Hauptsache rentabel

Wie wäre Deutschland ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Das Bild zeigt ein Schreiben des Beitragsservices von ARD, ZDF und Deutschlandradio mit den drei Senderlogos. Zu sehen sind zudem Geldmünzen und ein Stift.
Die drei öffentlich-rechtlichen Sender Deutschlands. © imago stock&people
Von Ulrike Simon · 26.02.2018
Eine Abstimmung wie in der Schweiz zur "No Billag"-Initiative über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbietet in Deutschland die Verfassung. Das sei "gut so", kommentiert die freie Medienjournalistin Ulrike Simon. Sonst fehle die Pflicht zur Qualität.
Was wäre, wenn Deutschland keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätte? Nicht das Erste, nicht die Dritten Programme, kein ZDF, kein Deutschlandradio und auch keine regionalen Hörfunksender?
Ja, was wäre dann?
Sie könnten heute kein "heute journal" sehen. Keine Marietta Slomka erleben, wie sie einen Politiker grillt.
Der Mittwochsfilm im Ersten, die Doku im Dritten, die Klassikwelle, die regionale Infowelle, linear, per Live-Stream oder als App – all das gäbe es nicht mehr.
Das ist Quatsch, sagen Sie?
In der Schweiz sagen das auch einige. Allen voran die rechte SVP.
Das, was die Leute sehen wollten, die wirklich erfolgreichen Sendungen, die gäbe es weiterhin, sagen die Gegner des Rundfunkbeitrags, pardon, der "Zwangsabgabe". So heißt das ja in diesen Kreisen. Und sie ernten dafür Zustimmung von denen, die sagen: Ich brauch‘ das alles nicht, Infos bekomme ich im Netz, und meine Kinder schauen eh kaum noch fern. Warum soll ich für etwas zahlen, was ich gar nicht nutze?

Solidarische Angebote der Gesellschaft

Hand aufs Herz: Wie oft besuchen Sie das städtische Hallenbad? Leihen Bücher in der öffentlichen Bibliothek aus? Wie lange liegt Ihr letzter Besuch im subventionierten Theater zurück?
Ist es nicht trotzdem schön, wenn Menschen das nutzen können, ohne dafür allzu hohe Preise bezahlen zu müssen? Ist es nicht sinnvoll, dass es diese von der Gesellschaft solidarisch finanzierten Angebote gibt?
Wie viel würden zum Beispiel die "Tagesthemen" kosten, die Sie weiterhin sehen wollten, und die ja zu den quotenträchtigeren, also erfolgreichen Sendungen des Ersten gehören?
Es geht doch nur um höchstens eine halbe Stunde Sendezeit täglich, sagen Sie? Es braucht ein Studio dafür, einen Moderator oder eine Moderatorin, mehrere Hände voll Korrespondenten, die die Meldungen aus den Ländern liefern, aus denen sie berichten, dazu einen Experten, der ein besonders wichtiges Ereignis kompetent zu kommentieren weiß, dazu die Kurznachrichten, aber die liefert doch sowieso die Deutsche Presseagentur zu einem fixen Preis.
Nein, so einfach läuft das nicht.

Was leisten private Sender im Nachrichten-Bereich?

Haben Sie nicht auch schon einmal den Unterschied bemerkt zwischen jenem Auslandskorrespondenten, der in dem Land, aus dem er berichtet, schon lange lebt, den Alltag und die Menschen dort kennt, und weiß, wen man am besten zu welchem Thema etwas fragen kann, und jenem anderen Korrespondenten, der eilig eingeflogen wird, nachdem etwas passiert ist?
So ein weltweites Korrespondentennetz kostet Geld. Die Redaktion, die alles koordiniert, auch. Dazu die Technik, die Verwaltung. Es braucht Strukturen, und es braucht eine gesicherte Finanzplanung dafür.
Warum, glauben Sie wohl, hat die börsennotierte Sendergruppe "ProSieben Sat.1" damals ihren Nachrichtensender nicht mehr haben wollen und kauft sich ihre Informationssendungen seither lieber von außen ein?
Richtig, weil sich das rein wirtschaftlich gesehen nicht rentiert. Und nur unter diesem Aspekt wird bei "ProSieben Sat.1" das gesamte Programm geplant.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat Qualitäts-Pflicht

Zurück zur Frage, welche Auswirkungen es hätte, wenn es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gäbe.
Den Zeitungsverlagen fehlte der Konkurrent, dem sie zeigen können, dass sie mindestens so gute publizistische Leistungen abliefern.
Konkurrenz belebt das Geschäft.
Privaten Medien ist es selbst überlassen, was sie wie tun. Sie können, sie müssen aber keine qualitativ hochwertigen Informationen liefern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist dazu qua Auftrag verpflichtet. Wäre er weg, gäbe es das gut ausbalancierte duale System nicht mehr.
Was für ein Glück, dass wir aus den Erfahrungen der Weimarer Republik gelernt haben. Anders als in der Schweiz wäre es bei uns undenkbar, dass interessierte Kreise eine Volksabstimmung organisieren, die das Ende für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeuten kann. Bei uns ist er von der Verfassung garantiert. Es müssten schon alle Länderparlamente die Abschaffung wollen. Dazu wird es nicht kommen. Und das ist gut so.

Ulrike Simon ist freie Journalisten mit dem Fachgebiet Medien. Sie schreibt unter anderem als Kolumnistin bei "Spiegel Daily" und Autorin von "Horizont".

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