzen, aufgenommen am 03.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen).
Auch Privatpersonen investieren ja, wenn sie Geld ausgeben, sagt der Ökonom Clemens Fuest.© picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt
von Billerbeck: Stichwort steuern, und zwar als Verb: Lässt sich das alles denn so steuern? Also, wenn man eine Maßnahme einsetzt, dann passiert genau das, was ich erwarte? Oder gibt es da nicht immer noch Nebeneffekte?
Fuest: Ja, das Wort Steuern kommt eigentlich von dem Wort Stütze. Also, es geht erst mal darum, dass der Staat genug Geld hat. Der Sinn vom Steuern-Erheben ist, dass der Staat Geld hat, weniger die ganze Wirtschaft jetzt in irgendeine Richtung zu steuern. Und in der Tat kann man das auch nicht. Aber hier geht es ja wirklich um das Verhältnis zwischen dem staatlichen Zugriff auf das Bruttosozialprodukt und dem privaten.
Das muss in einem vernünftigen Gleichgewicht bleiben. Und klar ist, man kann auch nicht 100-prozentig jetzt vorhersagen, was jetzt zum Beispiel passiert, wenn die Steuern gesenkt werden. Man weiß zwar aus Erfahrung, da wird etwas mehr konsumiert, die Privaten investieren einen Teil des Geldes oder sparen es. Man kann das nicht 100-prozentig vorhersagen, muss man aber auch nicht.
von Billerbeck: Steuern runter, Schulden abbauen oder doch lieber investieren? Antworten kamen da von Clemens Fuest vom ifo Institut in München. Ich danke Ihnen!
Fuest: Ich danke Ihnen vielmals.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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