Hauptstadtkulturvertrag

Wer zahlt, der bestimmt

Die Berliner Philharmoniker
Der Bund steigt nun auch bei den Berliner Philharmonikern ein. © imago / Kai Bienert
Von Christiane Habermalz · 08.05.2017
Schon lange finanziert der Bund die Berliner Kultur mit. Jetzt steigt er auch bei den Berliner Philharmonikern und der Opernstiftung ein. Das macht zwar weniger abhängig von unberechenbarer Lokalpolitik, hat aber auch Schattenseiten, kommentiert Christiane Habermalz.
Die einzigartige Berliner Kulturlandschaft ist eigentlich viel zu schade für Berlin – so mancher Bundespolitiker und auch kulturinteressierte Berliner mag unter der Hand so denken. Sei es die Leichtfertigkeit, mit der der jetzige Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner im vergangenen Jahr Intendantenposten großer Häuser als große mediale "Coups" vergaben, ohne auf die gewachsene Bühnenlandschaft Rücksicht zu nehmen.
Oder, im Rückblick, die Berliner Sparpolitik der 2000er-Jahre. Seine gewaltigen Haushaltslöcher versuchte der Senat lange zu schließen, indem er Hand an die Kultur legte. Das traditionsreiche Schillertheater und die Freie Volksbühne fielen so dem Rotstift zum Opfer, die drei Berliner Opern standen lange auf der Kürzungsliste.
Monika Grütters saß damals als Vorsitzende des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus und machte Front gegen die eigene Partei und die Opernfusionspläne von Kultursenator Christoph Stölzl. Dass ihr seitdem die Opern, aber auch die Philharmoniker am Herzen liegen, daran besteht kein Zweifel.

Sieben Millionen für die Philharmoniker

Seit 15 Jahren sitzt sie bei den Philharmonikern im Stiftungsrat, und es ist kein Geheimnis, dass sie das Orchester gerne ganz unter die Fittiche des Bundes gebracht hätte. Jetzt bekommen die Philharmoniker zumindest sieben Millionen im Jahr aus ihrem Etat. Gut so: Ein Weltspitzenorchester sollte nicht von unberechenbarer Lokalpolitik und von Lottomitteln abhängig sein.
Und auch nicht Institutionen wie das Deutsche Historische Museum, das Haus der Kulturen der Welt, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Jüdische Museum oder die Berliner Festspiele, die schon lange maßgeblich vom Bund finanziert werden, bald werden noch das Humboldtforum und das Museum der Moderne dazukommen. Alles zweifellos herausragende Kulturinstitutionen, mit deren Finanzierung die Stadt allein überfordert wäre.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, l), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), nach der Unterzeichnung des Hauptstadtfinanzierungsvertrages zwischen dem Bund und dem Land Berlin.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, l), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), nach der Unterzeichnung des Hauptstadtfinanzierungsvertrags.© picture alliance / dpa / Paul Zinken
Doch das zunehmende Engagement der Bundeskultur in Berlin hat auch eine Schattenseite. Denn erstens gilt: Wer zahlt, der bestimmt. Schon lange gibt der Bund mit 600 Millionen Euro im Jahr mehr Geld für Berlins Kultur aus als Berlin selbst. Mit dem wachsenden finanziellen Engagement des Bundes wächst auch dessen Einfluss auf die Berliner Kulturpolitik.

Selbstherrliche Geldzuwendungen

Wozu das führen kann, hat man an den selbstherrlichen Geldzuwendungen mancher Abgeordneter im Haushaltsausschuss des Bundestages gesehen, die mal eben Geld für historische Kolonnaden oder die Umsetzung des Neptunbrunnens vor das Humboldtforum bereitstellten – ohne dass die Berliner gefragt wurden.
Ähnlich war es jüngst mit dem "House of Jazz", das der Haushaltsausschuss Berlin zum Geschenk machen wollte – inklusive Programm und künftigem Leiter. Und Berlin lässt sich nur allzugern aus seiner Verantwortung entlassen. Ob das freigewordene Geld andernorts der Berliner Kultur zugutekommt, es darf gerne auch kleinteiliger und lokaler sein, ist fraglich. Mehr Geld für die Kultur ist immer gut. Gute Kulturpolitik ersetzt es nicht.
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